Schafe in Lützschena....


gibt es nicht erst seit gestern, sondern schon mehrere hundert Jahre. Einen Höhepunkt in der Schafzucht gab es jedoch, als Maximilian Speck 1822 das Rittergut Lützschena erwarb und mit einer eigenen Herde Wolle produzierte. Dabei kamen ihm die Kenntnisse zugute, die er als Wollhändler und bei seinen vielen Auslandsreisen gewann. Erfolge bei der Haltung von Schafen und der Gewinnung von guter Wolle brachten ihm Anerkennung ein, was dazu führte, dass er seine Erfahrungen in Russland einbrachte und dafür vom ZarenAlexander I. 1825 zum Ritter erhoben wurde. Ähnliche Ehren wurden ihm in Bayern zuteil, wo er 1829 den Adelstitel erhielt. Mit seinem Wissen wollte der nunmehrige Maximilian Freiherr Speck von Sternburg zum Aufschwung der Landwirtschaft in Deutschland beitragen und gründete eine landwirtschaftliche Lehranstalt in Lützschena. [n dem 1842 erschienenen Buch "Landwirtschaftliche Beschreibung des Ritterguts Lützschena bei Leipzig mit seinen Gewerbszweigen" äußert er noch einmal die Gedanken, welche er 1830 in Dresden den Vertretern aller Stände zurief: "Die Revision der Landwirtschaftsgesetze,
die Ablösung der Frohnen, Zehnten und Hutungsgerechtsame, so wie die Theilung der und
Zusammenlegung der Felder in Vorschlag zu bringen * Verbesserungen, die schon damals die Zeitverhältnisse gebieterisch verlangten."
In einem langen Kapitel schreibt er auch über Schafzuchtund die Herstellung von Wolle. Die Größe der Ställe, Futterberechnung, Herdengröße usw. werden von ihm ausführlich dargestellt. Voll Stolz berichtet er, dass mit dem Einsatz der aus England stammenden
Rasse der Romney-Marsh-Schafe (Bild unten) eine deutliche Verbesserung gelang. Am Ende des Kapitels wird auf Seite 128 etwas zu den Schäfern gesagt:

§. 10
Verpflichtungen des Schäfers
Das Schäfereipersonal besteht aus :
1 Schäfer und 2 Knechten
Ersterer hat Caution geleistet, und muss mit derselben für jeden Schaden, welcher durch Vernachlässigung oder Unachtsamkeit entstehen könnte, haften; dagegen ist er wieder durch eine Caution seiner Knechte gesichert, wenn sie durch offenbare Unachtsamkeit der Schäferei einen Schaden zufügen sollten.
Der Schäfer muss für die Beköstigung seiner Leute und deren Hunde sorgen; er erhält dazu
ein Deputat, ein Gemüsegärtchen, cirka 3/4 Acker Land zu Kartoffeln, Kraut und Rüben, 2 Milchkühe, und das nöthige Futter für diese, so wie auch das nöthige Brennmaterial, oder 15 Thlr. Geld.

 

Das Bild links ist entnommen dem 1842 bei Teubner in Leipzig erschienenen Buch von Maximilian Speck "Landwirtschaftliche Beschreibung des Ritterguts Lützschena bei Leipzig mit seinen Gewerbszweigen" und trägt die Unterschrift:
"Ehrentempel im Park zu Lützschena im Jahr 1827
meinen Freunden dem Staatsrath A. Thaer dem Hofrat G. Andrè ...." gewidmet.
Ganz romantisch - die Zeit des Barock mit ihren Schäferspielen ist zwar längst vorüber - aber doch idealisiert sieht man hier den Schäfer mit seinen Tieren wie er sich ausruht, wohl anders als es in der harten Wirklichkeit damals zuging.


Ganz anders die Situation der beiden Schäfer, heutzutage Tierwirt Schäferei genannt, die gegenwärtig zusammen die ca" 1.600 Schafe der GundorferAgrargemeinschaft e.G. auch auf
Lützschena-Stahmelner Flur weiden lassen. Einer von ihnen, Steffen Mtihlmann (48 Jahre), hat in Wettin bei Halle und in Cavertitz bei Oschatz den Beruf des Schäfers erlemt, arbeitet bereits 14 Jahre in Gundorf und wohnt in einer Mietwohnung in Lützschena. Im Sommer, wenn alle Schafe eingekoppelt sind, wechselt er sich mit dem zweiten Schäfer bei der Arbeit ab, hat hier etwas mehr Freizeit. Dann kann er sich um seinen Kleingarten klimmern, Ausfahrten mit dem Suzuki-Motorrad unternehmen oder seinem Hobby nachgehen, nämlich der Reparatur oder dem Wiederaufbau historischer Motorräder oder Fahräder. Aber im Herbst ändert sich das, denn dann wird die große Herde geteilt und jeder der beiden Schäfer zieht mit seinen Tieren durch unsere Region. Auf den abgeernteten Feldem finden die "Pfennigsucher" reichlich Futter, pflegen die Wiesen in der Aue und erhalten so die Lebensräume für Kleintiere und Insekten.

 

Zum Hochwasserschutz leisten die Schafherden einen sehr wichtigen Beitrag, indem sie mit ihren kleinen Hufen die Oberfläche der Dämme festfreten und so deren Standsicherheit
verbessern. Das Foto zeigt Herrn Mtihlmann mit der Herde an dem nördlichen Damm der Luppe neben dem Auensee. Auch weill die Schafhaltung heutzutage wenig wirtschaftlich ist, so
wird die Weidewirtschaft wegen ihres ökologischen Nutzens gefördert. Aber zu allen Zeiten haben die Schäfer zu tun, müssen die Klauen der Schafe pflegen, Krankheiten kurieren oder den Muttertieren beim "Lammer" zur Seite stehen. Dazu muss man, so wie Steffen Mtihlmann ein Mensch sein, der mit der Natur und seinen Tieren eng verbunden ist, dem Wind und Wetter nichts anhaben und der seine Abeit gern verrichtet. Nicht zuletzt wird er durch heutige Arbeitsgesetze eine andere rechtliche und soziale Stellung haben als seine Berufskollegen im 19. Jahrhundert.

Text und Foto Horst Pawlitzky