Die Elster-Luppe-Regelung
Seit einiger Zeit ist das Projekt Lebendige Luppe in aller Munde. Dazu ist es interessant einmal zu untersuchen, wie es zum jetzigen Flußverlauf in der Aue kam. Ein Sonderdruck des „Leipziger Beobachters“ von 1936, der sich im Lützschenaer Pfarrarchiv befindet, gibt darüber Auskunft, was unsere Väter / Großväter zum Bau der Neuen Luppe bewogen hat. Im Folgenden geben wir eine leicht gekürzte Fassung des Artikels von Regierungsbaumeister Natzschka wieder:


„Schon seit Jahrzehnten ist die Stadt Leipzig mit Unterstützung des sächsichen Staates bemüht gewesen, die ungünstigen Abflußverhältnisse der weiten das Stadtgebiet durchziehenden Auen der Weißen Elster, der Pleiße und der Luppe durchgreifend zu regeln. In den Nachkriegsjahren hat diese Aufgabe im Süden der Stadt durch die Regelung der Elster- und Pleißeläufe und durch die Einschaltung des 2,7 km langen Elsterflutbeckens an den Frankfurter Wiesen ihre wasserbauliche und insbesondere städtebauliche Lösung gefunden.
Als dringliche und nicht minder wichtige Restaufgabe verblieb die Fortsetzung des großen Regelungswerkes flußabwärts nach Nordwesten. Durch die Aue schlängelten sich deltaartig vier Flußläufe, und mittendurch verlief noch eine völlig unzureichende flache Flutrinne. Bei Hochwasser wurde die Aue oft auf 2 km Breite überschwemmt und bei fallendem Wasser blieben dann jeweils in dem dichten Aulehm Hunderte von Lachen und Tümpeln stehen. Die weiten Auenwälder unterhalb Leipzigs blieben so dem Ausflugsverkehr fast verschlossen. Im Frühjahr floh jedermann die Wälder wegen des aufdringlichen Bärlauchgeruches, und im Sommer lagen über der tümpel- und lachenübersäten Gegend die dichten Mückenschwärme, die einen Aufenthalt in der Aue nahezu unmöglich machten.
Die dem Wasserbauer hier gestellte Aufgabe konnte nur in einem großen Gesamtrahmen und durch Zusammenwirken aller Beteiligten … gelöst werden. Auch die sächsisch-preußische Grenze konnte hier keine hemmende Wirkung mehr haben. Unter Führung des sächsischen Staates fanden sich die Stadt Leipzig, die Gemeinden Böhlitz-Ehrenberg und Lützschena, der Bezirksverband Leipzig, die Stadt Schkeuditz, die sächsische und die preußische Flußunterhaltungsgenossenschaft zusammen, um das bedeutsame Werk finanziell zu ermöglichen.
Das Arbeitsbeschaffungsprogramm der Reichsregierung bot die Möglichkeit, die Mittel für das großzügige Regelungswerk auf dem Darlehnsweg bereitzustellen.
Der von der Sächsischen Wasserbaudirektion aufgestellte Gesamtplan sah die Lösung der Aufgabe in einer Zusammenfassung des gesamten, etwa 625 cbm/sek. messenden Hochwassers der Elster und Luppe in einem etwa 80 m breiten Flußprofil, das gleichzeitig als Mittel- und Niedrigwasserbett der Luppe und ihrer Seitenarme dienen soll. Lediglich der Lauf der Weißen Elster bleibt mit Rücksicht auf die bestehenden Triebwerksanlagen – jedoch nur mit einer Wasserführung bis zu 40 cbm/sek. – erhalten.


Der neue Flußlauf beginnt am unteren Ende des Elsterflutbeckens und erstreckt sich auf eine Länge von etwa 10 km bis zur Straße Schkeuditz – Dölzig. Hier schließt sich der preußische Anteil des Gesamtregelungswerkes an, der zunächst bis zur Reichsautobahn Berlin-München in der sächsischen Weise ausgebaut wird und dann anschließend in eine 350 m breite Hochwassereindeichung übergeht.
Die „Neue Luppe“ folgt der natürlichen Tieflage des Auengeländes und wird durch die so bedingte gekrümmte Linienführung nicht nur den wasserbaulichen Anforderungen, sondern auch den gerade hier berechtigten Anforderungen des Heimatschutzes gerecht. Das Mittelwasserbett ist mit 3,30 m so tief in das Gelände eingeschnitten, dass es auch bei kleineren Hochwässern noch ausreichende Vorflut für das Auengelände in seiner gesamten Breite bietet. Die damit erreichte Ermäßigung des vielfach zu hohen Grundwasserspiegels wird durch eine besondere Binnenentwässerung unterstützt, die in ausgebauten Gräben das Tagewasser geregelt der Neuen Luppe zuführt. Auch diese Gräben – so sind z.B. der Lauf der Alten Luppe in Böhlitz-Ehrenberg und des Gundorfer Mühlwassers als Entwässerungsgräben ausgebaut worden – sind der Landschaft allenthalben mit weicher Linienführung eingefügt.
Um die erstrebte Gesundung der Elster- und Luppenaue im Weichbild der Stadt Leipzig vollkommen zu machen, wurden die bisherigen Wasserläufe, die vorhandenen alten Flußarme sowie große Teile alter Auslehmungen, soweit es die zur Verfügung stehenden Bodenmassen ermöglichen, weitgehend verfüllt und als Grünstreifen ausgebildet. Der Arbeitsdienst forstete bereits große Flächen, insbesondere im Gelände der sogenannten Gundorfer Lachen, die nunmehr in Zukunft hochwasserfrei bleiben werden, auf und schuf so die Waldverbindung zwischen dem Forstrevier Burgaue einerseits und dem Domholz und den preußischen Wäldern andererseits. Hier und da bleiben auch einige Lachen bestehen, um den alten Charakter der Landschaft tunlichst zu schützen und um zugleich der vielfältigen Sumpfvogelwelt ihre Lebensbedingungen zu erhalten. Bei aller hohen Bewertung der ornithologischen Bedeutung der versumpften Auenwälder waren sich doch alle Beteiligten darüber einig, dass es die bedeutsamste Aufgabe sei, die Auenwälder dem erholungsbedürftigen Großstädter zu öffnen und hier in unmittelbarer Nähe von Leipzig die Voraussetzung für einen über 20 qkm großen Volkspark zu schaffen.
Im Zusammenhang mit den Flußregelungsarbeiten erfolgt zugleich die Aufschließung des Geländes durch die Anlegung von Fußwegen, die auf den Hochwasserdämmen, abwechselnd rechts und links, entlanggeführt wurden. Nach der Flußseite zu schweift der Blick über die breiten grünen Vorländer, zwischen denen sich der Lauf der Neuen Luppe hindurchzieht. Mehrfach wird der gesamte Hochwasserquerschnitt durch kühne Brückenkonstruktionen aus Eisenbeton oder Stahl überspannt. Über die Regelung hinweg geht der Blick in die weite offene Auenlandschaft oder er dringt in das geheimnisvolle Düster der mit dichtem Unterholz bestandenen Hochwälder. Allenthalben laden Ruhebänke zum Verweilen ein. Am Dammfuß entlang wurden Radfahrwege ausgebaut, um den berechtigten Wünschen des Großstädters auch hierin entgegenzukommen. Neuanpflanzungen von Baumgruppen sollen dazu verhelfen, das Regelungswerk ungezwungen in das Landschaftsbild einzufügen.

Das 2,3 km lange Regelungsstück in Flur Möckern vom Elsterflutbecken abwärts bis zum Auensee ist zunächst insofern provisorisch ausgebaut worden, als hier sowohl der Mittelwasserlauf als auch der linke Hochwasserdamm noch fehlen. Der Luppenlauf wird der Neuen Luppe erst an der Gustav-Esche-Straße zugeleitet. Die im Abschnitt Möckern noch fehlenden Restarbeiten können jedoch jederzeit noch nachgeholt werden, da schon bei den bisherigen Arbeiten auf den künftigen Vollausbau allenthalben Rücksicht genommen worden ist.
Mit den Bauarbeiten wurde am 25. April 1934 begonnen. Da alle Maschinenarbeit zur Lösung des Bodens grundsätzlich ausgeschlossen wurden, konnten auf der langen Baustrecke zeitweise gleichzeitig bis zu 1700 Arbeiter eingesetzt werden. Bei der Gewinnung, der Förderung und dem Einbau der 800 000 cbm Bodenmassen sowie bei allen Nebenarbeiten, z.B. dem Bau von fünf Brücken, wurden insgesamt 430 000 Tagewerke geleistet. Die Baukosten des gesamten Regelungswerkes betragen rund 4 500 000 RM [18,81 Mio. EUR (Stand 01/2015)].
Träger des Unternehmens waren für die einzelnen Bauabschnitte die Stadt Leipzig, die Gemeinde Böhlitz-Ehrenberg und die Unterhaltungsgenossenschaft für die Luppe, die Weiße Elster und den Zschamperl. Die Bauoberleitung lag bei der Sächsischen Wasserbaudirektion in Dresden, die Baudurchführung beim Staatlichen Neubauamt Elsterregelung Leipzig.
Regierungsbaumeister Natzschka