25 Jahre Bürgerinitiative Lützschena
Der Herbst 89 beschäftigte und bewegte die Lützschenaer wie alle anderen
auch, und in jedem Gespräch staunten wir über die Veränderungen, die mit
den Demonstrationen einher-
gingen. Und natürlich sahen wir immer wieder auch bekannte Gesichter aus
Lützschena,
wenn wir montags auf dem Ring waren.
In Lützschena aber ging das Leben seinen bisherigen Gang weiter - es war
ein Schlafort, wie
mancher sagte.
Als im Januar 1990 von freien Wahlen für die Volkskammer die Rede war,
kam es
zu Gesprächen zwischen Herrn Professor Weiler und mir, weil wir Sorge trugen,
ob überhaupt die nötigen Wahlhelfer gefunden werden konnten. Denn dass die
altbekannten Gesichter der letzten Wahlen (vom April 89) wieder in den Wahllokalen
sitzen könnten, hielten wir für völlig abwegig.
In dieser Situation luden Professor Weiler und ich Leute ein, die wir kannten und von denen wir wussten, dass sie unbelastet waren, am 22. 2., 19 Uhr in den Kirchgemeinderaum zu kommen.
Wir wollten gemeinsam über das sprechen, was uns in Lützschena besonders
betreffen wird: - die bevorstehenden Wahlen
- die Sorgen um Schulen und Betriebe
- die Aufgaben, die mit der deutschen Einheit auf uns zukommen.
Am 22.2. waren 22 Personen anwesend. Nach einer Begrüßung und einer Aussprache
be-
schlossen wir, dass wir uns als "Bürgerinitiative zur Durchführung
der Wahl" verstehen und
deshalb - unterstützt durch das Büro des Rates der Gemeinde - um Bereitschaftserklärungen
zur Mitarbeit in den Wahlvorständen aufrufen - Anmeldung bis zum 28.2. 12
Uhr.
Nach der nächsten Beratung (am 28.2.) unserer Gruppe, die wir oft nur kurz "Bürgerinitiative" nannten, teilten wir öffentlich mit, dass sich 24 Einwohner zur Mitarbeit bei der Wahl gemeldet haben. Verbunden mit unserem Dank wiesen wir bereits hin auf die zukünftigen Kommunalwahlen, für die dringend Kandidaten gebraucht werden.
Die Volkskammerwahl am 18.3.1990 konnte dank dieser Vorarbeiten in Lützschena
korrekt
durchgeführt werden.
Inzwischen war als Termin für die Kommunalwahl der 6. Mai festgelegt worden.
Die "Bürger-
initiative Wahlen" verstand sich zunehmend als politische Kraft, die
auf gute Resonanz in der
Bevölkerung stieß. So veröffentlichten wir 2 Mitteilungen, die an alle Haushalte
gingen.
Unter den Fragen: - Wie soll unser Ort künftig aussehen?
- Wen sollen wir wählen?
- Was erwarten wir von unseren Gemeindevertretern?
wurde mitgeteilt, dass wir wahrscheinlich 24 Gemeindevertreter zu wählen
haben und
Kandidaten suchen müssen, die sich für unseren Ort einsetzen und von den
Wählern
akzeptiert werden.
Beigefügt war ein kleines Formular zum Abtrennen, auf dem jeder seinen Kandidatenvorschlag
machen konnte. Abgabetermin für diese Vorschläge war der 25. März, wieder
bei der Bürgerinitiative (Postanschrift Pfarramt).
Außerdem wiesen wir auf die Wichtigkeit der Kommunalwahl hin und versprachen
Einwohnerversammlungen, um über die zukünftige Ortsentwicklung Meinungen
auszutauschen und zu diskutieren.
In der ersten Einwohnerversammlung (am 5.4.) wurde festgelegt, dass die
inzwischen einge-
gangenen Kandidatenvorschläge in Listenform in Kaufläden, im Pfarramt und
an anderen
zugänglichen Orten ausgelegt werden, damit die nötigen Unterstützungsunterschriften
mit
geringem Aufwand erbracht werden konnten.
In einer weiteren Einwohnerversammlung (am 26.4.) stellten sich die vorgeschlagenen
Kandidaten vor und
konnten befragt werden
Bei der Kommunalwahl am 6. Mai schließlich - wieder mit zahlreichen Helfern
aus der "BI"
durchgeführt - wurden die Kandidaten der "BI" die zahlenmäßig
stärkste Kraft in der Gemeindevertretung und stellten als "Bürgerinitiative
Lützschena 1990" seitdem den Bürgermeister.
Aber wenn wir ein "Geburtsdatum" der Bürgerinitiative suchen,
ist das der 22. Februar 1990.
Roland Pappe Pfarrer i. R.