zurück | Auenkurier Hauptseite | Inhalt dieser
Ausgabe
Nachklang zu einem 175-jährigen pädagogischen Jubiläum
"Die Hänicher Konferenz vom Mai 1829 "
Im Jahre 1815 kamen die östlichen Dörfer des Hochstiftsgebietes Merseburg zu Sachsen.
Im Zuge der Zeit trauerte man zunächst der einstigen Zugehörigkeit ein wenig nach. Im Laufe der Zeit regte jedoch die industrielle Entwicklung immer mehr dazu an, sich auch über die Zukunft des Bildungswesens Gedanken zu machen. Und so entstanden mancherorts Lehrervereine und ähnliches, um sich gemeinsam und gegenseitig in Sachsen Pädagogik weiterzubilden.
Am 20. Mai 1829 trafen sich in Hänichen die Dorfschulmeister, also die Lehrer, aus den einstigen Merseburger Dörfern Gundorf, Hänichen, Lindenthal, Leutzsch, Lützschena, Rückmarsdorf und Wahren, aber auch aus Gohlis und Möckern, um fortschreitende Aufgaben gemeinsam zu beraten und anzugehen.
Das entsprach dem Geist eines gewissen demokratischen Aufbruchs und einer neuen Bildungsevolution. Die Initiative zu dieser "Hänicher Konferenz" war vom dortigen Kirchschullehrer Johann Kurt Oertel ausgegangen, deshalb der Name. Und die Teilnehmer kamen überein, sich künftig während der Sommerzeit jeweils am 1. Mittwoch des Monats in einer der Schulen zu treffen, um sich fachlich weiterzubilden und Erfahrungen auszutauschen.
Man hospitierte, tauschte Meinungen aus und gab so Anregungen weiter. Nachmittags fanden sich dann auch die Frauen der Lehrer ein, teilweise auch deren Kinder und Haustöchter, um bei Kaffee und Kuchen, manchmal auch bei einem Tänzchen in der Schulstube, sich plaudernd auszutauschen.
Schule und Schulgarten wurden allerseits freundlich-kritisch betrachtet.
Diese Vereine und auch die "Hänicher Konferenz" wirkten auch auf emeritierte Lehrer anregend. Emeritus Gottlieb Schuster aus Wahren übersandte zum Beispiel 1833 eine Abhandlung über "Die Möglichkeit, den Kindern das Lügen abzugewöhnen".
Bald musste man einsehen, dass es sich hier um eine schier unlösbare Angelegenheit handelt, die auch im Erwachsenenalter fast ohne Erfolg ist. Es ist wohl überhaupt eine menschliche Eigenschaft und gehört mit zum Selbsterhaltungstrieb, in Politik und Wirtschaft wahrscheinlich auch aus anderen Gründen.
Später wurde der Verein kleiner und nach 1873 anders organisiert. Aber Lehrer Oertel hatte am 10. Juli 1895 seine Goldene Hochzeit. Und da trafen sich, wie das hier veröffentlichte Bild zeigt, die Kollegen der "Hänicher Konferenz" noch einmal: Arnold, Steiger und Pfarrer Frank aus Großdölzig.
Aus Wahren kamen Pfarrer Führer (der Urgroßvater des heutigen Pfarrers an der Nikolaikirche), der Alt-Lehrer Friedrich August Haase, der fünfzig Jahre als Lehrer in Wahren tätig war, der neue 1. Lehrer Eduard Forberg und sein Stellvertreter Steiner, aus Lindenthal bzw. Podelwitz ("Reiselehrer" gab es damals wohl auch schon) kam Lehrer Meusdorf. Und schließlich vertrat Lehrer Mocker die Schule in Lützschena.
Dem "Westsächsischen Schulmuseum" wurde das hier abgedruckte Bild dieser Zusammenkunft beim "Jubelfeste" am 16. März 1988 durch den Uhrmacher Mocker aus Lützschena sowie Kurt Nebrig und Gerhard Eckert überreicht. Der Autor dieses Berichtes hat eine Kopie für seine historische Sammlung zum Tausendjährigen Bestehen von Wahren erhalten.
Bei meiner Arbeit am Manuskript zum geplanten "Geschichtsbuch von Wahren", fiel mir ein Text aus dem unveröffentlichten Manuskript von Max Kohlmann mit dem Titel: "Schule und Lehrer im 19. Jahrhundert" in die Hände.
Der Autor war Geschichtslehrer und späterer Rektor an der Wahrener Schule. Das Manuskript befindet sich im Stadtarchiv Leipzig, eine Kopie davon in meiner Sammlung historischer Materialien. Der Text ist dem 1802 als Sohn eines Bauern geborenen Lehrer Friedrich August Haase gewidmet. Der aus Hänichen stammende Pädagoge war Mitglied der "Hänicher Konferenz" und einer der Gäste bei Lehrer Oertels Goldener Hochzeit (siehe Foto).
Max Kohlmann schreibt über Friedrich August Haase: "Da er in der Schule nicht gewöhnliche Fähigkeiten verriet", wurde er vom 12. Lebensjahr an vom dortigen Pastor Theile privat unterrichtet. Dann erteilte er in der Schule seines Heimatdorfes selbst Unterricht und wurde schon mit 17 Jahren Catechet.... Mit 21 Jahren wurde er Gehilfe des erkrankten Lehrers Schuster ... und hat hier zum Teil alle 130 Kinder unterrichtet und sich die Liebe und Zufriedenheit der Vorgesetzten und der Gemeinde erworben. Erst nach acht Jahren, also mit 29 Lebensjahren wurde er zum Substituten ernannt.
Im Jahre 1873 feierte Haase sein fünfzigjähriges Amtsjubiläum in Wahren, bei welchem er nicht allein geehrt, sondern auch von Sr. Majestät dekoriert wurde.
Von der Gemeinde hatte er statt einer "Votivtafel mit Dankbarkeit der Gemeinde" einen Ruhestuhl erhalten, den sie "für den treuen Lehrer Vater Haase" anfertigen ließ.
Das war sicherlich nützlicher.
Nun ließ er sich pensionieren... kaufte neben Bäcker Schichtholz ein Haus (heute Stahmelner Straße 14) und lebte hier mit seiner Familie.
Am 15. April 1880 starb Friedrich August Haase ... und er wurde auf dem alten Friedhof bei der Gnadenkirche in Wahren begraben. Sein Grab ist seit 1903 eingeebnet.
Da man die Schule wie die Kirche seit den Reformationszeiten stets "im Dorfe lassen sollte", ist die Schulgeschichte auch wesentlich für die Lokalgeschichte, um so mehr, wenn es so gute und sinnvolle gemeinschaftliche Unternehmungen wie die historische "Hänicher Konferenz" gegeben hat. Das heutige Lützschena-Stahmeln kann mit Genugtuung auch auf dieses bedeutende Ereignis in seiner Vergangenheit zurück blicken und sollte es nicht vergessen.
Siegfried Haustein