Lützschenas traditionsbewußter Klampfenchor, seit 1959 mit Hingabe und ganzer Kraft von Rudolf Stoye, seinem ruhenden Pol, geleitet, hat bereits eine lange und wechselvolle Geschichte durchlebt. Die Leipziger Region war bis 1945 immer ein Zentrum der 1896 gegründeten Wandervogelbewegung. Die Einstellung ihrer meist jugendlichen Mitglieder zum Leben, war durch das Wandern bestimmt. Diese Einstellung führte sie zu Natur, Natürlichkeit und Selbstgestaltung in der Gemeinschaft, ohne parteipolitische Bindung. Da es sich mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen kraftvoller und optimistisch vorangehen läßt, gehörten Klampfenchöre untrennbar zu den Wandervögeln.
Anknüpfend an dieses Erbe entstand schon 1945 der Klampfenchor von Lützschena. Mit einer Unterbrechung von 15 Jahren, in denen Instrumente und Liedgut ruhten, besteht er bis heute. 24 Mitglieder (Oktober 2001), überwiegend Frauen, alles leidenschaftliche Laiensänger und mit der Klampfe verbunden, musizieren miteinander. Sämtliche Mitglieder befinden sich allerdings bereits im Rentenalter, die ältesten sind 70, die jüngsten Mitte 50. Sieben kommen aus Lützschena-Stahmeln, die meisten von auswärts. Unter ihnen sind jedoch viele ehemalige Lützschena-Stahmelner.
Die einst populären und beliebten Wander- und Berglieder entsprechen generationsbedingt nicht mehr dem Lebensgefühl der Jugend, die entweder auf klassischer Musik oder meist auf Rock, Pop und Techno steht. So fehlt der Nachwuchs für den Verein, dessen Publikum zuerst von Seniorengruppen, beispielsweise denen der Volkssolidarität, gestellt wird. Dort ist der Klampfenchor beliebt, aber auch seine Konzerte in der Lützschena Schloßkirche zeigten ein beachtliches musikalisches Niveau und hatten Erfolg. Insgesamt aber ist es bedauerlicherweise wahrscheinlich die Perspektive des Klampfenchores, historisch zu vergehen.
Die Gründer des Vereins leben nicht mehr. Der Klampfenchor hatte es nicht leicht im Kulturleben der DDR. Die Wandervogelbewegung war schließlich verpönt und verboten. Zuerst mußten sich die Mitglieder der BSG Nordstern anschließen, dem Vorgänger des heutigen SV Sternburg. Danach kamen sie zur Freien Deutschen Jugend. Nur mit Erfindungsreichtum und manchem Trick war es möglich, das Repertoire der Wander- und Berglieder gegen die massive Forderung nach dem politischen Lied zu verteidigen. Das gelang. Im ersten Teil der Programme wurden acht von den FDJ-Funktionären gewünschte Lieder gesungen. Das erfolgte durch die Chormitglieder in FDJ-Kleidung. Und dann zogen sie sich in der Pause um, und mit Dirndl und Lederhose als Markenzeichen boten sie ihr eigentliches Liedgut, in dem es übrigens keine klassischen Volkslieder geben kann, da sie mit Klampfen nicht vertretbar zu intonieren sind. Ab 1961 mußte der Klamptenchor pausieren und löste sich 1964/65 sogar auf. Seine jungen Mitglieder waren in dieser Zeit dabei, ihre Familie zu gründen und sich beruflich den erforderlichen Grundstock zu schaffen. Da blieb für die Musik in der kaum vorhandenen Freizeit verständlicherweise kein Platz. Mitte 1976 war es dann Friedel Pekar, ausgerüstet mit beispielgebendem Organisationstalent, die den Klampfenchor neu formierte. Es gab dazu einen gewichtigen Anlaß. Die 700-Jahr-Feier von Lützschena im Jahre 1978 war vorzubereiten (mit 1 1/2 Jahren Proben!), und da wollte der Klampfenchor nicht fehlen. Er hat damals die Festlichkeiten bereichern können. Fortan sollte er zum geplanten Lützschenaer Dorfklub gehören und wär damit faktisch der Gemeinde unterstellt gewesen. Dieses Vorhaben konnte dann aber nicht mehr realisiert werden.
Nach der Wende setzte der Klampfenchor seine Arbeit als selbständiger Verein nach seinen Möglichkeiten fort. Er ist regelmäßig beim Heimatfest und der Eröffnung der Biergartensaison im Bürgerhaus am 1. Mai dabei, absolviert aber sonst nicht mehr als fünf Auftritte jährlich. Für die Mitglieder ist noch immer ein Höhepunkt des Jahres ein gemeinsam verbrachtes Wochenende am Bergwitzsee in der Dübener Heide. Das erhält und festigt das Gemeinschaftsgefühl.
Der Lützschenaer Klampfenchor ist übrigens nicht der einzige seiner Art.
Nach 1945 entstanden viele Klampfenchöre in der Leipziger Region. Zu nennen
wären der Schkeuditzer, der Rückmarsdorfer, der Lindenthaler und der Plagwitzer.
Jetzt gibt es neben dem Lützschenaer nur noch einen, den Klampfenchor Ost
(Ost-Leipzig).
Im Jahr 2015 besteht der Chor seit 70 Jahren und war einer der letzten im
Leipziger Raum. Man bedauert, dass kein Nachwuchs gekommen war, die Jugend
will Volkslieder nicht in Gemeinschaft musizieren.
Letztmalig ist der Klampfenchor am 1. Mai 2015 in der „Lindenhöhe“ zu hören.
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