An dieser Stelle setzen wir die Abschrift der Chronik mit dem Eintrag vom August 1839 - vor 175 Jahren - fort:
Aug. 17.
Wir leben in sorgenvollen, betrübten Zeiten. Zwar hat die Witterung bisher
unsre Ern-tegeschäfte sehr begünstigt, und das neue Korn gibt vortreffliches
Brod; allein in un-seren Gemeinden, besonders zu Lützschena, grassiert noch
immer verherrend die rheumatisch-catarrhalische Ruhr-Epidemie, welche da,
wo nervöse und hämorrhoidaliche Zufälle hinzutraten nebst Zahndurchbruch
bei Kindern, tödtlich wird. 2 Wittwen in den 80r. und 60r. Jahren, 1 Jungfrau,
25 J. alt, 1 Ehemann von 28 J., und 11 Kinder sind in diesen letzten 6 Wochen
in Lützsch. gestorben, und noch liegen mehrere Patienten schwer danieder.
Ich selbst ward am 29. Juli von der Krankheit ergriffen, ward 31. Juli bis
zum 5. Aug. bettlägerig (konnte jedoch d. 4. Aug. auf der Stube ein Kind
taufen), und genas mit Gottes Hülfe und unsers Hausarzts geschickte Behandlung
allmählig wieder, fühlte aber, wie alle derg. Patien-ten, noch lange große
Mattigkeit in den Gliedern. Da auch mein Herr Schulmeister Candidat Oertel
an Diarrhoe [=Durchfall d.Ü.] litt, so konnte er am 4. Aug. nicht für mich
predigen, sondern sein 2. Bruder, design. Schulmstr. in Braunsdorf, mußte
hier eine Predigt lesen – die erste Schulmeisterlese seit meinem Amtsantritte!
– Wohl kaum ein Haus ist hier, wo man nicht das Uebel mehr oder minder verspürt
hätte, das auch in Quasnitz und Hänichen, nur bisher nicht so lebensgefährlich,
anzutreffen war. Die Leipz. Medicinalbehörde (Kreisphysicus) nahm natürlich
sehr bald Kenntniß von der Epedemie, und verfügte sich mehrmals an Ort und
Stelle, ordnete Manches an, verbot die öffent. Beerdigungen (wie auch das
Verläuten nunmehr wegfällt; Lei-chenreden werden Sonntags in der Nachmittagskirche
gehalten) usw. Ueber die Ent-stehung dieser rheumatisch-catarrha. Ruhr-Epidemie
urtheilen die Aerzte meist so, daß die dieselbe mit den anhaltenden Ueberschwemmungen
des vor. Frühjahrs und deren Folgen in eine nähere Verbindung setzen. Unser
Kindlein ist wohl nur das ers-te Opfer dieser bösartigen Seuche gewesen,
welche, weit und breit in der Folge vor-handen, nur nirgends den tödtlichen
Charakter annahm, wie hier, wo 7 Erwachsene und 15 Kinder von ihr hingerissen
worden sind. (Ortseinwohnerzahl circa 500)