An dieser Stelle setzen wir die Abschrift der Chronik mit dem Eintrag für den Monat September 1842 - vor 175 Jahren – fort:

Am 3. September a.c. [anni currentis, des laufenden Jahres, d.Ü.] begleitete ich, auf ihre Bitten, die Schmidtschen Eheleute von hier, rechtschaffene Häuslers- und Tagelöhnersleute, nach Leipzig in das St. Jacob-Hospital, wo auch die Frau Schmidt alsbald auf meine Fürsprache vom Herrn Prof. Dr. Gustav Biedermann Günther eine königliche Freistelle erhielt, und wo ihr 2 Tage nachher die eine krebsartig kranke Brust abgelöst wurde, bei welcher, glücklich vollbrachten Operation sich die Patientin sehr standhaft verhalten hat. Gestern besuchte ich sie dort und fand sie recht leidlich.
Am 14. September legte eine furchtbare Feuersbrunst den dritten, ansehnlichsten Theil der Stadt Oschatz, sammt seiner Kirche, Rathause, Archidiaconate [= Woh-nung des Archidiakonus, des 2. Pfarrers, d.Ü.] und andern öffentliche und schönen Gebäuden, in Asche. (Meiner Grimmaischen Schwester Schwiegermutter und Schwägerinnen sind auch mit abgebrannt!). Eine boshafte Hand soll in die große Schlauchspritze einen Spund gebracht, und dadurch die Löschung des mit Schiefer gedeckten Kirchdachs verhindert, und eben dadurch die Ausbreitung der entzündeten und vom Winde ergriffenen Schieferstücke über die ganze Stadt verursacht haben. In einer durch Herrn Baron von Sternburg und das Patrimonial Gericht alsbald veranstalteten Collecte kamen hier 17 Thaler für Oschatz und Sayda zusammen.
Gestern, den 16. September, wohnte ich in Leipzig früh 8 Uhr erst in der Thomaskir-che dem feierlichen Gottesdienst, und um 11 – 4 Uhr dem großartigen Vereine (in der Universitäts-Aula) von Männern aller Stände und Gauen Deutschlands (selbst aus der Schweiz) bei, welche über die Constituierung von Gustav Adolphs-Vereinen zur Unterstützung bedrängter evangelischer Gemeinden sich beriethen. Im Interesse dieses wohlthätigen, echt christlich evangelischen Werks will auch hinfort thun, was ich in meinem kleinen Kreise kann, damit das Reich Gottes immer mehr komme mit seinem Lichte und mit seinem Troste! Treffliche, begeisternde Worte wurden von Grossmann, Zimmermann, Käufer und Anderen bei dieser seltenen Feier gesprochen.
Am 14. September wohnte ich zum 1. Male der großen Landwirtschaftlichen Ausstellung (Vieh- und Gerätschaften) bei Eutritzsch auf freiem Feld bei, die immer mehr zu einem Volksfeste wird, und seit ein Paar Jahren nun besteht.
Zur Saatbestellung hat der liebe Gott günstige Witterung, immer mitunter etwas Re-gen und feuchte Luft, gegeben.
Auch das Städtchen Hartha bei Leißnig ist kürzlich 2mal bald nach einander mit bedeutenden Feuersbrünsten schwer heimgesucht worden. Wann wird diese Noth enden?!
Am 19. und 20. September wurde die Sächsisch-Bayersche Eisenbahn bis Altenburg festlich eingeweiht und für das Publikum eröffnet; dieser Theil der Bahn ward binnen weniger mehr als Einem Jahre vollendet.
Seit dem Spätabend des durch unser Leipziger LandpredigeVereins-Stiftungs und Festconvent verherrlichten 20. September trat ein durchdringender Landregen ein, welcher noch den ganzen 21. ejusdem [ = desselben, d.Ü.] über währete zur großen Lust der Fluren, Wiesen und Flüsse, und nur zu Ungunst unsers letzten Schullehrervereins, der in die Hänicher Schule fiel.
Vorige Nacht 24./25. September, hat mir eine frevelhafte Hand einige der schönsten Weintrauben (sie sind dieß Jahr köstlich gerathen, wie die Zapfenbirnen in Fülle) von den Stöcken vor der Gartenstube, in welcher doch des Kindleins wegen, ein Nachtlicht brannte [gestohlen]])!
Der 29. September ward für eine Schülerin unserer Hänicher Schule sehr verhängnißvoll. Die 13jährige Tochter des Maurergesellens Gäbler in Hänichen, Wilhelmine, ging nach Tische in die über der Quasnitzer Brücke in Lützschener Aue gelegenen Wiesen, um an den sie umgebenden Eichen abgefallene Früchte für das Rüsselvieh daheim aufzulesen. Da naht sich ihr ein Fremdling, fragt nach dem Wege nach Gundorf und Rückmarsdorf, hebt sie gewaltsam auf seinen Rücken, trägt sie tiefer in’s Gebüsch, wirft sie dort nieder, und unter abscheulichen Bedrohungen und Nöthigungen zum Stillschweigen, mißbraucht er das unglückliche Mädchen, von dem die Mutter nicht allzufern, ihres Kindes große Noth nicht ahnet, zu seinen schändlichen, wollüstigen Zwecken. Kaum im Stande sich aufrecht zu halten, kommt sie nach Hause, und die alsbald eingezogenen, auch gerichtlichen Erkundigungen und Confrontationen machen es mehr als wahrscheinlich, daß ein, seit ein Paar Jahren hier zu Lützschena wohnhafter, verheiratheter Handarbeiter Jonas –, der selbst Vater ist, aber wegen Holz- und anderer Diebstähle bereits in gerichtlichen Untersuchung war, und ein herumschweifendes, müssiges Leben führte, und in Gemeinschaft mit seiner, hochschwangeren Frau, auf unerlaubte Weise, diebisch sich nährte – der nichtswürdige Thäter sei, der schon ähnliche Attentate anderwärts vordem auf die Tugend von Frauen und Mädchen versucht. Trotz alles Leugnens ist er daher als Arrestant ins Creisamt nach Leipzig abgeliefert worden und dürfte seiner verdienten Strafe nicht entgehen. Das geschändete Mädchen leidet noch immer sehr an Entzündungsschmerz und schwerverletztem weiblichen Gefühl. Ich habe sie heute nach dem Schulexamen möglichst zu trösten gesucht, auch sowohl heute in der Schule an die Kinder angemessene Worte gerichtet, als gestern in der Schul- und Michaelispredigt Bezug auf das beklagenwerthe Ereignis genommen.