An dieser Stelle setzen wir die Abschrift der Chronik mit dem Eintrag vom Mai 1840 - vor 175 Jahren - fort:
Am 1. Mai
Nachdem die Witterung des vorigen Monats meist ganz trocken und schön, doch
in der ersten Hälfte kalt bis zu Nachtfrösten, in der 2. warm bis zu 20°
gewesen; trat auch der Mai mit schöner Witterung, doch kaltem NO ein, der
vielleicht dazu diente, die häufigen Maikäfer und Raupen zu verjagen, deren
allgemeine Vertilgung selbst von der Staatsregierung anempfohlen worden
ist. Die Obstaussichten für dieses Jahr sind jetzt günstig, die Bäume stehn
voll Blüthen. Die Trockenheit hielt bis gegen den 10. Mai; worauf einige
erquickende Regenschauer folgten.
Am 13. Mai früh verunglückte in der hiesigen Mühle der dasige Scheider [Scheider
= in Mühlen Personen, die das gemahlene Mehl sieben d.Ü.] Krätzner aus Trebsen
bei Grimma, auf unbekannte Weise, und ward nachdem er wahrscheinlich unter
die Räder gekommen, an den Küttnerschen Lustgarten getrieben, wo man ihn
bald entdeckte, aber nicht wieder zum Leben brachte. Sein Vater, ein Beutler
[Beutler = ein Beutelmacher d.Ü.] kam selbst, und ließ den guten Sohn mit
Abdankung begraben.
Seitdem folgten mehrere gewitterhafte Tage mit Regenfällen, diesem plötzlich
sehr kalte, rauhe und naße Witterung bis zum 23. huj. [hujus mensis = lat.
diesen Monats d. Ü.]; es gab selbst Graupelwetter und Schneeflocken. Die
Raupen müssen noch immer sehr verfolgt werden, ihre Zahl ist Legion [Legion
= Synonym für eine große unbestimmte Menge d.Ü.].
Auf dem Landtage sind jetzt günstigere Beschlüße wegen Ablösung des geistlichen
Decems [Decem = der Zehnte als Abgabe an Geistliche d.Ü.] gefaßt worden.
Am 25. empfing ich den neuen, nach KreisdirectionsVerordnung (für den ganzen
Bezirk) von unserem Herrn Wilde gefertigten Pfarr-Archiv-Schrank, an welchem
es bisher gefehlt. Und nun erst habe ich eigentlich eine Studierstube, darin
mir wohl ist.
Am Himmelfahrtstage, d. 28. Mai, feierte der ehrwürdige Herr Oberpfarrer,
und Ephorie Adjunkt [Adjunkt = Amtsgehilfe d.Ü.] Ritter in Rötha sein 50jähr.
Amtsjubiläum, zu welchem ihm der Leipziger Landprediger Verein eine, von
Herrn P. Naumann in Knauthayn verfaßte lateinische Schrift (de Christii
affectibus) nebst lateinischem Gratulations-Gedicht von M. Zehme in GroßStädteln
auf einem Atlaskissen (worauf der gute Greis bei der kirchlichen Einsegnung
knien konnte) verehrte, ich aber noch besonders ihm poetisch. »Blicke in
das. Leben eines verehrten Jubilars« ihm überreichen ließ. Das Festmahl,
das unser Verein ihm geben wird, ist zu Mittwoch nach Pfingsten angesetzt.