An dieser Stelle setzen wir die Abschrift der Chronik mit dem Eintrag vom Mai und Juni 1839 - vor 175 Jahren - fort:
Am 1. u. 2. Mai wurde die Eisenbahn-Capitale an die Kirchväter v. Hänichen
u. Lützschena ausgezahlt, um bald sicher ausgeliehen zu werden.
10. Mai, 2. Pfingstfeiertag, Abends nach 7 U. Soeben habe ich unseren H.
Schulmeister, Hn. Candidat . Theol. Oertel mit Jgf. Sophie Hoppe, Nachbarstochter
in Hänichen, verlobt, seiner Mutter Tod hat ihn genöthigt, diesen Schritt
zu beschleunigen. Diese Feiertag waren doppelt, ja dreifach feierlich: denn
nicht allein war gestern kirchlich auch dessen zu gedenken, daß unser guter
König Friedrich August, Tags zuvor sein 42n. Lebensjahr zurückgelegt, sondern
vorallen ward in Leipzig das 300 jähr. Jubelfest der dasigen Kirchenverbesserung
(Luther predigte am Pfingstheilgen Abend u. 1. Pfingsfeiertage in Leipzigs
Schloß- u. Nicolaikirche) mit Festzügen, Gottesdienst u. prachtvolle Illumination
feierlich begangen. Wir auch durften diese besondere festliche Beziehung
nicht übergehen, zumal der verehrte Gerichtsherr uns die, von seiner sel.
Frau Gemahlin Charlotte der Kirche zu Lütz. beim Augsburg. Confessions-Jubilaeo
1830 geschenkte sammtne lichtblaue Kanzel- u. Altarbekleidung (mit e. Aufwande
von 10 Rt.) hatte köstlich dunkelblau färben u. neubereiten lassen, auch,
auf deren Vorgang, ansehn. Beiträge der Gemeinden zusammengekommen waren,
wovon die hies. Armen gespeist u. beschenkt sowie die Schulkinder mit einem
Feste erfreut w. konnten. Die ausführ. Beschreibung dieser fest. Zeit siehe
in den Leipziger Zeitgn. 1839 no. 121 u. ff.
Die Witterung war bis vor 8 Tagen anhaltend trocken u. von lästigem Ostwinde
unzertrenn.; seit dem aber strömte häufiger Landregen hernieder, u. gab
es heute selbst Gewitter: daher die Elster sehr anschwoll u. uns das Waldfutter
verdarb; außerdem giebt es leider auch viele Raupen auf Bäumen (welche herrlich
blühen) u. Sträuchern (Stachelbeer p.): so daß die Aussichten u. Hoffnungen
für dieß Jahr sich abermals sehr mäßigen lassen müssen. Das Getreide kostet
noch immer über 4 Rt. Dabei haben wir große Viehnoth: die Kühe melken wenig,
mit einer sind wir angeführt, u. die Butter ist theuer! Schnecken u, Raupen
verwüsten viel; die Feldmäuse haben ihr zerstörend Werk schon gethan!
27. Mai. Traurige Aussichten! Seit 8 Tagen überschwemmen unsere Flüsse weit
und breit die Aue, u. gefährden die Heuernte, können auch nicht zurück in
ihre Ufer gehen, so lange die fast täglichen Regenschauer sich nicht gänzlich
entfernen. Dabei sieht es auch um die, nun überreich gesättigten Felder
bedenklich aus, besonders auf die jüngst gelegten Kartoffeln; auch ist noch
hier u. da nicht alles gesät. Kurz, die Zeit ist böse, der Herr lehre Jedermann
sich darein schicken!
31. Mai. Seit gestern Mittag stiegen unsere Flüsse so schnell, daß das Wasser
unsern Garten fast bis in alle Vordergänge überschwemmte, u. es fast die
Dämme im herrschaft. Garten - des Dorfes Schutzwehr überstiegen hätte. Auch
von der Mulde, Spree p. sind betrübende Nachrichten von Wasserschäden, Wolkenbrüchen
p. eingegangen! Helfe der Herr weiter!
Der 4e. Juni ward für unsere Gegend, wenigstens einen Theil derselben, unheilvoll:
denn nach einstündigem immerwährendem Donnern am seltsam gestalteten Himmel,
trieb ein Wirrelwind ein fürchtbares Schlossenwetter [Schossen = große hagelkörner
d.Ü.] über Dorf nach Breitenfeld zu, u. richtete an Gärten, Feldern u. zum
Theil auch an Fenstern, großen Schaden an, diesseit der Eisenbahn ward viel
Getreide u. Klee verwüstet. Auch litt der herrschaft. Hopfen ungemein. Zugleich
schoß das Feldwasser an mehreren Orten in gewaltigen Strömen der Niederung
zu, u. drang in mehrere Wohnungen. So ist uns denn nicht nur die Heuernte
(seit 3 Wochen steht die Aue unter Wasser) genommen, auch an Obst- Feld-
u. Gartenfrüchten wird vielleicht großer Abbruch geschehen. Doch, die neulichen
Unwetter im Erzgebirge mögen noch schlimmer gewesen seyn. u. der liebe Gott
wird uns nicht verlassen!
Auch am Abende des 19n. Juni zogen schwere Gewitter heran, wobei einige
große Schlossen8, wie Hagel fielen, doch in ihrer Einzelnheit hier weiter
keinen Schaden anrichteten. Ich kam gerade noch zu rechter Zeit, vom Schulverein
in Rückmarsdorf zurückkehrend, mit meinen Begleitern in der Heimath an.
Sonntags zuvor, d. 16. Juni, war das seit Pfingsten beabsichtigte u. ersehnte,
von schöner Witterung begünstigte Kinderfest, als ein nachträg. Jubelfest
der vor 300 Jahren durch Leipzigs Reformation auch den Kindern zu Theil
gewordnen Gnadenfülle. Mit festlicher Prozession durch die Dörfer mit Erquickungen
(Kaffee, Semmel, Bier, Eier, Schenkungen an Schreibmaterialien p. u. Bildern
v. H. Baron v. SpeckStbg geschenkt p.) Vogelschießen u. Tänzen ward es von
3-9 Uhr Abends gefeiert, u. hatte sich der frohen Theilnahme vieler Erwachsenen
aus der Nähe u. Ferne zu rühmen, welche sich über das gute Verhalten der
Kinder bei der Prozession u. dem übrigen Theile des Fests vielseitig lobend
äußerten s. d. Schulprotokoll sub hoc die [ lat. = „unter diesem Tage“ d.Ü.].