An dieser Stelle setzen wir die Abschrift der Chronik mit dem Eintrag vom September / Oktober 1840 - vor 175 Jahren - fort:
11. September
Seit 8 Tagen wechselt Regen mit Sonnenschein also daß die Haferernte sehr
aufgehalten wird, und die Frucht auszuwachsen beginnt (Viele haben den frühzeitigen
Hafer auch bereits in den Scheuern. Einige Rosenstöcke in meinem Garten
blühen zum 2. Male in diesem fruchtbaren Jahre, Äpfel – Centifolien [Die
prächtigste von allen Rosen ist die aus Persien stammende Centifolie oder
hundertblätterige Rose d.Ü.] und Pflaumenbäume gewähren einen seltnen schönen
Anblick: Dem Wein und den Pfirsichen stellen allenthalben die Wespen sehr
nach.
Am 20. September erst konnten wir unser diesjähriges Erntedankfest mit frohem
Herzen feiern. Die ungünstige veränderliche Witterung der letzten 3 Wochen
hätte es fast unmöglich gemacht, den letzten Hafer vor’m Feste noch einzubringen.
Obst haben wir in erwünschter Menge und Güte, wollen wir nur genügsam seyn,
und vor räuberischen Händen bewahrt bleiben! Grumet [= Heu der zweiten oder
dritten Mahd d.Ü.] aber ist sehr dürftig ausgefallen. Die Erntefest-Collecte
wurde zum 1. Male vertheilt unter 16 Ortsarmen der Parochie; außerdem haben
wir ein Erntefestcollectenkapital von 24 Rt. in der Leipziger Sparcasse.
Am 3. October
Der vorige Monat ist veränderlich, oft naß und windig, selten mild und sonnig,
zu Ende gegangen, der neue also eingetreten, so daß der Wein nicht durchaus
süß werden wird. Dagegen haben wir dießmal aus unsern Gärten einen ansehnlichen
Vorrath wohlgerathener Aepfel und Pflaumen erlangt, so daß wir die künftige
Zeit noch versorgen können. Indeß bleibt das Obst doch im Preise und wir
müßten für den Korb Pflaumen zum Sieden aus Glesien 16 bgg. bezahlen.
Während der gegenwärtigen Michaelis Messe gehen täglich große Eisenbahnzüge
von und nach Magdeburg vorüber. Die Extrapostverbindung nach Schkeuditz
hat schon vorigen Monat aufgehört.
Zeither haben wir wenig Sterblichkeit in der Parochie gehabt; dagegen hatte
ich kürzlich für abwesenden Amtsbrüder in Wahren und Gundorf zusammen 3
Leichenreden zu halten.
Am 12. October machte ich bei günstiger, doch wie zeither immer kalter und
windiger Witterung, meinen dießjährigen Censiten-Gang [Zinsgang d.Ü.] nach
Quesitz. Er ward besonders annehmlich dadurch, daß mich meine liebe Frau
erst dahin, zu Pastor Winklers, dann noch weiter zu Superintendent Karl
Friedrich Förster in Lützen, welcher nächstens in gleicher Würde nach Delitzsch
versetzt werden wird, begleitete.
Am 15. October war im nahen Schkeuditz die Huldigungsfeier für Friedrich
Wilhelm IV., sie ward mit festlichen Aufzügen in die Kirche, wie mit Festmahl,
Illumination (recht stattlich gelungen) und Ball gefeiert, aber leider nicht
durch die Witterung begünstigt: denn der Regen floß nach einem stürmischen
Tag Abends in Strömen herab. Im (constitutionell! gesinneten) Halle soll
aber Nichts dergleichen wahrzunehmen gewesen seyn.
Am 25. October unternahm Herr Baron von Sternburg mit Fräulein Anna eine
Reise nach seiner Besitzung St. Veit in Bayern bei rauher Witterung (vorgestern
hatten wir bereits einmal 1 Gr. Frost!). Ueberhaupt ist dieser Herbst sehr
unfreundlich, kalt, stürmisch und naß. Alexander von Speck gedenkt nächsten
Monat von Leeds in England nach Australien (Vandiemensland [Bis 1853 auch
Bezeichnung für Tasmanien, eine Insel, südöstlich von Australien d.Ü.])
abzureisen.