Rittergut Lützschena mit Freiroda
Lützschena gehört seit 1999 zur Stadt Leipzig (früher Amt Schkeuditz, 1816
Amt Leipzig, 1856 Gerichtsamt Leipzig II, 1875 Amtshauptmannschaft Leipzig,
1952 Landkreis Leipzig, 1994 Landkreis Leipziger Land). Freiroda gehört zur
Stadt Schkeuditz im Landkreis Nordsachsen und liegt nur wenige Kilometer nördlich
von Leipzig (Amt Schkeuditz, 1816 Amt Delitzsch, 1952 Landkreis Delitzsch,
2008 Landkreis Nordsachsen). Beide Rittergüter waren altschriftsässig. [01]
Das Rittergut Lützschena übte die Untergerichtsbarkeit über das gleichnamige
Dorf aus. Das Rittergut Freiroda besaß die Ober- und Erbgerichtsbarkeit über
Freiroda und die Mark Kritzschene. Freiroda wurde von Lützschena aus verwaltet,
da die Bauern von Freiroda verschiedene Dienste für das Rittergut Lützschena
leisten mussten. Deshalb besaß Freiroda nur ein Patrimonialgericht aber keine
Rittergutsgebäude. Darüber hinaus waren Grundstücksbesitzer in Schkeuditz,
Hänichen, Quasnitz, Gottenz, Wehlitz und Röcken den beiden Rittergütern lehns-
und zinspflichtig. [02] Die Rittergutsbesitzer von Lützschena und Freiroda
übten auch das Patronat über die Amtsdörfer Hänichen und Quasnitz aus. Sowohl
in Lützschena als auch in Freiroda gab es je eine Wassermühle. Nach dem Wiener
Kongress 1815 gehörte Freiroda zu Preußen. Die Gerichtsbarkeit über Lützschena
wurde im Juli 1856 an das Gerichtsamt Leipzig II abgegeben.
Der erste bekannte Besitzer von Lützschena war Markgraf Dietrich von Landsberg,
der das Rittergut 1278 an den Bischof Friedrich von Merseburg verkaufte. 1404
wurde es von Wilhelm von Üchtritz erworben. Dessen Sohn Bernhard kaufte noch
Freiroda hinzu. Lützschena und Freiroda blieben bis 1822 im Besitz der Familie.
Zeitweilig gehörten auch die Rittergüter Modelwitz (1591 – 1676) und Medewitzsch
(Mitte des 17. Jh. – 1728) zum Besitz der Familie von Üchtritz auf Lützschena.
Als Leberecht Carl Heinrich von Üchtritz (1728 – 1793) 1793 starb, erbte seine
Tochter Maximiliane Ernestine Sophie von Klengel (1763 –?) Lützschena mit
Freiroda. Da es sich um Mannlehngüter handelte, gestaltete sich die Übernahme
schwierig. Endgültig belehnt wurde sie mit den beiden Rittergütern erst sieben
Jahre später. [03] 1822 wurde Lützschena mit Freiroda aufgrund der schlechten
wirtschaftlichen Lage zwangsversteigert und von Maximilian Speck von Sternburg
(1776 – 1856) erworben. Dieser machte aus Lützschena ein Mustergut für die
Viehzucht, insbesondere für die Schafzucht. 1851 gründete er eine Landwirtschaftliche
Lehranstalt in Lützschena. 1835 wurde das Mannlehngut in ein Allodium umgewandelt.
Eine Rittergutsbrauerei bestand schon seit Mitte des 18. Jahrhunderts. 1823
bekam Maximilian Speck von Sternburg eine Konzession zur Lieferung des Bieres
nach Leipzig. Das Sternburg-Bier erwies sich als so erfolgreich, dass in den
nächsten Jahrzehnten die Brauerei beständig ausgebaut werden konnte. Zudem
machte sich Maximilian Speck von Sternburg einen Namen als Gemäldesammler.
Das Rittergut Lützschena blieb bis 1945 im Familienbesitz. Nach 1945 wurden
die Besitzungen im Zuge der Bodenreform aufgeteilt und bildeten den Grundstock
der LPG Lützschena.
Quelle: Staatsarchiv Leipzig Bestand 20466
Buchtipp: Daehne, Paul.
Lützschena im Wandel der Welt. Ein Ehrenbuch der Brauerei Sternburg für Freunde
des Bieres und fesselnder Begebenheiten.
Leipzig, Privatdruck, 1940 32 x 24 cm. XXVIII, 655 S. mit zahlreichen Abb.
im Text und auf Tafeln.
Jubiläumsschrift zum 50-Jährigen Bestehen der Brauerei Sternburg bei Leipzig.
Reich illustriert mit hist. Abb. zur Kulturgeschichte des Bieres, Brauerei
etc.
Rothe-Heilemann I, 77. - Erste Ausgabe. - Umfangreiche und opulent ausgestattete
Geschichte des Leipziger Vorortes mit ausführlicher Chronik der Bierbrauerei.
Das alte Barockschloss von Lützschena
Wer es heute in Lützschena sucht, findet es nicht mehr. Dennoch: Mehrere
Generationen hindurch war es das Herrenhaus des Ritterguts. Erbaut wurde es
in der Barockzeit für die Familie von Uichteritz (auch Uechteritz bzw. Uechtritz).
Sie besaß es seit 1404. Im Januar 1822 erwarb es der Leipziger Bürger und
Wollhandelskaufmann Maximilian Speck, nachmaliger Freiherr von Sternburg.
Das zugehörige verhältnismäßig kleine Schloss übernahm er als Wohnsitz. Um
außerdem seine umfangreichen Kunstsammlungen vollständig darin unterzubringen,
reichte der verfügbare Raum allerdings nicht aus. 1864 ließ Maximilians jüngster
Sohn, Alexander Maximilian von Sternburg, das baufällig gewordene Gebäude
abreißen und anschließend durch den noch heute bestehenden neogotischen Schlossbau
ersetzen. In ihm war bis zum Ende des zweiten Weltkriegs die Sternburgsche
Gemäldesammlung repräsentativ untergebracht. Die Bauformen des neuen Schlosses
wurden dem im spätmittelalterlichen England entstandenen Tudor-Stil entlehnt.
Den oberen Abschluss bildete ein Zinnenkranz, den man 1950 leider entfernte.
Wie das Lützschenaer Barockschloss ausgesehen hat, zeigen zwei Lithographien
aus dem 19. Jahrhundert. Bei dem einem Bild handelt es sich um eine 1826 von
dem Landschaftsmaler und Graphiker Friedrich Loos geschaffene Teilansicht
des Schlossparks mit dem Schloss als Mittelpunkt. Das andere Bild ist eine
exakte Darstellung des Schlosses und wurde in dem 1854 erschienenen „Album
der Rittergüter und Schlösser des Königreich Sachsen“ Bd. I (Leipziger Kreis)
veröffentlich. Wir sehen einen zweigeschossigen Bau. Seine Längsseiten werden
durch 8 vertikale Fensterachsen gegliedert, an den Schmalseiten sind es 5.
Die flache plastische Dekoration der Fassade wirkt eher zurückhaltend und
setzt nur in dem Mittelfeld über dem Eingang einen stärkeren Akzent. Das Mansarddach
trägt an der Längsseite 5, an den Schmalseiten 3 Dachgauben. Im Zentrum des
Daches ragt ein kurzer, gedrungener Turm auf. Ein in den Proportionen und
der Fassadenstruktur weitgehend ähnliches Beispiel barocker Herrenhaus-Architektur
ist das zurzeit noch in Renovierung kleine Schloss in der Mitte des Dorfes
Ermlitz (jetzt Ortsteil von Schkopau, zwischen Halle und Leipzig). In den
30er Jahren des 18. Jahrhunderts erbaute es der Sächsische Oberlandbaumeister
Johann Christoph Knöffel für die Familie von Bose, die Besitzer des dortigen
Rittergutes. 1771 erwarb der Jurist und spätere Leipziger Bürgermeister Dr.
Heinrich Friedrich Innozenz Apel das Gut Ermlitz als Sommersitz für seine
Familie. Er ließ die Innenausstattung des Schlosses mit Stuckdecken und kostbaren
Tapeten erneuern. Unter seinem Sohn Johann August Apel, Jurist und Dichter
sowie Domherr zu Merseburg, wurde im Dachgeschoss eine umfangreiche Bibliothek
eingerichtet. Ermlitz war seitdem ein kultureller Mittelpunkt für Schriftsteller
und Musiker.
1825 begann Maximilian Speck östlich des Schlosses, zwischen Weißer Elster
und Hundewasser, seinen weiträumigen Landschaftspark anzulegen. Zur gleichen
Zeit war der aus Graz stammende Friedrich Loos nach Leipzig gekommen und hatte
von Speck den Auftrag erhalten, Radierungen nach Gemälden seiner Sammlung
für einen Katalog „anzufertigen“. Damals entstanden auch das im wiedergegebene
Blatt „Schafschur in Lützschena“ und einer Reihe Zeichnungen mit Partien des
Schlossparks. Nach einigen von diesen stellte Loos Lithographien her. Dazu
gehört auch das wiedergegebene Blatt. Es enthält außer dem Schlossmotiv mehrere
genau angegebene Details aus der näheren Umgebung des Schlosses. Der im Vordergrund
erscheinende Schäfer mit seiner Herde ist als Hinweis auf die damals im Lützschenaer
Mustergut erfolgreich betriebene Schafzucht zu verstehen. Im Winter arbeitete
der Künstler in Leipzig, im Sommer bei Familie Speck in Lützschena. Als er
viel später, im August 1868, noch einmal Lützschena besuchte, schrieb er in
das Gästebuch des nunmehr neuerbauten Schlosses: „In unauszusprechender Rührung
verlasse ich dieses Haus und Kunstsammlung, wo ich vor 42 Jahren zwei der
schönsten, glücklichsten Jahre meines Lebens verbrachte. Möge der Segen des
Juwels auf allen Gliedern der Familie dieses Hauses bis in die spätesten Zeiten
ruhen“. Ein rastloses Schaffen kennzeichnet das Leben dieses von den Lützschenaern
Schlossherren in seiner künstlerischen Bedeutung hoch geschätzten Mannes.
Sein überwiegend graphisches Werk besteht hauptsächlich aus Landschaftsbildern,
deren weitgehend realistischer Stil häufig an Lichtführung orientiert ist.
Loos arbeitete an zahlreichen Orten Europas von Süd bis Nord: Nach seiner
Ausbildung an der Wiener Akademie weilte er vorübergehend in Ungarn. Danach
hielt er sich in Leipzig und Lützschena auf, ehe er im Sommer 1826 über Dresden
und Prag wieder nach Wien und noch im gleichen Jahr nach Salzburg ging. Ab
1840 lebte er in Italien, vor allem in Rom, dann 1851 – 53 in Bremen, Oldenburg,
Hamburg und Kopenhagen. Seit 1853 wirkte Loos in Kiel, wo er später eine Anstellung
an der dortigen Universität als Zeichenlehrer erhielt. 1856 unternahm er eine
Studienreise nach Norwegen. Eine Sonderausstellung innerhalb seines umfangreichen
Werkes nehmen zwei große Stadtpanoramen (Salzburg, Rom) ein.
Loos starb hochbetagt 1890 in Kiel.
Werner Müller, Stahmeln
Für freundliche Unterstützung meiner Recherchen danke ich der Bibliothek Lützschena
und der Redaktion des Allgemeinen Künstlerlexikons, Leipzig.
Jahr | Besitzer der RittergüterLützschena und Freiroda |
bis 1278 | Markgraf Dietrich von Landsberg |
ab 1278 | Friedrich Bischof von Merseburg |
1404 | Wilhelm von Üchtritz |
vor 1450 | Bernhard von Üchtritz |
um 1537, bis 1552? | Götz von Üchtritz |
1552? – 1606 | Andreas von Üchtritz |
1606 – 1654? | Bernhard von Üchtritz |
1654? – 1685 | Heinrich von Üchtritz (? – 1680), Wolf Rudolf von Üchtritz |
1670 – 1728 | Wolf Rudolf von Üchtritz |
1728 – 1752 | Joseph Jedidja von Üchtritz |
1752 – 1793 | Leberecht Carl Heinrich von Üchtritz |
1793 – 1822 | Maximiliane Ernestine Sophie von Klengel |
1822 – 1856 | Maximilian Speck von Sternburg |
1856 – 1911 | Alexander Maximilian Speck von Sternburg |
1911 – 1916 | James Alexander Speck von Sternburg |
1916 – 1940 | Gustav Harry Speck von Sternburg |
1940 – 1944 | Wolf Rudolf Speck von Sternburg (unmündig, in Vormundschaft) |
1944 – 1945 | Ilse Speck von Sternburg; Johanna Helene Speck von Sternburg |
Das Rittergut besaß die Gerichtsbarkeit über Lützschena sowie ganz oder teilweise über Freiroda, Gottenz (Sachsen-Anhalt), Hänichen (bei Schkeuditz), Kleinwiederitzsch, Kritzschene, Modelwitz, Quasnitz, Rabutz und Schkeuditz.
Quelle: Staatsarchiv Leipzig
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