An dieser Stelle setzen wir die Abschrift der Chronik mit dem Eintrag vom August 1841 - vor 175 Jahren - fort:
7. August:
Die Todesfälle unter den Kindern hiesigen Orts dauern fort; ohne daß gerade
von einer Epidemie die Rede seyn könnte; auch heute begrabe ich eines und
ein anderes liegt auf dem Brete, beide einige Monate alt. Dagegen wohnte
ich gestern in Eutritzsch dem feierlichen Begräbnisse des uns allen zu früh
entrissenen dasigen verdienstvollen Pfarrers M. Müller bei, der an Unterleibsleiden
ganz unerwartet am Mittwoch verschied, nachdem er Sonntag zuvor noch sein
ganzes Amt versehen. Wohl konnte unser würdiger Herr Ephorus Dr. Grossmann
des Verewigten Tagewerk an seinem Grabe dem geräuschlosen und doch so wohlthätigen
Wirken der Sonne vergleichen. Zur Vacanz bin ich diesmal nicht, wie vor
7 Jahren, mit ausgeschrieben. (Nach dem Segensspruch entführte ein heftiger
Windstoß einem mitanwesenden Amtsbruder M. Wolf aus Podelwitz sein Barett
und warf es ins Grab – daß dies kein malum omen [= lat. schlechtes Vorzeichen]
werde, wie er selbst sagte!)
(August)
Ich habe jetzt einige Wochen lang des, nach Teplitz mit Bad, zur Heilung
seiner Gichtleiden, gereisten nachbarlichen Amtsbruders Herrndorf in Wahren
zu besorgen, und bereits daselbst mehrmals zu amtieren, zu taufen, zu trauen
und zu beerdigen gehabt. Daselbst wohnt seit mehreren Wochen zur Pflege
seiner wankenden Gesundheit Herr Domherr und Prof. Dr. Winzer, welcher auch
unsere Bekanntschaft nicht verschmäht hat.
Die Kornernte ist endlich am Schlusse, aber unter welchen Sorgen und Mühen
dahingediehen! Denn fast nicht ein einziger Tag ging ohne Regen vorüber,
also daß zum Theil die Garben noch ein wenig vor der sonst abgewarteten
Zeit eingebracht worden seyn mögen, auch manche Aehre ausgewachsen ist.
Dennoch konnte alles noch viel schlimmer ausfallen; und das Sommergetreide
steht trefflich, so wie wir diesmal mit unsern Kartoffeln aus dem Garten
sehr zufrieden sind.
Zum Quasnitzer Dürr-Staritzischem Gute haben sich die früheren freundlichen
Verhältnisse geändert, also daß meine Schwägerin, die Wittwe Noitzsch, ihren
dasigen Posten als Wirtschafterin nunmehr aufgiebt, und nach Lützschena
in eines der neuen herrschaftlichen Häuser mit Antonina zieht.
8. August
Im Hänicher Schulhause war heute große Freude: der Erstgeborene des Herr
Parochial KirchSchulleiters Candidatus Oertel ward von mir, ipso teste,
[=lat. der ich selbst Zeuge war] auf den Namen Ernst Theodor Ambrosius getauft;
auch Dr. und Prof. Theile aus Leipzig, mein Cousin, Frau Mag. Agnes Kunad
aus Taucha, die junge Frau Muhme [= Schwester des Vaters oder der Mutter]
und Oertels liebster Freund, Prof. Hülße aus Chemnitz, waren Zeugen. Desto
verhängnisvoller war, nicht für meine Kirchfarth, wohl aber für viele Gemeinden
in der näheren und entfernteren Umgebung von Leipzigs, und für diese angesehne
Stadt selbst, der
9. August
Denn, während ich eben Nachmittags von 3 Uhr an einen Sühne-Termin abhielt
und bald der heftigste Regenguß bei unaufhörlichem Donnern und Blitzen herniederströmte,
fiel von Möckern an, sich links und rechts ausbreitend verheerender Hagel
von ungewöhnlicher Größe und richtete an Menschen, Vieh, Dächern, Heusern,
Feldern, Gärten usw. den empfindlichsten Schaden an. Tags darauf konnte
ich mich von diesen Verheerungen, die auch Taucha hart betroffen hatten,
in Leipzig überzeugen, wohin uns unser hochwürdiger Herr Ephorus (vor seiner
Abreise in’s Bad) berufen hatte, um sich mit uns über die ausführlichen
kirchlichen statistischen Tabellen zu besprechen, deren Fertigung uns das
Ministerium des Cultus jüngst leider aufgegeben hat – opus quasi herculeum!
[=lat. ein gleichsam herkuleisches Werk]
15. August
Endlich ein paar schöne, obgleich immerhin etwas kühle Sommertage.
Als Familienereigniß werde hier angemerkt, daß nunmehr meine Schwägerin,
die Wittwe Leutnant Neitzsch, bisher seit dem 1. Januar 1834 Wirthschafterin
im Dürrschen Gute zu Quasnitz, aus diesem Verhältnisse in Staritz’schen
Diensten tritt und anher nach Lützschena in eines der neuen herrschaftlichen
Gebäude an der Chaußée zieht, daher auch einen Heimaths- und Verhaltschein
für sich und Antonie sich vom Leipziger Creisamte erbitten muß. Bertha,
ihre 2 Tochter, geht auf den 1. September nach Delitzsch ab, um daselbst
der Familie Schmidt im Hause- und Handelsgeschäften dienstbar zu seyn. Rosalie,
die älteste, ist wie Louise und Anna in meinem eigenen Hause und Rudolph
noch im Pfarrhause Kayna bei Zeitz in Pension.
18. Aug. 1841.
Großes Heil ist meinem Hause widerfahren! Heute Mittag genas mein treues,
gutes Weib von einer gesunden, starken Tochter – Gott, der uns in ihr unser
liebes Reschen zurückgegeben hat, fügte es in Gnaden, daß unser Hausfreund,
Herr Dr. Elze aus Schkeuditz, eben zu rechter Zeit, von Dresden zurückkehrend
und hier im Vorübergehen einkehrend, bei uns eintrat, um die Geburt zu erleichtern
und zu beschleunigen: dafür ihm Preis und Dank!
21. August
Es mußte sich seltsam fügen, daß unsres Tagelöhners, Bendix aus Hänichen
Tochter (die ich vor 7 Jahren confirmierte!) als Amme bei mir eintreten
konnte (da eine andere nicht füglich mehr berücksichtigt werden durfte);
ich habe ihr vorgestellt, daß sie diesen Eintritt in mein Haus als ein ihr
von Gott gezeigtes Mittel ansehen solle, ihren Fehler wieder gut zu machen.
Seit mehreren Tagen haben wir dauernd schöne Witterung mit Ostwind, so daß
die Ernte der Sommerfrucht sehr begünstigt wird. Vorgestern ist durch Ungeschicklichkeit
eines von einem Eisenbahnwäerter hingestellten Tagelöhners, der ein falsches
Signal gab, das große Unglück geschehen, daß der von Cöthen nach Magdeburg
gehende Frachtzug mit einer entgegengeschickten Hülfs-Locomotive zusammengerannt
ist, wobei „die Jungfrau“ (Name der Frachtzugführenden Locomotive) sowie
mehr als ein Mensch das Leben verlor!