Weißt Du denn noch?

So heißt es meist, wenn sich ältere Leute über Sachen aus ihrer Kinder- und Jugendzeit unterhalten. Dabei verwenden sie oft Begriffe, die junge Leute heute selten verstehen, geht es doch um Ereignisse, die 50 oder mehr Jahre zurückliegen. Hier kann ich mitreden, wurde ich doch 1940 in Schkeuditz geboren, erlebte dort die letzten Kriegstage und die schweren Jahre der Nachkriegszeit. 1960 zog ich nach Lützschena, wo ich jetzt über 53 Jahre wohne. Nun habe ich mich entschlossen, in einer Folge von Beiträgen für den Auen-Kurier einige dieser Begriffe zu beschreiben, dabei auch ein Bild jener Zeit zu zeichnen. Mancher Mitbürger meines Alters wird sagen: „Ja, so war das, jetzt erinnere ich mich auch. Der Kampf um das tägliche Brot bestimmte unser Leben.“ Und junge Leser werden anhand der Berichte eines Zeitzeugen feststellen, dass ihnen heute viel Mühsal erspart wird, ihre Sorgen nicht vergleichbar sind mit denen, die wir einst hatten. Manches, was ich hier beschreibe, ist auch ein Stück Heimatgeschichte, die es zu bewahren gilt. Ich hoffe, dass ich Sie neugierig gemacht habe und bin neugierig, wie Sie über mein Vorhaben denken.
Horst Pawlitzky

Ofenheizung

ist ein Begriff, mit dem junge Leute nur wenig anzufangen wissen. Dabei war die Heizung der Wohnungen mit Öfen in der DDR die am meisten angewandte Methode, denn nur wenige Bürger kamen in den Genuss einer Zentralheizung. Entweder wohnten sie in Häusern, die an die Fernwärmeversorgung angeschlossen waren oder über eine separate Heizungsanlage verfügten. In Lützschena wurden z.B. die Häuser Bahnstraße 18 bis 20, die für Angestellte der Brauerei gebaut wurden, mit Öfen geheizt, aber das Haus Bahnstraße 17, das leitende Mitarbeiter der Brauerei bewohnten, wurde mit Wärme aus der Brauerei versorgt.

Unsere Familie wohnte viele Jahre in der Bahnstraße 18. Im Wohnzimmer stand ein Kachelofen, ein so genannter Berliner Ofen, wie hier links einer abgebildet ist. Innen war er aus Schamottesteinen so gebaut, dass mehrere Züge entstanden, in denen die Verbrennungsgase so geführt wurden, dass sich der Ofen von innen her gleichmäßig erwärmte. Die in ihm nun gespeicherte Wärme wurde dann langsam an die Umgebung abgegeben, auch wenn das Feuer im Brennraum schon lange erloschen war. Bedienung und Wartung der Öfen waren nicht einfach und musste geübt sein. Um das Feuer anzuzünden legte man zuerst Zeitungspapier auf den Rost und darauf Holz, das möglichst fein gespalten war, damit es rasch brannte. Nachdem das Feuer so entzündet war musste man warten bis das Holz gut brannte. Dann erst konnte man Briketts als eigentliches Brennmaterial auflegen. Die Tür zum Brennraum musste nun geschlossen werden, die Tür am Aschekasten blieb jedoch offen, so dass immer genug Luft für eine vollständige Verbrennung zur Verfügung stand. Erst danach konnte man alle Türen am Ofen zuschrauben. Beachtete man das nicht, so konnte das gefährliche Kohlenmonoxid entstehen, was oft zu tödlichen Unfällen bei den Bewohnern führte, besonders dann, wenn der Ofen nicht vollständig dicht war. Es dauerte eine ganze Weile, bis der Ofen so weit aufgeheizt war, dass er seine Wärme ins Zimmer abgab. Das war ärgerlich, denn kam man nachmittags von der Arbeit, so hieß es erst Feuer machen und warten bis es im Raum warm wurde. Behaglich war es erst dann, wenn man schon ins Bett musste. Morgens Feuer anzumachen, vor allem wenn man zur Arbeit musste, hatte keinen Sinn, denn man konnte nicht warten bis alles durchgebrannt war und der Ofen zugeschraubt werden konnte. Außerdem war er schon fast wieder kalt wenn man von der Arbeit heimkam. Hinzu kam, dass man täglich die Asche entfernen musste und Holz und Kohlen aus dem Keller zu schleppen hatte. An kalten Wintertagen lag der Verbrauch bei 10 bis 12 Briketts, also ein voller Eimer.


Einmal im Jahr nach dem Ende Heizperiode musste der Ofen gereinigt werden. Ruß, der sich im Innern angesetzt hatte, war zu entfernen, denn er behinderte den Wärmeübergang und damit die Heizleistung des Ofens. Weiter setzte sich an den tiefer gelegenen oder waagerechten Stellen der Züge Flugasche ab, was den Saugzug der Luft behinderte. Um diese Arbeit erledigen zu können gab es an den Öfen Deckel, die sich entfernen ließen. Außerdem war es möglich an der Oberseite eine Platte abzunehmen. Von oben nach unten wurde nun mit einem Gänseflügel oder einem kleinen Besen der Ofen gekehrt und an der tiefsten Stelle das Gemisch aus Ruß und Asche entnommen. Es ist gut vorstellbar, dass man trotz aller Vorsicht hinterher aussah wie ein Schornsteinfeger und die Aktion auch in dem betroffenen Raum ihre Spuren hinterließ. Zum Schluss hieß es die entfernten Platten und Deckel wieder einzusetzen, wozu als Kleber ein Gemisch aus Lehm und Schamottemehl mit Wasser angerührt wurde, denn der Ofen sollte ja wieder dicht sein.

In der Küche wurde mit einem solchen Herd gekocht und dabei gleichzeitig geheizt, denn nicht nur der Herd strahlte seine Wärme ab, sondern auch das Ofenrohr, welches ca. 1 m senkrecht und dann waagerecht zum Schornstein führte, also zusätzlich Wärme abgab. Für unsere an Zentralheizungen gewöhnten Enkel war es immer ein besonderes Erlebnis, wenn sie durch die geöffnete Herdtür das Feuer beobachten konnten und zusahen, wie das verbrannte, was sie da hineinwerfen durften. Und beeindruckend war es für sie auch, wie das Wasser zischte und verdampfte, wenn man es auf die heiße Herdplatte spritzte. Das Reinigen des Herdes war leichter, denn man kam an die kritischen Stellen leichter heran. Die Ofenrohre wurden abgenommen und konnten im Freien über dem Müllkübel gesäubert werden. Dazu gab es in jedem Haushalt einen Drahtbesen, der im Durchmesser etwas größer war als das Rohr und sich an einem langen Drahtstiel befand. Zum Glück hatte unsere Wohnung neben dem Kohleherd noch einen Gasherd, auf dem in den Sommermonaten gekocht werden konnte ohne die Küche unnötig zu heizen.

In den Kinderzimmern standen kleine Dauerbrandöfen, die weniger Platz als ein Berliner Ofen benötigten, außerdem leichter zu bedienen und zu reinigen waren und ihre Wärme schneller abgaben. Im Schlafzimmern aber gab es keinen Ofen, so dass es schon mal vorkam, dass Eisblumen nicht nur a Fenstern, sondern auch an den Wänden blühten und das Wasser in den Blumenvasen zu Eis erstarrte. Bloß gut, dass das jetzt vorbei ist!


Dort, wo es ein Bad in der Wohnung gab, sah es darin meist so aus. Zum Erwärmen des Wassers diente ein röhrenförmiger Badeofen, durch den in der Mitte das Rauchrohr führte. Beheizt wurde er mit Kohle. Da die Außenwände des Wasserbehälters nicht isoliert waren und das Ofenrohr durch den Raum ging heizte er gleichzeitig das Zimmer. Für das Füllen der Wanne brauchte man fast den gesamten Warmwasservorrat, so dass es eine ganze Weile dauerte, bis wieder genügend warmes Wasser zur Verfügung stand und der nächste in die Wanne steigen konnte. In vielen Familien hieß es „Am Freitag wird gebadet!“, denn man wollte ja sauber in das Wochenende gehen. An mehreren Tage zu duschen oder zu baden war wegen der Arbeit beim Betrieb der Badeöfen ein Luxus, den man sich nicht leisten wollte oder konnte. Außerdem gab es in den Jahren nach dem Krieg Kohlen und Brennholz auf Marken, so dass man sich genau überlegen musste, wofür man die knappe Zuteilung verwendet.


Nun weiß ich nicht, ob es in den Häusern in der Gartenstadt auch so aussah wie im Haus Bahnstraße 5. Hier gab es im Obergeschoss ein Badezimmer mit einer Wanne, aber nicht so einen Badeofen wie hier beschrieben. Vielmehr stand in dem Raum ein Waschkessel, in dem das Wasser erwärmt wurde. Mit einer großen Schöpfkelle wurde es in die Wanne befördert. Und sicher gab es auch Wohnungen, wo nicht einmal das vorhanden war. Als Alternative gab es für deren Bewohner die Möglichkeit am Sonnabend das „Volksbad“ aufzusuchen. Es war im Kellergeschoss der Schule am Bildersaal, wo man gegen ein geringes Entgelt in die Wanne steigen konnte.

Text: Horst Pawlitzky