In dieser Ausgabe beginnen wir mit einer Beitragsreihe in fünf Folgen über Lützschena und die Eisenbahn, Folge 1


Die industrielle Revolution hatte an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert weit zu Schwung ausgeholt und in England schon begonnen. Hier basierte die Technik des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts auf der Verwendung mechanischer Prozesse. Technische Erfindungen wie die Dampfmaschine oder der Dampflokomotive trieben sie voran. Mit Dampflokomotiven als Zugmaschine versehene Eisenbahnen machten eine enorme Effizienzsteigerung im Transportwesen möglich. Am Fortschritt interessierte Menschen räumten der Eisenbahn eine bedeutende Rolle ein. So äußerte Goethe in einem Gespräch mit Eckermann am 23.10.1828: "Mir ist nicht bange, dass Deutschland nicht eins werde; unsere guten Chausseen und Eisenbahnen werden schon das ihrige tun."
Er erhielt 1829 von englischen Freunden ein Modell der Rocket „für seine Enkel" Dieses Modell ist heute in der Dauerausstellung des Goethe-Nationalmuseums ausgestellt. Er selbst kam nie in den Genuss einer Eisenbahnfahrt, denn er ist 1832 gestorben, bevor sich 1835 die erste Bahn von Nürnberg nach Fürth in Bewegung setzte.
Die Initiative für eine Eisenbahnverbindung zwischen Halle und Leipzig ging von der Stadt Halle aus. Der hallesche Kaufmann und Stadtrat Matthäus Ludwig Wucherer sprach sich bereits im Jahr 1829 in einer Denkschrift für eine über Halle führende Eisenbahnverbindung zwischen Leipzig und Magdeburg aus. Vom Leipziger Kaufmann und Stadthauptmann J. L. Hartz wurde die Idee begrüßt und auf einem ersten Treffen im Oktober 1829 in Leipzig weiter konkretisiert. Der Leipziger Unternehmer und Bankier Gustav Harkort leitete die Vorbereitungen für das Projekt. Der Baubeginn erfolgte am 24. Januar 1838 und wurde in mehreren Abschnitten ausgeführt, wobei der 33,2 Km lange zwischen Halle und Leipzig der letzte war. Dazu hat der Lützschenaer Pfarrer Reichelt im Frühjahr 1840 in seinem Tagebuch notiert: "An der Magdeburger Eisenbahn arbeitet man auch hier fortwährend stark und es würden sich noch mehrere Arbeiter finden, zahlte man ein größeres Tagelohn (4,5 p.gr.)". Am 29Juli 1840 trug er ein: In diesen Tagen werden die ersten Probefahrten auf der nahen Eisenbahn von Magdeburg nach Leipzig angestellt. (am 30 n. Juli Vormittag. 11 Uhr fuhr der erste Dampfwagen durch unsre Gefilde. Und am 18. August des gleichen Jahres schrieb er in das Tagebuch: "Heute ward die Magdeburg-, Halle-, Leipziger Eisenbahn in 3feierlichen Zügen, von Kanonendonner begrüßt und von Flaggen beweht usw. eröffnet; auch ich sah die Rückfahrenden bei Leipzig, wo wir Landprediger unseren 1. Convent im Hotel de Prusse gehabt hatten." Vorerst fuhren die Züge an Lützschena vorbei, denn erst am 1. April 1841 schrieb Pfarrer Reichelt: "Heute hält der Magdeburg-Leipziger Eisenbahnzug zum ersten Male hier bei Lützschena an, um 2 und 6 Uhr; doch kann man nur in den Nachbarstädten Billets erhalten." Einen Haltepunkt in Stahmeln gab es nicht, denn die Eisenbahnstrecke lag zu weit im Norden. Sie führte von Lützschena weiter über Wahren und Gohlis zum Magdeburg Bahnhof in Leipzig, der 1907 abgerissen wurde. Er lag im Westteil des Hauptbahnhofs, dort wo auch die auf gleicher Strecke verkehrende S-Bahn-Linie 5 3 heute endet.
Da zwischen den Schkeuditzer Gemarkungen Modelwitz und Hänichen die Staatsgrenze zwischen den Königreichen Preußen und Sachsen verlief, wurde für den auf sächsischem Territorium gelegenen Abschnitt der Strecke mit der Leipzig-Dresdner Eisenbahngesellschaft ein Anschlussvertrag geschlossen. Erst am 29. April 1874 kaufte die Magdeburg-Leipziger Eisenbahngesellschaft mit Wirkung vom 1. Januar 1875 die in Sachsen gelegene Trasse. Die Magdeburg-Leipziger Eisenbahngesellschaft wurde mit Gesetz vom 20. Dezember 1879 vom Königreich Preußen verstaatlicht und der königlich preußischen Eisenbahndirektion Magdeburg unterstellt.

Text: Horst Pawlitzky
Foto: Stiftung Deutsches Technikmuseum, Sammlung Feldhaus.