Lützschena und Villa Sternburg

Die Bezeichnung Lützschena kommt aus dem slawischen Wort “lucina“, das bedeutet: Sumpf oder sumpfig. Eine andere Version geht auf den slawischen Begriff “Luzsene“ zurück. Der Begriff “lute“ bedeutet im Wendischen (Wenden sind Elbslawen) soviel wie Lage und “schene“ bedeutet soviel wie schön, das lässt sich übertragen mit “schöne Lage“. Eine schöne Lage war es sicher. Denn das wasserreiche Land war die Elster-Pleiße-Aue. Die Weiße Elster nimmt Pleiße und Parthe auf, dann auch die Luppe, später mündet die Elster in die Saale. Überall an den Flüssen liegen schöne Dörfer, also eine schöne Aue. Außer den genannten vier Flüssen gibt es noch viele kleinere Fließgewässer. Diese sind die Mühlpleiße und die Alte Elster, welche allerdings verschüttet wurde. Dann kennt man noch die Rödel, die Batschke, die Paußnitz, die Nahle, die Rietzschke, die Zschampert und das Hundewasser.

Elster-Pleiße-Aue

Die Elster-Pleiße-Aue fällt bei Leipzig nur ganz sacht nach Norden ab und ist fast eben. Deshalb haben die Flüsse ein geringes Gefälle und konnten in der sehr breiten Talaue in den Hochwasserzeiten die ganze Aue überschwemmen. Die Talaue ist der Teil des Talbodens, der bei Hochwasser überflutet und von Lehm oder groben Materials des ausufernden Flusses bedeckt wird. Daher ist der Grundwasserstand hoch. Die Flüsse hatten Bedeutung für die Siedlungsentwicklung. Leipzig liegt nicht an einem großen Fluss, aber die Menge des dargebotenen Wassers durch die vielen Flüsse war ausreichend für die Entwicklung einer späteren Großstadt. Zudem schützt die Aue die Umgebung von Leipzig. So hat sich der Begriff Burgaue herausgebildet. Der Name Burg ist germanischen Ursprungs. Burg kommt von “bergen, bewahren“. Im Mittelalter waren die Burgen eine Verteidigungsanlage. Während des Landesausbaues in Deutschland im 11. bis 13. Jahrhundert erhielt Lützschena eine Wasserburg auf dem heutigen Schlossgelände. Um Leipzig kannte man bald die moosumgrünte “Wasserburg Lützschena“

Der Auenwald

Der Auewald setzt sich aus einer reichen Baum-, Strauch-, Kraut-und Pilzflora zusammen und war früher Standort einer reichhaltigen Tierwelt. Für die Gründung und die erste Entwicklung von Lützschena und der Stadt Leipzig hat er große Bedeutung, denn er lieferte der jungen Siedlung alle notwendigen Nahrungsmittel und Materialien. Der Wald wurde lange Zeit als Mittelwald gehalten. Dadurch hatte er im Oberholz starke große Bäume, die das wertvolle Bauholz lieferten. Im Unterholz, das etwa alle 15 Jahre geschlagen werden konnte, besaß er das lebensnotwendige Brennholz. Die früher sehr zahlreichen Haselsträucher lieferten Fett und Vitamine. Viele Kräuter und Früchte waren als Nahrungsmittel begehrt und als Arzneien geschätzt. Die Weiden gaben das Material zum Flechten der Körbe. Der Ernährung dienten Wild und Federvieh, die Bienen erzeugten den Honig. Die Flüsse führten zahlreiche Fische. Das unerschöpfliche Reservoir der Aue gab nahezu alles, was zum Leben nötig war. Es entwickelten sich dann Aue-gebundene Berufe: Fischer, Gerber, Färber, Wäscher und nachfolgende Handwerkerberufe: Kürschner, Tischler, Pelzwarenzurichter, Händler für Pelzhandel. Im Jahr 1554 hatte Leipzig 58 Gerber und 37 Kürschner. Die Grenze einer Großstadt und somit auch Leipzig ist schwer fixierbar, da sie in ständiger Veränderung begriffen ist. Die geografische Abgrenzung einer Stadt stimmt nicht immer mit der verwaltungsmäßigen Abgrenzung überein. Jede Landschaft, Natur- wie Kulturlandschaft, wird von den Landschaftselementen gebildet. Die Entwicklung Lützschenas ist eng mit der Entwicklung von Leipzig verbunden.


Geschichte des Gutes Lützschena

Familie von Uechtritz

Das Stammhaus der Adelsfamilie von Uechtritz ist ein Edelhof in dem Kirchdorf Uichteritz aus dem 14.Jahrhundert in der Nähe des Burgschlosses Goseck bei Weißenfels an der Saale. Friedrich der Strenge, Oberstjägermeister des Heiligen Römischen Reiches, erteilte 1353 den Herren Conrad und Otto von Uechtritz stattliche Lehen. Die Uechtritzer hatten Güter in der Oberlausitz, in Schlesien, in Böhmen und seit dem 18.Jahrhundert auch in Brandenburg. In Schlesien, im Gebiet des Flusses Bober, lebte Heinrich von Uechtritz. Sein Sohn Bernhard, dessen Sohn Hieronymus, dessen Sohn Otto, dessen Sohn Wilhelm verloren durch einen Brand in Schwerdta (in Niederschlesien) ihr Rittergut. Wilhelm von Uechtritz war also der erste, der im Jahr 1404 das Rittergut Lützschena mit Genehmigung des Stiftregiments zu Merseburg aus Schidingschem Besitz erwarb. Gerhard von Uechtritz wird 1404 als Herr von Lützschena genannt.

Die Familie von Uechtritz hat eine hoch interessante Geschichte. Mehrere Angehörige der Familie waren zeitweise in politische Geschehnisse eingebunden. Zur Zeit des Schmalkaldischen Bündnisses war die Familie stark an der protestantischen Entwicklung des Landes interessiert. Der Schmalkaldische Bund, ein politisch-militärisches Bündnis der protestantischen Fürsten und der Reichsstädte, wurde 1531 gegründet gegen Kaiser Karl V. und die katholischen Stände. Der Schmalkaldische Krieg 1546/47 bei Mühlberg brachte die Niederlage des Bündnisses und führte damit zu seiner Auflösung. Götz Gottfried von Uechtritz, damals Herr vom Gut Lützschena, hatte 1539 die Reformation in Leipzig erlebt.

Auf seinem Gut war 1547 Karl V. (seit 1530 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation) zu Gast. Sie führten auf Gut Lützschena hochpolitische Gespräche. Das Dorf Lützschena hatte damals kriegsfreudige Soldaten durch die Hohle Gasse ziehen sehen. Götz von Uechtritz war 1552 Protestant, sein Sohn Andreas wurde als erstes männliches Kind in Leipzig evangelisch getauft.

Familie Uechtritz erlebte kriegerische Zeiten hautnah. In dieser Zeit gab es Streit zwischen den Konfessionen. Während des 30-jährigen Krieges (1618-1648) tobte in Breitenfeld, 6 km von Lützschena entfernt, die Schlacht. Gustav II. Adolf, der seit 1611 König von Schweden war, wurde in der ersten Schlacht bei Breitenfeld 1631 verwundet. Er und seine Mitstreiter wurden in Lützschena auf dem Gut der Familie Uechtritz gesund gepflegt. In der Schlacht bei Lützen ist der Schwedenkönig dann 1632 gefallen.

Der Gegner von Gustav Adolf II. war General von Wallenstein, eigentlich Albrecht Wenzel von Waldstein, Herzog von Friedland (1583-1634). Interessanterweise stammt die Großmutter von Waldstein aus der Familie Uechtritz. Erneut unruhig auf dem Gut in Lützschena waren die Jahre nach dem 30-jährigen Krieg unter Wolf Rudolf von Uechtritz, es fehlte Geld. Aus dieser Zeit stammt ein Gemälde auf Holz von 1704. Dargestellt ist Wolf Rudolf (Stifter des Gemäldes) mit vier Knaben und anderen Verwandten. Das Gemälde ist bis heute in der Schlosskirche Lützschena (erste Erwähnung der Kirche ab dem 13.Jahrhundert) zu sehen.

Aufgrund des Geldmangels in den folgenden Jahren wurde das Gut samt Brauhaus verpachtet. Wolf Rudolf starb 1728, danach war es wieder im Besitz von Leberecht von Uechtritz, der 1793 starb. Seine Witwe Wilhelmine Eleonora Uechtritz, geb. von Hendrich und die gemeinsame Tochter Maximiliane Ernestine Sophie waren laut Testament des Verstorbenen die gemeinsamen Erben. Die enttäuschten Verwandten wollten trotzdem Geld, da sie meinten, dass das Gut Lützschena ein “Mann-Lehn“ sei und keiner Frau zufallen dürfe. Die Tochter Maximiliane Ernestine Sophie von Uechtritz hatte inzwischen den Rittmeister Hans Moritz Alexander von Klengel geheiratet. Am 23.07.1804 ließ Frau von Klengel mit Genehmigung des Landesherrn, Kurfürst Friedrich August der Gerechte, das Gut auf ihren Ehemann, von Klengel, überschreiben. Der Rittmeister Hans Moritz Alexander von Klengel rühmte sich mit seinem bekannten Vorfahr Wolf Caspar von Klengel (1630-1691). Dieser hatte seine höchste Schaffensperiode in Dresden, und er gilt als der Begründer des Dresdner Barock.

Der nun neue Besitzer vom Gut Lützschena, Herr Rittmeister von Klengel, war ein Mann von Welt. Er lebte in Saus und Braus, nahm Darlehen auf, bei ihm war das Geld immer knapp. Trotz der fleißigen Ehefrau verfiel das Gut. Schwer war die Zeit ab 1806 für Lützschena und für alle sächsischen Dörfer. Der Einzug Napoleons und die Wirren des Krieges, der in der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 sein Ende fand, waren verheerend. Die Bauern mussten Vieh und Getreide hergeben. Nach der Völkerschlacht gab es eine große Hungersnot, Seuchen und Armut. Das Rittergut Lützschena erlitt großen wirtschaftlichen Schaden. Im Jahr 1816 verstarb der Gutsherr.
Nun konzentrierte sich die Arbeit der Witwe darauf, das Gut zu erhalten. Ernestine von Klengel, geborene von Uechtritz, überzeugte durch wirtschaftliche Tüchtigkeit den Leipziger Rat von der Güte der Lütschenaer Biere und ließ mittels Pferdewagen das Bier bis in den Burgkeller (seit 1459 bekannt) von Leipzig transportieren. Bis jetzt war das Rittergut Lützschena seit 400 Jahren im Besitz der Familie von Uechtritz. Aber am 22.01.1822 wurde auf gerichtlichen Beschluss das bierberühmte Lützschena mit Brauhaus versteigert. Der begüterte Leipziger Kaufmann Maximilian Speck hatte schon das Lützschenaer Brauhaus mit Hopfen beliefert und erwarb 1822 das Gut Lützschena samt Brauhaus.

Familie Speck von Sternburg

Ursprung des Namens der Familie Speck: ein aus Appenzell (Schweiz) stammender Schäfer soll Speck nach Rüppurr, ein Ortsteil von Karlsruhe, gebracht haben. Man nannte diesen Schweizer den Speckbringer, den Specker, also hieß er Speck.
Im Spanischen Erbfolgekrieg soll der Reitknecht Johann Ludwig Speck 1714 das Leben des badischen Markgrafen Karl Wilhelm, Gründer von Karlsruhe, gerettet haben. Johann Ludwig Speck (geb. 16.08.1691, gest. 11.06.1755) war Sohn des Hans Jacob Speck, Vorfahr des späteren Freiherrn Maximilian Speck von Sternburg. Johann Ludwig Speck wurde später Jäger beim freien Edlen von Stetten (oberhalb von Kocherstetten am Kocher).
Dem Waidmann Johann Ludwig Speck und seiner Ehefrau Maria Ursula wurde am 23.05.1732 in Vogelsberg bei Kocherstetten der Sohn Maximilianus Leonhard Adam Speck geboren. Maximilianus Leonhard Adam Speck konnte später seinen Herrn von Stetten, der 15 Jahre älter war, bei Reisen ins Sachsenland begleiten. Hier lernte Speck in Lorenzkirch bei Strehla Anna Christine Waldenberger kennen. Sie war die Tochter eines Bauern aus Klossa bei Schweinitz an der Schwarzen Elster. Sie heirateten 1773.
Der ehemalige Jägersmann Maximilianus Leonhard Adam Speck wurde Gastwirt “Zum Schifflein“ in Gröba bei Riesa an der Elbe. Ihnen wurde der Sohn Maximilian Speck am 30.07.1776 in Gröba geboren, der später Gutsherr in Lützschena wurde.

Freiherr Maximilian Speck von Sternburg

Der junge Maximilian Speck wuchs in der Gastwirtschaft in Gröba in ländlicher Umgebung auf. Auf der Elbe war ein reger Schiffsverkehr. Den Schiffsleuten, die in der Gastwirtschaft einkehrten, hörte er gern zu. Er arbeitete mit in der Wirtschaft und lernte beim Kassieren das Rechnen. Außerdem betreute er Schafe und Federvieh. Erst mit 14 Jahren kam er in die Schule, zunächst nach Gröba, dann nach Beucha. Der junge Maximilian war hochbegabt, lernte sehr schnell.
Mit 15 Jahren kam er nach Leipzig in eine Textilhandlung mit Schulbildung. Dort erhielt er Unterricht in allgemeiner Bildung, in Geografie und Geschichte, in Biologie und Technologie. Er erlernte die französische und die englische Sprache. Kunst und Musik hatten es ihm angetan, er spielte auf drei Instrumenten. Mit 20 Jahren 1796 war er Korrespondent in französischer und englischer Sprache für den Textilhandel in der Beyerschen Wollhandlung zu Leipzig.

Maximilian Speck unternahm viele Geschäftsreisen nach Köln, Brüssel, Paris und 1807 bis Bordeaux. Bereits 1807 wurde er Teilhaber des namhaften Handelshauses Beyer. Seine Arbeitsstätte war die Reichsstraße, Ecke Schuhmachergässchen in Leipzig, das Haus erwarb er 1815, der jetzige “Specks Hof“. Speck lernte die spanische Schafzucht und den Wollhandel kennen. Schon 1765 wurden in Sachsen 220 Merinoschafe aus Spanien eingeführt. Die Kriege Napoleons 1806-1813 schädigten den Wert des spanischen Wollhandels. Deshalb glaubte Speck an sächsische Wolle. Da Speck auf dem Land aufgewachsen war, kannte er sich mit Schafen aus. Er gründete Schafzuchtvereine und belieferte Wollmärkte. Aus Spanien kam die weiße Wolle, aus Sachsen kam dann die graue Saxonia-Wolle. Wolle und Tuche wurde nach England und bis nach Amerika ausgeführt. Die Landwirtschaft in Lützschena expandierte.

Am 22.04.1811 heiratete Maximilian Speck Charlotte Elisabeth Hänel von Cronenthal, sie stammte aus der Patrizierfamilie Hänel, die mit französischer Seide handelte.
Das Handelshaus Beyer und Co. wurde 1818 aufgelöst und Speck gründete die eigene Firma unter dem Namen “Wollhandlung und Kommissionshandel niederländischer Tuche“. Speck kannte die Anforderungen des Wollmarktes. Daher widmete er sich der Zucht von Elektoralschafen.
Die Tuche, die aus der Wolle der besonders gezüchteten Schafe hergestellt wurden, nannte man in England “Elektoral“ (Latein: electus = auserlesen, ausgewählt). Die Zucht dieser Schafe auf dem Gut Lützschena hatte in Europa einen sehr guten Ruf. Dieser drang bis nach Russland. Speck wurde von Kaiser (Zar) Alexander I. eingeladen, im Russischen Reich die Schafzucht zu optimieren und Musterzüchtereien einzurichten. Speck begab sich 1826 auf eine längere Reise nach Russland und hatte persönliche Begegnung mit dem Zar, den er bereits 1813 nach der Völkerschlacht in Leipzig kennengelernt hatte. Beide verstanden sich prächtig, beide waren Kunstkenner. Speck hatte schon früh angefangen, wertvolle Gemälde zu kaufen und sie in seinem Gut zu präsentieren.
Die Reise mit der Kutsche durch das Russische Reich war sehr beschwerlich. Einmal gingen die Pferde durch, die Kutsche fiel um und Speck wurde aus dem Wagen geschleudert. Das war der Grund für den vorzeitigen Abbruch der Reise. Alexander I. verlieh dem Kaufmann, Landwirt und Schafzüchter Maximilian Speck für dessen Arbeit und Erfolge den Wladimir-Orden, das war gleichbedeutend mit dem niederen Adelstitel, Speck durfte sich nun Maximilian Ritter von Speck nennen.
Auch in Bayern hörte man von Speck, dem Schafzüchter. Ihm wurde das Gut Fürstenried zur Pacht angeboten. Aus diesem Gut machte er bald ein ertragreiches Landwirtschaftsgehöft mit Schafzucht. Speck fühlte sich sehr wohl auf dem Gelände, es war für ihn eine sichere Burg, über der ein Stern leuchtete. Zwischen dem König Ludwig I. von Bayern und Herrn Speck bestand eine gegenseitige Sympathie, beide waren Kunstkenner, besonders der Malerei. Der König von Bayern verlieh dem vorzüglichen Landwirt und in Anerkennung dessen um die Wandlung der Schafzucht 1829 den Adelstitel Freiherr von Sternburg. Der Rittergutsbesitzer von Lützschena durfte jetzt den Namen Maximilian Ritter von Speck Freiherr von Sternburg tragen.

Geschichte der Brauerei Sternburg (>siehe auch Lützschena und sein Bier)

Das Bier von Lützschena wurde schon vor dem Jahr 1750 gebraut und es galt als berühmt. Der Ausschank des Lützschenaer Bieres erfolgte im Burgkeller von Leipzig bereits 1795. Maximilian Speck hatte 1822 das Rittergut Lützschena mit Brauerei gekauft, betrieb die Brauerei weiter und errichtete 1826 den Gasthof neben der Brauerei.

Im Jahr 1829 kaufte Speck von Sternburg das Klostergut St.Veit, bei Neumarkt an der Rott, gelegen an der Handelsstraße zwischen Landshut nach Salzburg. Das Klostergut war verfallen, aber Speck machte das Gut zum Mustergut. Auch hier pflegte er die Schafzucht und den Hopfenanbau, da ihm auch die Bierbrauerei sehr wichtig war. Die Brauerei in der Klosterschule war schon 1497 als sehr gut benannt worden. Obwohl es 1802 zur Auflösung der ehemaligen Benediktiner-Abtei kam, funktionierte die Brauerei weiter; denn sie hatte einen guten Braumeister. Diesen überredete Speck, seine Bierbraukenntnisse in Lützschena anzuwenden. Speck von Sternburg wollte jetzt eine moderne Brauerei. So kam auch ein Techniker aus dem Augustiner-Brauhaus in München nach Lützschena. Er legte die technischen Grundlagen für eine neue zeitgemäße Brauerei. Das alte Brauhaus neben dem Gutshof wurde 1834 geschlossen und die moderne Brauerei neben dem neuen Gasthof an der Landstraße nach Schkeuditz eröffnet. Leipzig hatte damals 47.000 Einwohner. Das Bier der Sternburg-Brauerei wurde in Lützschena und in Leipzig gern getrunken. Viele Einwohner von Lützschena fanden in der Sternburg-Brauerei Arbeit und somit war das die Existenzgrundlage für viele Bürger.

Die sprunghafte Entwicklung Lützschenas ist Maximilian Speck von Sternburg zu verdanken. Er war ein Naturfreund, gestaltete Gut, Land und Park nach seinen Erfahrungen, die er in vielen Reisen gewonnen hatte. Er musste Sumpf und Wasserläufe umbauen und gestalten. Im Park von Lützschena gibt es Übergänge von gepflegter Anlage zur wilden Natur, aber alles harmonisch. Dämme wurden gebaut, um Hochwasserschäden zu verhindern.
Speck von Sternburg schätzte die Malerei. Er wollte Landschaft, Park und Gemäldegalerie, die er im Schloss anfangs untergebracht hatte, allen Menschen zugänglich machen. Daten belegen, was sich in Lützschena veränderte: 1834 neue Brauerei, 1844 kleine Schule errichtet, 1847 Eröffnung einer Schul- und Dorfbibliothek, 1851 Gründung einer landwirtschaftlichen Lehranstalt. Das Schlosss in Lützschena wurde 1864 gebaut.
Danach wurde1877 ein neues Schulgebäude in Lützschena errichtet, das spätere Postamt. Ab 1889 gab es eine Verkaufsstelle und 1899 wurde die Freiwillige Feuerwehr in Lützschena gegründet und vieles mehr. Seine umfangreiche Gemäldesammlung brachte er in einem neuen Gebäude unter, der sogenannten „Villa Martha“. Dieses Gebäude befindet sich heute in der Straße Zum Bildersaal.

Der jüngste Sohn von Maximilian war der 1821 in Leipzig geborene Alexander. Er verlebte die Kindheit auf dem Gut in Lützschena, lernte früh das Landleben kennen und hatte Interesse für die Natur und Technik. Als junger Mann lebte er mehrere Jahre in Australien, betrieb dort Schafzucht. Im Jahr 1844 kam er nach Europa zurück und gründete 1849 in Leeds, 300 km von London entfernt, eine eigene Firma, welche die großen Tuchfabriken mit Rohmaterial belieferte. Die besten Wollsorten nannte der junge Freiherr “Saxon-Wolle“. Alexander war ein eleganter Mann und ein sehr guter Kaufmann im internationalen Wolle-Handel.
Als der Vater Maximilian Speck von Sternburg 1856 starb, übernahm Alexander sofort das Lützschenaer Gut und die Brauerei. Er setzte sich sehr für technische Neuerungen ein. Der Dampfbetrieb in der Brauerei wurde 1876/77 eingeführt, die Sudhauseinrichtung verbessert und ein weiterer großer unterirdischer Lagerkeller angelegt sowie eine Darre für die Mälzerei neu gebaut. Die Brauerei führte nun den Namen “Freiherrlich Sternburgsche Brauerei“.

Im Jahr 1883 übernahm James Alexander von Sternburg, geboren 1856 in Leeds, Sohn von Alexander, die Leitung des Brauhauses. Gutsverwaltung und Brauerei waren nun getrennt. Die Brauerei hieß nun ab 1912/13 “Brauerei Sternburg GmbH“. Viel Neues geschah in Lützschena. Ab1892 wurde der Flaschenbierversand eingeführt. Seit 1905 fährt die Leipziger Straßenbahn bis nach Lützschena, ab 1910 wurde sie bis Schkeuditz weitergeführt. Die Brauerei wurde weiterhin ständig modernisiert. Im Jahr 1911 verstarb Alexander von Sternburg. Der dritte Majoratsherr James Alexander von Sternburg hatte sich sehr um die Zukunft der Brauerei gekümmert. Leider starb er sehr früh mit 60 Jahren im Jahr 1916.

Unter der Leitung des vierten und letzten Majoratsherrn von Gut und Brauerei Lützschena, Herrn Gustav Harry Freiherr Speck von Sternburg, Sohn von James Alexander, entstanden in den Jahren 1926-1928 die letzten gewaltigen Umbauten des Lützschenaer Brauhauses. Dominant war das neue Sudhaus mit seinem weithin sichtbaren Kupferdach, neben dem Bismarckturm das Wahrzeichen Lützschenas. Dazu kam das Werkstattgebäude mit dem Uhrturm, bis heute ein Zeugnis einstiger wirtschaftlicher Blüte der Brauerei und moderner Industriearchitektur.

Nicht zu vergessen sind auch die Verdienste des Senators Oswald Winde. Dieser 1864 in Bunzlau (Schlesien) geborene Braumeister kam 1890 nach Lützschena und wirkte über 50 Jahre als technischer und ökonomischer Betriebsführer der Brauerei Sternburg. Die Brauerei wurde als vorbildlich sozial geführter Betrieb eingeschätzt, es gab bereits eine Betriebsküche. Am 27.06.1901 wurde die Betriebskrankenkasse Brauerei Lützschena gegründet. Kurt von Funcke war durch die Heirat mit Vera von Sternburg der Schwiegersohn vom Brauereibesitzer James Alexander von Sternburg. Funcke hatte Chemie studiert. Er übernahm ab 1906 als zweiter Direktor und Prokurist in der Brauerei Führungsaufgaben bis zur Enteignung 1945.

Der letzte Majoratsherr von Gut und Brauerei Lützschena, Gustav Harry Freiherr Speck von Sternburg, wurde 1939 als Rittmeister der Reserve in den Kriegsdienst eingezogen. Die Brauerei wurde von Generaldirektor Kurt von Funcke verwaltet. Amerikanische Truppen kamen am Ende des 2. Weltkrieges, im April 1945, nach Lützschena. Ab August 1945 wurde die Region sowjetische Besatzungszone. Die Ländereien und der Schlosspark, bis dahin Eigentum der Familie Speck von Sternburg, fielen unter die Bodenreform. Aus den Ländereien wurde später die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG). Die Sternburg Brauerei kam unter Kontrolle der sowjetischen Militärverwaltung. Am 1.Juli 1947 wurde sie in deutsche Hände zurückgegeben. Ab dieser Zeit war die Brauerei ein Volkseigener Betrieb (VEB). Die Brauerei produzierte weiter und entwickelte sich zu einem Exportbetrieb. Das Sternburg-Bier wurde gern getrunken.

Noch im Jahre 1989 wurden in der Brauerei von fast 500 Beschäftigten jährlich 500.000 Hektoliter Bier produziert. Die Brau- und Brunnen AG mit Sitz in Dortmund bekam die Brauerei von der Treuhandgesellschaft zur Abwicklung der volkseigenen Wirtschaft übereignet. Proteste von Belegschaft, Gemeinderat, Familie von Sternburg und der evangelischen Kirchgemeinde konnten die Schließung der Brauerei am 31.August 1991 nicht verhindern. Der größte Arbeitgeber in der Gemeinde Lützschena fiel weg. Fast alle Brauereimitarbeiter wurden arbeitslos. Aus angeblich technischen Gründen wurde die Produktion des Lützschenaer Bieres in das damals ebenfalls zum Konzern gehörende Leipziger Brauhaus Reudnitz verlegt.

Die Brauerei Reudnitz hat auch eine lange Tradition. Seit 1862 wurde in dem Dorf Reudnitz bei Leipzig Bier gebraut. Nach 2006 besann sich die Brauerei Reudnitz, die zur Radeberger Biergruppe gehört, des guten Bieres unter dem Namen Sternburg. Unter diesem Namen Sternburg genießt die Marke hohen Kultstatus. Das Bier wird nun wieder getrunken, welches seit 1834 unter diesem Namen “Sternburg“ in Lützschena gebraut wurde. Allerdings kommt das Sternburg-Bier nicht mehr aus Lützschena. Zurückgeblieben ist in Lützschena aus dem großen Industriegelände und der weithin sichtbaren Brauerei, auf die Einwohner stolz waren, eine Industrieruine, die mehr und mehr verkommt.

Die Villa Sternburg

Nach dem Tod von Maximilian Freiherr Speck von Sternburg 1856 war der Besitzer von Gut und Brauerei Alexander von Sternburg. Er ließ 1864 nach den Plänen von Oskar Mothes (1828-1903) das Schloss Lützschena im neogotischen Stil errichten. Seit 1883 lebte der Sohn von Alexander mit Familie wieder in Lützschena. Auf dem Grundstück der Brauerei ließ James Alexander von Sternburg nach den Plänen von Julius Zeißig in den Jahren 1884-1888 die Villa im neogotischen Stil, ähnlich wie das Schloss, errichten. Julius Zeißig (1855-1930) war auch Architekt des Leipziger Diakonissenhauses und der Lukaskirche.

Die Villa Sternburg gehörte nicht zum Majorat und wurde von James Alexander von Sternburg und seiner Familie bewohnt. 1916 starb der Bauherr. Seine Witwe, Helene Speck von Sternburg, geborene Kürsten (1865-1943), lebte dort bis zu ihrem Tod im Januar 1943. Die Tochter Charlotte Fritzsche, geborene von Sternburg, wohnte seit ihrer Heirat nicht mehr in der Villa, aber sie musste ihre neue Heimstatt in Schlesien verlassen und floh im Januar 1945 mit ihren Kindern, mit Pferd und Wagen, hilfesuchend in ihren Geburtsort Lützschena. Nach Kriegsende 1945 erfolgte die Enteignung des gesamten Sternburgschen Besitzes.
So wurde auch die Villa in staatliches Eigentum überführt. Nach 1945 durfte die Tochter Charlotte Fritzsche, geborene Speck von Sternburg, (1891-1980) noch bis 1955 in zwei kleinen Dachkammern in der Villa wohnen bleiben. Sie entschloss sich, 1955 in den Westen Deutschlands zu ihren dort schon ansässigen Kindern zu ziehen. Eine zweite Tochter, Vera von Funcke, geborene von Sternburg, und ihr Ehemann Kurt von Funcke, damals zweiter Direktor der Brauerei, erlebten das Kriegsende 1945 und die anschließende Enteignung des Besitzes.
Im Tauschverfahren gegen die Villa Sternburg, die auf dem Brauereigelände stand, durften sie auch nach 1945 in der “Villa Anna“, dem damaligen sogenannten Witwensitz des Majorats, wohnen bleiben. Kurt von Funcke starb hier am 7.Juni 1964 und wurde auf dem Lützschenaer Friedhof beigesetzt. Vera von Funcke zog zu ihrem Sohn Wolfgang in die Bundesrepublik Deutschland.

Ab 1945 diente die Villa Sternburg als Verwaltungsgebäude der Brauerei. Nach der Auflösung der Brauerei 1991 hatte sie ihre Funktion verloren. Im selben Jahr erwarb das Gebäude ein neuer Besitzer. Wechselnde Mieter bewohnten in den folgenden Jahren die Villa. Mehrere Familien teilten sich das Gebäude. Die Räume wurden verändert und die ursprüngliche Gestaltung der Räume war nicht mehr vorhanden. Endgültig war das schließlich nicht. Nach und nach zogen alle aus. Seit dem Jahr 2000 hatte ein Künstlerpaar die Villa bewohnt. Mit Auszug dieser Künstler 2008 stand das Gebäude leer. Die Villa Sternburg an der Halleschen Straße 110 Richtung Leipzig, links stadteinwärts, blieb erheblich sanierungsbedürftig ungenutzt stehen. Die Bäume und Sträucher wuchsen immer höher und verdeckten bald das Gebäude.

Im Jahr 2012 erwarb ein Leipziger Privatinvestor, Diplom-Betriebswirt Jens Wunsch, die Villa. Dieser hatte sich das Ziel gesetzt, das Gebäude in historischem Gewand wieder instand setzen zu lassen; abgesprochen mit dem Denkmalschutz. Zunächst mussten Bäume und Sträucher um das Haus herum entfernt werden. Die historischen Zinnen auf dem Dach waren in vorheriger Zeit abgetragen worden und mussten jetzt in mühevoller handwerklicher Arbeit wieder errichtet werden.
Vom Dach der Villa hat man einen herrlichen Ausblick über die Umgebung. Bei gutem Wetter sieht man das Universitätshochhaus, den Turm des Neuen Rathauses von Leipzig und sogar das Völkerschlachtdenkmal. Leider betrachtet man aber auch das zunehmend verfallende Gebäude der Brauerei. Die Villa wurde nach den modernen Vorgaben der Wärmedämmung isoliert. Der neue Außenputz lässt das Gebäude strahlend hell erscheinen. Ein Erker, den Mieter vorher verglast hatten, wurde wieder in den originalen Zustand versetzt. Jetzt ist der rote Sandstein um Erker und Fenster zu sehen.

Die Villa beherbergt in drei Etagen großzügige Wohnungen. Aber bevor der Innenausbau zu modernen Wohnbedingungen umgestaltet werden konnte, mussten 350 Tonnen Schutt entfernt werden. Das Treppenhaus imponiert durch ein herrliches gedrechseltes Holzgeländer aus alter Zeit und musste aufwändig restauriert werden. Das ursprünglich noch vorhandene Parkett in den Wohnungen musste zunächst entfernt werden. Das Parkett wurde 1887 eingebaut. Das Alter des Holzes konnte aus dem Jahr 1800 ausgemacht werden. Das Holz, welches zu Parkett verarbeitet wurde, hatte also drei Generationen getrocknet. Diese Einmaligkeit wurde vom neuen Besitzer beachtet und in seinem Wert erkannt. Nach der fachgerechten Aufarbeitung wurde das Parkett original wieder im Haus verlegt. Die Heizung im Haus ist modern. Nicht sichtbare Flachheizkörper werden elektrisch betrieben, eine spezielle Infrarot-Strahlung ist die Wärmequelle.

Insgesamt beträgt die Wohnfläche der Villa 750 m2, die auf die einzelnen drei Wohnungen aufgeteilt sind. Jede Wohnung hat ihren besonderen Reiz, dazu gehören jeweils zwei Austritte (Balkon und Loggia). Abgesehen von der überwältigenden Größe hat die untere Wohnung im Hochparterre eine Terrasse nach hinten zum Garten. Das Schlafzimmer dieser Wohnung ist riesengroß und beherbergt natürlich neben den Betten auch ein Badezimmer. Das Badezimmer ist in der Mitte des Raumes platziert, von Wänden umrahmt und so begehbar, dass man das Schlafzimmer nicht verlassen muss. Außerdem kann man von der Hochparterrewohnung aus die Einliegerwohnung eine Etage tiefer begehen, die zusätzlich einen separaten Eingang von außen hat. Die Wohnung in der ersten Etage hat ebenfalls das schöne Parkett und wie jede andere der drei Wohnungen verzierte Massivholzdecken aus der originalen Bauzeit. Die dritte Wohnung ist ebenfalls modern ausgestattet, hat auch originale Holzdecken und Parkett. Von der Wohnung aus steigt man auf das Dach, welches mit den schon erwähnten Zinnen ausgestattet ist.
Abgesehen vom schönen Ausblick befindet sich inmitten der Dachterrasse ein Wintergarten. Diesen sieht man von der Straße her. Im hinteren Garten gibt es einen Parkplatz für Autos. Mit dieser Wohnqualität kann sich jeder Bewohner der Villa in Lützschena wohl fühlen. Zu hoffen bleibt, dass das dahinterstehende und sehr verkommene alte Gelände und die Gebäude der ehemaligen Sternburg-Brauerei bald wieder einer nützlichen Funktion zugeführt werden.

Dr. med. Anni Neumann

Quellenangabe:
Daehne, Paul (1940). Lützschena im Wandel der Welt. Leipzig: Graphische Kunstanstalten J.J. Weber.
Universallexikon, Band 1-5 (1985). Leipzig: VEB Bibliographisches Institut.
Pro Leipzig e. V. (1999). Lützschena. Eine historische und städtebauliche Studie. Leipzig: Klingenberg Buchkunst Leipzig GmbH.
Förderverein Aktionsgemeinschaft „725 Jahre Lützschena“ e. V. (2003). Festschrift 725 Jahre Lützschena. Halle (S): IMPRESS Offsetdruckerei.
Das neue Universallexikon (2008). Gütersloh/München: Bertelsmann.
Graf, G