Die Villa Sternburg
Nach dem Tod von Maximilian Freiherr Speck von Sternburg 1856 war der Besitzer von Gut und Brauerei Alexander von Sternburg. Er ließ 1864 nach den Plänen von Oskar Mothes (1828-1903) das Schloss Lützschena im neogotischen Stil errichten. Seit 1883 lebte der Sohn von Alexander mit Familie wieder in Lützschena. Auf dem Grundstück der Brauerei ließ James Alexander von Sternburg nach den Plänen von Julius Zeißig in den Jahren 1884-1888 die Villa im neogotischen Stil, ähnlich wie das Schloss, errichten. Julius Zeißig (1855-1930) war auch Architekt des Leipziger Diakonissenhauses und der Lukaskirche.
Die Villa Sternburg gehörte nicht zum Majorat und wurde von James Alexander
von Sternburg und seiner Familie bewohnt. 1916 starb der Bauherr. Seine
Witwe, Helene Speck von Sternburg, geborene Kürsten (1865-1943), lebte dort
bis zu ihrem Tod im Januar 1943. Die Tochter Charlotte Fritzsche, geborene
von Sternburg, wohnte seit ihrer Heirat nicht mehr in der Villa, aber sie
musste ihre neue Heimstatt in Schlesien verlassen und floh im Januar 1945
mit ihren Kindern, mit Pferd und Wagen, hilfesuchend in ihren Geburtsort
Lützschena. Nach Kriegsende 1945 erfolgte die Enteignung des gesamten Sternburgschen
Besitzes.
So wurde auch die Villa in staatliches Eigentum überführt. Nach 1945 durfte
die Tochter Charlotte Fritzsche, geborene Speck von Sternburg, (1891-1980)
noch bis 1955 in zwei kleinen Dachkammern in der Villa wohnen bleiben. Sie
entschloss sich, 1955 in den Westen Deutschlands zu ihren dort schon ansässigen
Kindern zu ziehen. Eine zweite Tochter, Vera von Funcke, geborene von Sternburg,
und ihr Ehemann Kurt von Funcke, damals zweiter Direktor der Brauerei, erlebten
das Kriegsende 1945 und die anschließende Enteignung des Besitzes.
Im Tauschverfahren gegen die Villa Sternburg, die auf dem Brauereigelände
stand, durften sie auch nach 1945 in der “Villa Anna“, dem damaligen sogenannten
Witwensitz des Majorats, wohnen bleiben. Kurt von Funcke starb hier am 7.Juni
1964 und wurde auf dem Lützschenaer Friedhof beigesetzt. Vera von Funcke
zog zu ihrem Sohn Wolfgang in die Bundesrepublik Deutschland.
Ab 1945 diente die Villa Sternburg als Verwaltungsgebäude der Brauerei. Nach der Auflösung der Brauerei 1991 hatte sie ihre Funktion verloren. Im selben Jahr erwarb das Gebäude ein neuer Besitzer. Wechselnde Mieter bewohnten in den folgenden Jahren die Villa. Mehrere Familien teilten sich das Gebäude. Die Räume wurden verändert und die ursprüngliche Gestaltung der Räume war nicht mehr vorhanden. Endgültig war das schließlich nicht. Nach und nach zogen alle aus. Seit dem Jahr 2000 hatte ein Künstlerpaar die Villa bewohnt. Mit Auszug dieser Künstler 2008 stand das Gebäude leer. Die Villa Sternburg an der Halleschen Straße 110 Richtung Leipzig, links stadteinwärts, blieb erheblich sanierungsbedürftig ungenutzt stehen. Die Bäume und Sträucher wuchsen immer höher und verdeckten bald das Gebäude.
Im Jahr 2012 erwarb ein Leipziger Privatinvestor, Diplom-Betriebswirt Jens
Wunsch, die Villa. Dieser hatte sich das Ziel gesetzt, das Gebäude in historischem
Gewand wieder instand setzen zu lassen; abgesprochen mit dem Denkmalschutz.
Zunächst mussten Bäume und Sträucher um das Haus herum entfernt werden.
Die historischen Zinnen auf dem Dach waren in vorheriger Zeit abgetragen
worden und mussten jetzt in mühevoller handwerklicher Arbeit wieder errichtet
werden.
Vom Dach der Villa hat man einen herrlichen Ausblick über die Umgebung.
Bei gutem Wetter sieht man das Universitätshochhaus, den Turm des Neuen
Rathauses von Leipzig und sogar das Völkerschlachtdenkmal. Leider betrachtet
man aber auch das zunehmend verfallende Gebäude der Brauerei. Die Villa
wurde nach den modernen Vorgaben der Wärmedämmung isoliert. Der neue Außenputz
lässt das Gebäude strahlend hell erscheinen. Ein Erker, den Mieter vorher
verglast hatten, wurde wieder in den originalen Zustand versetzt. Jetzt
ist der rote Sandstein um Erker und Fenster zu sehen.
Die Villa beherbergt in drei Etagen großzügige Wohnungen. Aber bevor der Innenausbau zu modernen Wohnbedingungen umgestaltet werden konnte, mussten 350 Tonnen Schutt entfernt werden. Das Treppenhaus imponiert durch ein herrliches gedrechseltes Holzgeländer aus alter Zeit und musste aufwändig restauriert werden. Das ursprünglich noch vorhandene Parkett in den Wohnungen musste zunächst entfernt werden. Das Parkett wurde 1887 eingebaut. Das Alter des Holzes konnte aus dem Jahr 1800 ausgemacht werden. Das Holz, welches zu Parkett verarbeitet wurde, hatte also drei Generationen getrocknet. Diese Einmaligkeit wurde vom neuen Besitzer beachtet und in seinem Wert erkannt. Nach der fachgerechten Aufarbeitung wurde das Parkett original wieder im Haus verlegt. Die Heizung im Haus ist modern. Nicht sichtbare Flachheizkörper werden elektrisch betrieben, eine spezielle Infrarot-Strahlung ist die Wärmequelle.
Insgesamt beträgt die Wohnfläche der Villa 750 m2, die auf die einzelnen
drei Wohnungen aufgeteilt sind. Jede Wohnung hat ihren besonderen Reiz,
dazu gehören jeweils zwei Austritte (Balkon und Loggia). Abgesehen von der
überwältigenden Größe hat die untere Wohnung im Hochparterre eine Terrasse
nach hinten zum Garten. Das Schlafzimmer dieser Wohnung ist riesengroß und
beherbergt natürlich neben den Betten auch ein Badezimmer. Das Badezimmer
ist in der Mitte des Raumes platziert, von Wänden umrahmt und so begehbar,
dass man das Schlafzimmer nicht verlassen muss. Außerdem kann man von der
Hochparterrewohnung aus die Einliegerwohnung eine Etage tiefer begehen,
die zusätzlich einen separaten Eingang von außen hat. Die Wohnung in der
ersten Etage hat ebenfalls das schöne Parkett und wie jede andere der drei
Wohnungen verzierte Massivholzdecken aus der originalen Bauzeit. Die dritte
Wohnung ist ebenfalls modern ausgestattet, hat auch originale Holzdecken
und Parkett. Von der Wohnung aus steigt man auf das Dach, welches mit den
schon erwähnten Zinnen ausgestattet ist.
Abgesehen vom schönen Ausblick befindet sich inmitten der Dachterrasse ein
Wintergarten. Diesen sieht man von der Straße her. Im hinteren Garten gibt
es einen Parkplatz für Autos. Mit dieser Wohnqualität kann sich jeder Bewohner
der Villa in Lützschena wohl fühlen. Zu hoffen bleibt, dass das dahinterstehende
und sehr verkommene alte Gelände und die Gebäude der ehemaligen Sternburg-Brauerei
bald wieder einer nützlichen Funktion zugeführt werden.
Dr. med. Anni Neumann
Quellenangabe:
Daehne, Paul (1940). Lützschena im Wandel der Welt. Leipzig: Graphische
Kunstanstalten J.J. Weber.
Universallexikon, Band 1-5 (1985). Leipzig: VEB Bibliographisches Institut.
Pro Leipzig e. V. (1999). Lützschena. Eine historische und städtebauliche
Studie. Leipzig: Klingenberg Buchkunst Leipzig GmbH.
Förderverein Aktionsgemeinschaft „725 Jahre Lützschena“ e. V. (2003). Festschrift
725 Jahre Lützschena. Halle (S): IMPRESS Offsetdruckerei.
Das neue Universallexikon (2008). Gütersloh/München: Bertelsmann.
Graf, Gerhard (2012). „ … des Krieges Elend“. Leipzig: Werbeagentur Kolb.