Die Geschichte der letzten Bäckerei in Lützschena

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Viele unserer heutigen Einwohner können sich gar nicht richtig vorstellen, dass Aufbruchsstimmung herrschte so um 1900. Lange ist es her, da waren die Dörfer Hänichen, Quasnitz und Lützschena noch selbstständig. Die Baugebiete in Quasnitz „Gartenstadt“ und die Villen-Kolonie „Dorettenring“ wurden durch den Gemeinderat Quasnitz auf den Weg gebracht. Damit wurden die Einwohnerzahlen erhöht, der Handel und das Handwerk angekurbelt. In den drei Dörfern gab es viele private Händler, die mit Lebensmittel, Molkereiwaren, Obst und Gemüse, Fisch, u.ä. handelten und das Handwerk war mit Fleischereien, Bäckereien, Schmieden, Stellmacherei, Sattlerei, Polsterei, Friseur, Uhrmacher, Gärtnereien und weiteres Handwerk vertreten. Die Angebotspalette war groß.

Einige private Händler führten bis in die 60-ziger Jahre, manch einer bis heute, ihre Geschäfte weiter. Die Verstaatlichung schritt immer weiter voran und die privaten Geschäfte und das private Handwerk wurden verdrängt. Mit der Gründung der DDR hatte Lützschena das Landwarenhaus, HO und Konsum-Verkaufsstellen für Lebensmittel und Molkereiwaren, Konsum Möbel/Textil/Schuhe, Tabakwaren. Es gab noch den Karosseriebau, Schmiedemeister, Taxi, Kohlehandel, Schulen, Post und Sparkasse. Die Aufzählung ist nicht vollständig. Bis 1989 reduzierte sich noch mal das Angebot von Verkaufsstellen und Handwerk.

Wir haben recherchiert zu den Bäckereien: Hier ein paar Namen von früher, die noch bekannt sind, Curt später Petrausch, Rühlemann, Graichen später Lemme, Hartisch, später Winkler.

Alles hatte begonnen am 01.07.1891, da hat der gelernter Bäcker– und Konditormeister Wilhelm Hartisch das Grundstück „An der Schäferei“ gekauft. Schon am 14. Januar 1892 ist das neu errichtete Wohn- und Geschäftsgebäude fertig. Die Eröffnung der Bäckerei Wilhelm Hartisch erfolgte im Januar 1892. Ein genaues Datum ist nicht bekannt. Für das Betreiben der Bäckerei wird die ganze Familie gebraucht. Der kleine Verkaufsraum war für die Kunden von der Straße aus über zwei Stufen zu erreichen. In die Backstube gelangte man über eine steile 4-stufige Treppe aus dem Verkaufsraum in einen Flur und von dort über eine Treppe in den Keller. Der Backofen wurde mit Holz und Kohle befeuert.

In den 40-ziger Jahren übergab der Bäckermeister Wilhelm Hartisch sein Geschäft an den ältesten Sohn Wilhelm, genannt Willi. Seine Ehefrau führte den kaufmännischen Bereich. Eine schwere wirtschaftliche Zeit waren dann auch die Kriegsjahre des 2. Weltkrieges bis hin in die 50-ziger Jahre. Die Einnahmen kamen überwiegend aus den Verkäufen mit Brotmarken. Das war eine schwierige Zeit. Der Besitzer der Bäckerei, Herr Willi Hartisch erkrankte 1956 schwer. Er konnte seinen Beruf nicht mehr in der gewohnten Weise ausüben. Das Geschäft wurde durch die Ehefrau weitergeführt, da in der Backstube die Gesellen Winkler und Tolks arbeiteten. Es musste eine generelle Entscheidung getroffen werden. Einen Nachfolger aus der Familie gab es nicht. Aber die Bäckerei aufgeben wollte er auch nicht, so wurde die Bäckerei an seinen Gesellen Winkler verpachtet. Der Geselle Hellmuth Winkler hatte 1952 seinen Meisterbrief gemacht und durfte so die Bäckerei führen. Im Dezember 1956 verstarb Wilhelm Hartisch.

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Am 1.4.1957 eröffnet Hellmut Winkler seinen Bäckerladen. Verkäuferin wurde seine Ehefrau Helga Winkler. Frau Winkler kümmerte sich von Beginn an um die wirtschaftlichen Belange des Geschäftes und hatte alle Finanzen im Griff, wie man so schön sagt. Die Backstube und der Verkaufsraum werden 1959 modernisiert. Der kohlebefeuerte Backofen wird auf Gas umgestellt. Der Pächter, Bäckermeister Hellmut Winkler, kaufte das Grundstück mit der Bäckerei und dem Wohn-Geschäftshaus 1969. 1976 wurde das Dachgeschoß umgebaut, indem man das Dachgeschoß zu einem Stockwerk aufbaute und dann mit einem neuen Dachstuhl mit Dachboden darüber baute. Die Bäckerfamilie Winkler lehnte immer wieder den Beitritt in eine PGH (Produktionsgenossenschaft des Handwerks) ab, mit Erfolg. Sie blieb eigenständig bis das Geschäft 1998 aus wirtschaftlichen Gründen schließen musste. Die Schwiegermutter: Martha Lauterbach hilft noch mit 90 Jahren, das war der 25. Juni 1988 in der Backstube ihres Schwiegersohnes mit.

Einen Nachfolger für die Bäckerei gab es schon, Sohn Andreas. Andreas Winkler machte seine Bäckerlehre von 1981 bis 1983 in der Bäckerei Eifert in Dölzig. Die Meisterprüfung legte er im September 1986 ab. Eines von 5 Meisterstücken Torten und Kuchen bestand er mit 1,9 und war der Beste. Nach dem Wehrdienst arbeitet Andreas Winkler wieder mit seinem Vater in der Backstube und seine Mutter führte die Finanzen. Die Wende 1990 bringt auch für die Feinbäckerei Winkler wirtschaftliche Veränderungen mit sich. Andreas Winkler hat inzwischen geheiratet und die Eltern würden gerne in den Ruhestand gehen. Das Ehepaar Hellmut Winkler übergibt die Bäckerei 1992 dem Sohn Andreas Winkler. Zeitgleich wurde der Verkaufsraum vergrößert und modernisiert. Um alles möglich zu machen, werden Kredite aufgenommen. Ein neuer ölbefeuerter Backofen wird eingebaut, auch andere neuere Arbeits- und Gerätschaften sind erforderlich um kundengerecht zu bleiben und die Angebotspalette zu erweitern. Mit dem Umbau mussten die Kunden nun mehrere Stufen im Verkaufsraum hinaufsteigen. Man tat es gerne, denn dort wurden die begehrten verschiedenen Kuchen und Brote angeboten.

Die Angebote an Brot, Brötchen und Kuchen sind vielfältig und moderat im Preis, der Umsatz ist nicht wie erwartet, aber die Kredite müssen bedient werden. Die Bäckerei gerät in eine Schieflage und muss Insolvenz anmelden. Die Schließung folgt 1998. Das Grundstück mit Haus und Bäckerei wurden Insolvenzmasse und ging an einen Immobilienmakler.

Vom 05. Januar 1999 bis 31.12.2016 wurde der Verkaufsraum durch die Bäckerei Damm aus Modelwitz wieder genutzt. Sie verkauften dort ihre eigenen hergestellten Waren aus der Bäckerei Modelwitz. Modelwitz ist ein Stadtteil von Schkeuditz. Aus Altersgründen schloss 2016 die Bäckerei Damm in Modelwitz ihren Handwerksbetrieb. Damit wurden auch der Verkaufsraum und die Nebenräume „An der Schäferei 8“ geschlossen. Die Räume im Erdgeschoss der ehemaligen Bäckerei „An der Schäferei 8“ sind als Wohnraum umgebaut worden.

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Und die Lützschenaer haben keinen Bäcker mehr.

Für die Mithilfe bei unseren Recherchen bedanken wir uns ganz herzlich bei Frau Erika Hoyer, geb. Hartisch und Frau Helga Winkler.

Heimatverein Lützschena-Stahmeln e.V., Angelika Wächtler