Bald ist es so weit …
… und der Wandbrunnen an der Jungfernstiege wird wieder sprudeln. Aber der Reihe nach. Jahrelang floss hier kein Wasser mehr und dieses Schmuckstück in der Gartenstadt drohte nach und nach zu verfallen. Frühere Versuche, ihn wieder in Betrieb zu nehmen, waren nur halbherzig und führten zu keiner dauerhaften Verbesserung. Der Heimatverein Lützschena-Stahmeln e.V. und der Ortschaftsrat wollten hier nicht länger zusehen, sondern suchten nach Wegen, den Brunnen samt Umfeld zu restaurieren.
So wurde von ihnen am 24. September 2011 das „Brunnenfest“ veranstaltet. Ziel war es, die Einwohner der Ortschaft für das Vorhaben zu interessieren und Spender zu gewinnen. Es folgte eine Einwohnerversammlung am 18. April 2012, in der verschiedene Varianten für die künftige Gestalt und den Betrieb des Brunnens vorgestellt wurden. Aufgenommen wurden nun die Gartenstadt Lützschena mit dem Brunnen in die Liste der Kulturdenkmale in Lützschena-Stahmeln, die in der Denkmalliste vom Landesamt für Denkmalpflege Sachsen mit Stand vom 20. Juni 2013 erfasst wurden. Damit besteht auch für die Stadt Leipzig die Verpflichtung, den Brunnen als Denkmal zu erhalten und zu schützen. Bereits im Jahr 2014 konnten alle rechtlichen Fragen geklärt werden. Die Finanzierung wurde auch dadurch gesichert, indem der Ortschaftsrat beschloss, Mittel einzusetzen, die ihm durch den Lastenteilungsvertrag mit der GVZE zur Durchführung landschaftspflegerischer Maßnahmen zur Verfügung stehen. Schließlich sah er auch die Pflege von Stadtlandschaften als notwendig an. Es erfolgte die Planung des Vorhabens als Grundlage für die Ausschreibung der nötigen Gewerke am 7. Mai 2015. Den Zuschlag für das Hauptgewerk erhielt die Firma Nüthen Restaurierungen GmbH & Co. KG Erfurt, daneben verschiedene kleinere Unternehmen. Die Bauarbeiten sollen vom 16. Juni bis zu 18. September 2015 dauern. Während dieser Zeit haben die Anwohner etliche Belastungen durch Lärm, Staub und eingeschränkte Parkmöglichkeiten zu ertragen, aber ich denke, sie werden am Ende aufatmen und froh darüber sein, in ihrer Nachbarschaft ein solches Schmuckstück zu haben, das den Wert ihrer Grundstücke erhöht und eine Verbesserung der Lebensqualität darstellt. Der Ortschaftsrat und das verantwortliche Amt für Stadtgrün und Gewässer werden darüber wachen, dass die Termine des Ablaufplanes eingehalten und die Kosten nicht überschritten werden.

Entstanden ist die Wandbrunnenanlage vor mehr als 100 Jahren im Zuge des Baus der Gartenstadt Quasnitz, heute ein Teil des Ortsteils Lützschena. Die von Bruno Peglau gegründete Gartenstadt GmbH ließ hier zwischen 1909 und 1911 ca. 135 Häuser bauen, wobei viel Wert auf architektonische Vielfalt gelegt wurde. Das Problem des zwischen Am Kalten Born und Paulinengrund vorhandenen Höhenunterschieds glich man durch zwei Treppen mit je 12 Stufen neben dem eigentlichen Brunnen aus – ein gutes Beispiel baubezogener Kunst. Wer die Entwürfe für die Anlage lieferte oder die Plastik schuf ist leider nicht bekannt. In der Mitte des Wandbrunnens sieht man einen jungen Satyr, erkennbar an den behaarten Beinen, und anstelle von Füßen hat er Hufe wie bei einem Bock. In der griechischen Mythologie waren die Satyrn Gefolgsleute des Dyonysos, des Gottes des Weins und der Fröhlichkeit. Außerdem galten sie als Erfinder des Weines. Ganz in sich versunken und offenbar ohne Sorgen spielt der Junge auf einer Panflöte, dem Lieblingsinstrument der griechischen Hirten in der Antike. Auf die Verbindung zum Wein deuten auch die Ornamente zu beiden Seiten hin, stellen sie doch neben Früchten auch Weintrauben dar. Es handelt sich um Verzierungen, die in der Epoche des Jugendstils vielfach verwendet wurden, was auch an anderen Stellen in der Gartenstadt noch sichtbar ist.


Es bleibt zu wünschen, dass es bei der Restaurierung gut gelingt, den Brunnen in seiner ursprünglichen Schönheit wieder herzustellen. Ein „Brunnenfest“ anlässlich der Inbetriebnahme im Herbst 2015 wird es jedoch nicht geben, denn noch nicht ist klar, wann das Verkehrs- und Tiefbauamt die beiden Treppen saniert. Außerdem ist der Aufwand zur Gestaltung des Festes so groß, dass er nicht kurzfristig bewältigt werden kann. Für 2016 aber, so ist das Ziel, soll das Fest steigen.


Text und Fotos Horst Pawlitzky