Die
Geschichte der letzten Bäckerei
Viele
unserer heutigen Einwohner können sich gar nicht richtig vorstellen, dass
Aufbruchsstimmung herrschte so um 1900. Lange ist es her, da waren die Dörfer
Hänichen, Quasnitz und Lützschena noch selbstständig. Die Baugebiete in
Quasnitz „Gartenstadt“ und die Villen-Kolonie „Dorettenring“ wurden durch den
Gemeinderat Quasnitz auf den Weg gebracht. Damit wurden die Einwohnerzahlen
erhöht, der Handel und das Handwerk angekurbelt. In den drei Dörfern gab es
viele private Händler, die mit Lebensmittel, Molkereiwaren, Obst und Gemüse,
Fisch, u.ä. handelten und das Handwerk war mit Fleischereien, Bäckereien,
Schmieden, Stellmacherei, Sattlerei, Polsterei, Friseur, Uhrmacher,
Gärtnereien und weiteres Handwerk vertreten. Die Angebotspalette
Einige private Händler führten bis in
die 60-ziger Jahre, manch einer bis heute, ihre Geschäfte weiter. Die
Verstaatlichung schritt immer weiter voran und die privaten Geschäfte und das
private Handwerk wurden verdrängt. Mit der Gründung der DDR hatte Lützschena
Wir haben recherchiert zu den
Bäckereien: Hier ein paar Namen von früher, die noch bekannt sind, Curt später
Petrausch, Rühlemann, Graichen später Lemme, Hartisch, später Winkler.
Alles hatte begonnen am 01.07.1891, da
hat der gelernter Bäcker– und Konditormeister Wilhelm Hartisch das Grundstück
„An der Schäferei“ gekauft. Schon am 14. Januar 1892 ist das neu errichtete
Wohn- und Geschäftsgebäude fertig. Die Eröffnung der Bäckerei Wilhelm Hartisch
erfolgte im Januar 1892. Ein genaues Datum ist nicht bekannt. Für das
Betreiben der Bäckerei wird die ganze Familie gebraucht. Der kleine
Verkaufsraum war für die Kunden von der Straße aus über zwei Stufen zu
erreichen. In die Backstube gelangte man über eine steile 4-stufige Treppe aus
dem Verkaufsraum in einen Flur und von dort über eine Treppe in den Keller.
Der Backofen wurde mit Holz und Kohle befeuert.
In den 40-ziger Jahren übergab der
Bäckermeister Wilhelm Hartisch sein Geschäft an den ältesten Sohn Wilhelm,
genannt Willi. Seine Ehefrau führte den kaufmännischen Bereich. Eine schwere
wirtschaftliche Zeit waren dann auch die Kriegsjahre des 2. Weltkrieges bis
hin in die 50-ziger Jahre. Die Einnahmen kamen überwiegend aus den Verkäufen
mit Brotmarken. Das war eine schwierige Zeit. Der Besitzer der Bäckerei, Herr
Willi Hartisch erkrankte 1956 schwer. Er konnte seinen Beruf nicht mehr in der
gewohnten Weise ausüben. Das Geschäft wurde durch die Ehefrau weitergeführt,
da in der Backstube die Gesellen Winkler und Tolks arbeiteten. Es musste eine
generelle Entscheidung getroffen werden. Einen Nachfolger aus der Familie gab
es nicht. Aber die Bäckerei aufgeben wollte er auch nicht, so wurde die
Bäckerei an seinen Gesellen Winkler verpachtet. Der Geselle Hellmuth Winkler
hatte 1952 seinen Meisterbrief gemacht und durfte so
Am 1.4.1957 eröffnet Hellmut Winkler
seinen Bäckerladen. Verkäuferin wurde seine Ehefrau Helga Winkler. Frau
Winkler kümmerte sich von Beginn an um die wirtschaftlichen Belange des
Geschäftes und hatte alle Finanzen im Griff, wie man so schön sagt. Die
Backstube und der Verkaufsraum werden 1959 modernisiert. Der kohlebefeuerte
Backofen wird auf Gas umgestellt. Der Pächter, Bäckermeister Hellmut Winkler,
kaufte das Grundstück mit der Bäckerei und dem Wohn-Geschäftshaus 1969. 1976
wurde das Dachgeschoß umgebaut, indem man das Dachgeschoß zu einem Stockwerk
aufbaute und dann mit einem neuen Dachstuhl mit Dachboden darüber baute. Die
Bäckerfamilie Winkler lehnte immer wieder den Beitritt in eine PGH
(Produktionsgenossenschaft des Handwerks) ab, mit Erfolg. Sie blieb
eigenständig bis das Geschäft 1998 aus wirtschaftlichen Gründen schließen
musste. Die Schwiegermutter: Martha Lauterbach hilft noch mit 90 Jahren, das
war der 25. Juni 1988 in der Backstube ihres Schwiegersohnes mit.
Einen Nachfolger für die Bäckerei gab
es schon, Sohn Andreas. Andreas Winkler machte seine Bäckerlehre von 1981 bis
1983 in der Bäckerei Eifert in Dölzig. Die Meisterprüfung legte er im
September 1986 ab. Eines von 5 Meisterstücken Torten und Kuchen bestand er mit
1,9 und war der Beste. Nach dem Wehrdienst arbeitet Andreas Winkler wieder mit
seinem Vater in der Backstube und seine Mutter führte die Finanzen. Die Wende
1990 bringt auch für die Feinbäckerei Winkler wirtschaftliche Veränderungen
mit sich. Andreas Winkler hat inzwischen geheiratet und die Eltern würden
gerne in den Ruhestand gehen. Das Ehepaar Hellmut Winkler übergibt die
Bäckerei 1992 dem Sohn Andreas Winkler. Zeitgleich wurde der Verkaufsraum
vergrößert und modernisiert. Um alles möglich zu machen, werden Kredite
aufgenommen. Ein neuer ölbefeuerter Backofen wird eingebaut, auch andere
neuere Arbeits- und Gerätschaften sind erforderlich um kundengerecht zu
bleiben und die Angebotspalette zu erweitern. Mit dem Umbau mussten die Kunden
nun mehrere Stufen im Verkaufsraum hinaufsteigen. Man tat es gerne, denn dort
wurden die begehrten verschiedenen Kuchen und Brote angeboten.
Die Angebote an Brot, Brötchen und
Kuchen sind vielfältig und moderat im Preis, der Umsatz ist nicht wie
erwartet, aber die Kredite müssen bedient werden. Die Bäckerei gerät in eine
Schieflage und muss Insolvenz anmelden. Die Schließung folgt 1998. Das
Grundstück mit Haus und Bäckerei wurden Insolvenzmasse und ging an einen
Immobilienmakler.
Vom 05. Januar 1999 bis 31.12.2016
wurde der Verkaufsraum durch die Bäckerei Damm aus Modelwitz wieder genutzt.
Sie verkauften dort ihre eigenen hergestellten Waren aus der Bäckerei
Modelwitz. Modelwitz ist ein Stadtteil von Schkeuditz. Aus Altersgründen
schloss 2016 die Bäckerei Damm in Modelwitz ihren Handwerksbetrieb. Damit
wurden auch der Verkaufsraum und die Nebenräume „An der Schäferei 8“
geschlossen. Die Räume im Erdgeschoss der ehemaligen Bäckerei „An der
Schäferei 8“ sind als Wohnraum umgebaut worden.
Und die
Lützschenaer haben keinen Bäcker mehr.
Für die
Mithilfe bei unseren Recherchen bedanken wir uns ganz herzlich bei Frau Erika
Hoyer, geb. Hartisch und Frau Helga Winkler.
Heimatverein Lützschena-Stahmeln e.V., Angelika Wächtler