Vom sagenumwobenen Gasthof „ZUM GOLDENEN HAKSCH“
In Stahmeln spukt noch immer unter den ältesten sesshaften Einwohnern die Geschichte
vom Gasthof „Zum goldenen Haksch“.
Ein ganzer Komplex der Stahmelner Strasse heißt heute noch im Volksmund der
„Haksch“. Diese nirgendwo bezeichnete und eingetragene Flur entstammt sicherlich
dem Volkswitz. Sie erstreckt sich etwa von den Grundstücken Stahmelner 143 .
. . 147 sowie dem Grundstück Klepzig in westliche Richtung bis zur Ortsgrenze.
Anmerkung: Somit war es ein Unding, bei der Neubenennung der Straßen zur Zeit
der Eingemeindung dem ehemaligen Siedlerweg den Namen „Zum Haksch“ zu geben.
Dies hat absolut keinen Bezug zur tatsächlichen Lage dieses doch historisch
so interessanten Flürstücks. Aber Fehler wurden diesbezüglich schon oft gemacht.
Und warum sollte Stahmeln hierbei eine rühmliche Ausnahme sein. In Wahren z.B.
bezeichnet der Name „Hopfenbergstr.“ Auch nicht dessen ursprüngliche Lage; er
befand sich in früheren Zeiten vielmehr auf der Fläche von der heutigen Friedrich-Bosse-Str.
in Höhe des Viadukts in südlicher Richtung bis zur Elster.
Doch nun zurück zum eigentlichen, den durch die Überschrift gekennzeichneten
Thema.
Mir persönlich erzählten in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts
verschiedene unserer Altvorderen, ihre Urgroßeltern seien als junge Leute dort
im „Goldenen Haksch zum Tanz gewesen und es habe damals nur diesen Gasthof in
Stahmeln gegeben. So wollte ein ehemaliger Einwohner – Friedrich Kötteritzsch
– von seinem Großvater gehört haben, das älteste und einzige Gasthaus in Stahmeln
sei damals eben dieser „Haksch“ gewesen. In der napoleonischen Zeit, etwa um
1810 sei er eingegangen. Diese Überlieferung behauptet sich hartnäckig und man
kann sie nicht einfach abtun, weil oft ein Kern von Wahrheit in solchen Erzählungen
steckt. Die Erfahrung lehrt aber auch, dass sich mündliche Überlieferungen nicht
so sehr an Zeit und Umstände halten, sondern eher das für die Sache wesentliche
herausheben und bewahren.
Geht man hiervon aus, so haben alle Erzählungen das eine gemeinsam: Im „Haksch“
haben Tanzvergnügen stattgefunden und zwar im Obergeschoß des Hauses. Eine andere
Version gibt es nicht. Wie nahe liegt da die Möglichkeit einer Ausweitung der
Dinge vom gelegentlichen Tanzvergnügen bis zu einem richtigen Gasthof oder Gasthaus,
noch dazu im Laufe von 250 Jahren. Vielleicht ist aber der „Haksch“ auch nur
„Porstube“ gewesen, die erst in der Überlieferung zum Gasthof wurde? Unter „Porstube
haben wir die Oberstube in den Gebäuden, vorwiegend in Bauernhäusern zu verstehen.
Sie war die größte Stube im Haus und ging über die ganze Giebelseite. Sonst
Lagerraum, wurde sie in unregelmäßigen Abständen für Feste (Gelage u. Tanz)
benutzt. (Por = oben, oberhalb; vergl. Empore)
Diese vor der Erläuterung des Begriffes „Porstube“ genannte Version wäre schon
möglich gewesen, aber der Name „Gasthof zum goldenen Haksch“? War er doch wie
bereits eingangs erwähnt dem Volkswitz entsprungen oder hatte es vielleicht
damit zu tun, das vermutlich der Gemeindeeber seine Behausung in oder neben
dem Grundstück hatte, so wie damals der Gemeindebulle in der Mühle gehalten
wurde? Die Wahrheit könnte so aussehen: Wenn in Stahmeln wieder einmal „Porstube
gehalten werden sollte, holte man ein Fass Bier in der Schänke zu Wahren, einige
junge Leute improvisierten die Dorfmusik und die Jugend fand sich zum fröhlichen
Tanze. Spottvögel mögen dann im Blick auf das Fehlen eines richtigen Tanzlokals
und wegen der Nähe des Gemeindeebers die Bezeichnung „Gasthof zum goldenen Haksch“
erfunden haben.
Aber es gibt mehrere Gründe, die gegen die Annahme sprechen, in dem alten Lehmgebäude
– es befand sich übrigens damals in Höhe der heutigen Grundstücke Stahmelner
Str. 143 . . . 147 – habe sich ein Gasthof befunden. Ältere Einwohner unseres
berichteten mir vor etwa 50 Jahren, dass das Haus 1928 abgebrochen wurde und
dass auf dem Grundstück nicht darauf hinwies, was auf einen ehemaligen Gasthof
hätte schließen lassen. Übrigens bauten unsere Vorfahren ihre Schänken nicht
am Ende des Dorfes, sondern in dessen Mitte. In längst vergangenen Zeiten befand
sich nämlich dort die westliche Bebauungsgrenze des Dorfes Stahmeln.
Schließlich stimmen die Erzählungen der Alten in einem Punkte nicht, nämlich
in den Zeitangaben. Ihre Großeltern können nicht im „Haksch“ getanzt haben,
wenn er etwa 1810 aufgehört hatte zu bestehen. Das Beispiel des anfangs erwähnten
Kötteritzsch, zu dem genaue Daten vorliegen, beweist das. Kötteritzschs Großvater
wurde 1811 geboren; nach Stahmeln ist er mit seinem Vater, also dem Urgroßvater
von Friedrich Kötteritzsch, erst 1819 gekommen. Die Zeit, die ihn auf den Tanzböden
hätte finden können, dürften die Jahre um 1830 gewesen sein. Aber da bestand
der „Haksch bestimmt nicht mehr, falls es ihn überhaupt gegeben hat.
Nach allen was in der Sache ermittelt werden konnte, scheint sich zu bestätigen:
Mündliche Überlieferungen berichten den Kern von Tatsachen, verlieren aber allmählich
die Beziehung zu Zeit und Begleitumständen. Was die Alten von ihren Großeltern
gehört haben war sicher schon zu deren Zeit Legende, die lebendig gebliebene
Erinnerung an die Porstuben.
Klaus Karstedt
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