Warum ist Thietmar von Merseburg so bedeutend?

Am 01.Dezember 2018 ist Thietmar von Merseburg, seit 1009 Bischof von Merseburg, genau 1000 Jahre tot. Das ist solange her und trotzdem war das Anlass  für die Historiker, diesem Bischof eine umfangreiche Ausstellung im Gebäude der Curia Nova (Willi-Sitte-Galerie), direkt gegenüber dem Dom von Merseburg, zu widmen.

Merseburg

Merseburg war schon unter Heinrich I (875-936, seit 912 Herzog von Sachsen und Deutscher König seit 914) eine bedeutende Königspfalz, königliche Wohnstätte im Mittelalter. Im Jahre 968 wurde in Merseburg ein Bistum gegründet, bis 1245 war Merseburg Ort bedeutender Reichstage. Heinrich II (973-1024, deutscher König seit 1002, deutscher Kaiser seit 1014) bestätigte 1004 eine erneute Gründung des Bistums von Merseburg. Für diese bedeutende bischöfliche Residenz ernannte Heinrich II den Probst Thietmar 1009 zum Bischof von Merseburg.

Thietmar war Sohn der Familie des Grafen von Walbeck, einer sächsischen Adelsfamilie. Er wurde Geistlicher und hatte Zugang zu kirchlichen und weltlichen Führungspersönlichkeiten. Diese Kenntnisse und seine Beobachtungen in dieser Zeit machten ihn somit bedeutungsvoll. Von 1012 bis zu seinem Tod 1018 verfasste Thietmar eine fünfbändige Chronik, welche die Epoche des frühen Christentums in Deutschland aber auch den Übergang zum Christentum in Böhmen, Polen, Ungarn und Dänemark beschreibt. Der römische Kaiser Konstantin I (306 bis 337) sicherte 313 im Mailänder Edikt dem Christentum wie den heidnischen Kulturen Religionsfreiheit zu. In Armenien, Hochland zwischen Südkaukasus und dem Hochland von Iran, wurde schon 301 vom armenischen König das Christentum zur Staatsreligion erklärt. In Georgien, östlich vom Schwarzen Meer und südlich vom großen Kaukasus gelegen, erfolgte die Christianisierung im Jahr 337. In Europa dauerte der Weg zum Christentum als Staatsreligion mehrere Jahrhunderte. Bonifatius, eigentlich Wynfrith (675-754), ein angelsächsischer Benediktinermönch und Missionar, war 718 von Papst Gregor II mit der Mission auf dem Gebiet des späteren Deutschland beauftragt. Es wird vermutet, dass er sich auch auf dem Gebiet von Lützschena und Quasnitz aufhielt. Er gründete zahlreiche Bistümer (Salzburg, Regensburg, Erfurt und Klöster, z. B. Fulda und Ohrdruf).

Die Chronik des Thietmar von Merseburg ist eine ergiebige Quelle für den Nachweis der Regierungszeit Otto III (980-1002) König seit 963, Kaiser seit 996 und Heinrich II (s. o.), deutscher König seit 1002 und die Geschichte der Westslawen zwischen Elbe, Saale und Oder. Thietmar bezog sich in dieser Chronik nicht nur auf die Geschichte Merseburgs, sondern auch auf das Leben der sächsischen Könige und Kaiser. In der Chronik wird z.B. das Leben der Königin Mathilde, gestorben 968, beschrieben. Sie war die Mutter des Kaisers Otto I, Otto der Große (912-973). Thietmar beschreibt auch sächsische Orte, so werden in seiner Chronik Schkeuditz, Raßnitz, Gundorf ,Taucha , Magdeburg und Zwenkau erwähnt. Die Orte erhalten unterschiedliche Benennungen, je nach Größe. Er beschreibt Villa, Palacium oder urbs ( Leipzig wird 1015 so erwähnt ) oder einfach Civitas (Ort). Leipzig und auch Taucha bezeichnet er in seiner Chronik als befestigte Siedlungen, die genau so einen Wert haben wie damals Mainz oder Trier. Thietmar erklärt in seiner Chronik auch seine eigenen Befindlichkeiten, er beschreibt Wetter- und Klimazustände, beschreibt Ernten und Ernteverluste und berichtet von neuen Anbauflächen. Thietmar sprach mit kirchlichen und weltlichen Zeitgenossen, er sprach aber auch mit älteren Personen, die aus ihrer Jugendzeit von anderen hochgestellten Persönlichkeiten berichteten bzw. die selbst andere gekannt hatten, die aus deren früherer Zeit berichteten. Diese Chronik ist jedenfalls sehr aufschlussreich und die Historiker konnten und können bis jetzt noch viele Zusammenhänge der Geschichte erkennen.

Die Chronik schrieb Thietmar in lateinischer Schrift. Im 16. Jahrhundert gab es ein verstärktes Interesse an der Chronik, unterstützt wurde das vom sächsischen Kurfürsten August I (1526-1586), seit 1553 Kurfürst von Sachsen. Anfangs war die Chronik von Interesse vor allem an genealogischen Zusammenhängen der großen Herrscherdynastien der frühen Neuzeit. 1580 erfolgte die erste vollständige Edition der Chronik durch Reiner Reineccius. Die erste Übersetzung ins Deutsche erschien 1606 in der 2. Auflage der Merseburger Chronik. Der Philosoph, Mathematiker, Historiker und Staatsmann, bedeutender Gelehrter der deutschen Frühaufklärung Gottfried Wilhelm Freiherr von Leibniz war Forscher auf nahezu allen Wissensgebieten, er lieh sich 1696 von dem Jesuitenpater Daniel Papebruch die heutige Brüsseler Handschrift aus.

Die Chronik der Original-Handschrift Thietmars in lateinischer Sprache befindet sich in Dresden in der Sächsischen Landesbibliothek. In Gotha und in Charlottesville sind Fragmente, und in Brüssel befindet sich die vollständige Übersetzung. Zahlreiche Auszüge der Bücher I bis V der Chronik des Thietmar von Merseburg sind in der Ausstellung original zu sehen. Das ist sehr beeindruckend.

Im Dom kann man den Text um die Grabpatte des Chronikschreibers Thietmar von Merseburg studieren. Die Umrandung der schlichten Grabplatte hat folgenden Text: DER EHRWÜRDIGE HERR THIETMAR. HEILIGER BISCHOF. MIT HERZ, HAND UND ZUNGE THIETMARS BERICHTET SEINE CHRONIK. DURCH GOTTES GNAD BIN ICH WAS ICH BIN. WAS DIE TUN, WISSEN UND LEHREN SOLLEN, DIE DEM RICHTIGEN FOLGEN.

Grabplatte

Dr. Anni Neumann