Aus der Rübe wird Zucker
Bevor es Zucker gab, war der Honig das wichtigste Süßungsmittel undwar früher teurer als ein Schaf. Die Bienennutzung war anfangs primitiv. Die Waben wurden geplündert, der Honig geraubt. Die Bienen wurden durch, Rauch abgelenkt und dabei häufig vernichtet. Allmähliche Erkenntnisse der biologischen Grundlagen führten zur einfachen Bienenhaltung und schließlich zur modernen Bienenzucht mit sorgfältiger Honigernte, Pflege und genetischer Auslese der Bienenvölker.
Zurückkehrende Kreuzfahrer hatten den seit Jahrhunderten in Asien gewonnenen Rohrzucker als Luxusgut nach Europa gebracht, wo bis dahin nur mit Honig gesüßt worden war. Im 16. Jahrhundert begannen die Portugiesen in Brasilien mit dem Anbau von Zuckerrohr in riesigen Plantagen. Zucker bildete die wirtschaftliche Grundlage der Kolonien in Südamerika und in der Karibik. Der deutsche Chemiker Andreas Sigismund Marggraf 1709 – 1782) wies im Jahre1747 nach, dass auch der Saft der Runkelrübe Zucker enthält und chemisch zwischen Rohr- und Rübenzucker kein Unterschied besteht. Auf der Grundlage von Marggrafs Entdeckung züchtete dessen Schüler Franz Karl Achard (1753 – 1821) Rüben mit höherem Zuckergehalt, Dadurch konnte der Gehalt an Zucker von anfänglich 8 % auf 16 % (um 1800) gesteigert werden. Heute haben die Zuckerrüben einen Zuckergehalt von 18 bis 20 %, liefern Erträge von 40 bis 70 t Rüben pro Hektar Anbaufläche, aus dieser Menge lassen sich rund 10 t Zucker produzieren. Er entwickelte ein Verfahren zur Zuckergewinnung aus Rüben und errichtete 1802 in Preußen die erste funktionsfähige Rübenzuckerfabrik der Welt.
Fortan stieg der Anbau von Zuckerrüben gewaltig, besonders auch in Mitteldeutschland, wo es dafür geeignete Böden gibt. In der Folge schossen die Zuckerfabriken wie Pilze aus der Erde. Eine der von hier nahe gelegenen war die 1861/62 am ehemaligen Thüringer Bahnhof in Halle (Saale) erbaute "Neue Actien-Zuckerraffinerie" (auch Zuckerfabrik). An sie erinnert noch der Straßenname Rafinneriestraße, denn Anfang 2006 wurde sie abgerissen und auf dem Gelände ließ sich eine Filiale des amerikanischen Computerherstellers DELL nieder.
Für eine weitere Zuckerfabrik in unserer Nähe wurde 1889 eine Aktiengesellschaft gegründet, die im Südwesten von Delitzsch ein Werk errichten ließ. Am Gründungstag erwarben 114 Gutsbesitzer und Bauern Aktien, was deutlich machte, dass die Landwirte an der weiteren Verarbeitung ihrer Erzeugnisse zu einem hochwertigen Lebensmittel interessiert waren. In den folgenden Jahren wurde das Werk ständig erweitert und 1922 auf elektrischen Antrieb umgestellt. Die schlimmste Zeit kam für den Betrieb nach 1945, als es demontiert wurde und seine Einrichtungen als Reparationsleistungen in die Sowjetunion gebracht wurden. Erst 1955 konnte man das wieder aufgebaute Werk eröffnen. Produzierte man in den Anfangsjahren vor allem Rohzucker (1889 wurden 24.000 t Rüben verarbeitet, 265 t pro Tag), so waren es 1998 über 7.000 t pro Tag. Aus 555.000 t Zuckerrüben wurden 48.200 t Weißzucker gewonnen.
Die Rübenernte beginnt im September (Rübenkampagne). Jeder angelieferten Fuhre werden Proben entnommen, die auf Zuckergehalt und weitere wichtige Inhaltsstoffe untersucht werden. Diese Proben und ein geschätzter Schmutzanteil sind Grundlage für die Abrechnung mit dem liefernden Landwirt. Nach einer gründlichen Wäsche wandern die Zuckerrüben in die Fabrik. Dort werden sie zu Schnitzeln zerkleinert und im Brühtrog vorgewärmt. In 70 °C heißem Wasser löst sich der Zucker aus den Rübenzellen - es entsteht der Rohsaft. Dieser wird unter Zusetzung von Kalk und Kohlensäure gereinigt. Nichtzuckerstoffe werden so gebunden und es bleibt ein klarer Dünnsaft mit ca. 16 % Zuckergehalt zurück. Dann wird der Dünnsaft in mehreren Stufen eingedickt, bis ein goldbrauner Dicksaft mit ca. 67 % Zuckergehalt zurückbleibt. Man kocht dann den Dicksaft so lange bis sich goldgelbe Kristalle bilden, die mit Sirup überzogen sind. Dieser wird durch Zentrifugieren und Spülen mit Wasser und Dampf von den Kristallen entfernt. Durch mehrfache Wiederholung dieser Vorgänge entsteht die Raffinade: weißer Kristallzucker. Die gepressten Rübenschnitzel werden als Viehfutter verwendet und der bei der Saftgewinnung entstehende Carbokalk ist ein ausgezeichneter Dünger.
Nach 1989 wurde das Werk Delitzsch an die Südzucker AG verkauft. Da die EU aber für Zucker Produktionsquoten festgelegt hatte musste Südzucker einige seiner Werke schließen, um die Überkapazitäten abzubauen, darunter im Jahr 2003 auch das Werk Delitzsch. Auf dem Gelände der Zuckerfabrik entstand danach ein Biomassekraftwerk, das 2007 von der Danpower übernommen wurde. Aus Holzhackschnitzeln werden hier jährlich 140.000 MWh Strom erzeugt, was eine CO2-Minderung von 92.000 t bewirkt.
Text: Horst Pawlitzky