Prof. Dr. Gerhard Graf – verbunden mit Geschichte und Tradition

Spätestens seit Erscheinen der Broschüre „ ...des Krieges Elend.“ im November 2012 ist jedem Bürger unserer Umgebung der kirchenkundige Professor bekannt. Bekannt ist er aber auch Fachleuten in ganz Deutschland. Denn Kirchengeschichte, Kirchenbaudenkmale und viele Gegenstände in Kirchen, die von hohem handwerklichen Können und christlicher Tradition Zeugnis geben, sind Prof. Graf bestens geläufig. Ein umfangreiches Wissen über die Zusammenhänge christlicher Religion und der Geschichte, verbunden mit Kirchenbauten, als auch Kenntnis der Lebensumstände der Zivilbevölkerung, sind dem Professor eigen. Sein Lebensweg ist gekennzeichnet in vielen Funktionen für alle aufgezählten Belange.
Aufgewachsen in einem christlichen Elternhaus erfuhr Gerhard Graf (geb. 1943) sehr früh Daten und Berichte über die Christenheit. Zahlreiche Miniaturmalereien (kleinformatig gemalte Porträts) seiner Ahnen und Ölgemälde (z. B. Ururgroßvater war Pfarrer) begleiteten seine wohnliche Umgebung und tun es heute noch. Das Interesse für Kirche und Geschichte war zeitig geweckt worden. Trotzdem wählte Gerhard Graf den Beruf des Glasmalers, diese Lehre dauerte drei Jahre, die er erfolgreich beendete. Während der Lehre kam er vor allem mit der Erneuerung von Kirchenfenstern in Berührung. Das ließ ihn nicht mehr los. Sein Lehrmeister (Fa. Stokinger in Leipzig) musste sich aber von seinem Wunsch, diesen handwerklich geschickten und kulturhistorisch begabten Gesellen einmal als seinen Nachfolger zu sehen, sehr bald verabschieden. Denn Gerhard Graf begann das Studium am Theologischen Seminar in Leipzig. In dieser Zeit wurde das Abitur nachgeholt, er studierte die Sprachen Latein, Altgriechisch, Hebräisch und natürlich Theologie im weitesten Sinne. Besonders hatten es ihm die Kirchengeschichte, sächsische Landeskirchengeschichte und die Kirchenausstattung angetan.
Dem Examen 1968 schloss sich ein Forschungsstudium, das Vikariat und bis 1980 eine Assistentur im Fach Kirchengeschichte am Seminar an. Danach war er Leiter der dortigen Bibliothek und baute sie aus (heute eingegliedert in die Universitätsbibliothek). Auch diese Arbeit führte zu immer weiteren Vervollkommnung der Kenntnisse über Kirchengeschichte. Gerhard Graf wurde 1976 promoviert; 1998 habilitierte er sich an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald.
Zugleich war Gerhard Graf von 1976 - 1985 Pfarrer in der Michaeliskirchgemeinde in Leipzig (hauptsächlich Predigten und Bibelstunden). Aber die praktische Erfahrung im Beruf des Glasmalers ließ ihn nicht los. In den 1970er Jahren restaurierte er die Fenster seiner Michaeliskirche und vieles mehr, was an Instandsetzungen nötig war. Das genügte ihm nicht. Zunehmend besichtigte er, Dozent für Kirchengeschichte, seit 1990 viele Kirchen in der Umgebung Leipzigs, in Sachsen und kennt inzwischen Hunderte von Kirchen, Kathedralen und Dorfkirchen in Deutschland, Frankreich und Italien. Seine Studenten erlebten auf zahlreichen Exkursionen gleichzeitig Theorie und Praxis der Kirchengeschichte.
Im Jahr 2003 erfolgte für Dr. Graf die Berufung zum Professor für Kirchengeschichte an der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig. Bis 2008 war er im Amt, dann begann die Emeritierung. Auch nach der Emeritierung und bis jetzt noch ist Prof. Graf neben seiner Lehr- und Forschungstätigkeit auf dem Gebiet der Bauberatung, der Kirchenausstattung und Restaurierung aktiv. Er arbeitet ehrenamtlich in der landeskirchengeschichtlichen Forschung und hat dadurch weiterhin Kontakt mit anderen Wissenschaftszweigen, z. B. mit der Archäologie und Namenkunde. Seit 2013 ist er wissenschaftlicher Beirat für die große Ausstellung 1.000 Jahre Leipzig 2015.
Natürlich interessieren den Kirchengeschichtler und Glasmaler Prof. Graf auch die Kirchen in seiner nächsten Wohngegend. So wurden in Wahren die Gnadenkirche, und die Friedhofskapelle, die Kirche in Freiroda, die Schlosskirche und die Hainkirche in Lützschena zu den Objekten, die besonders eine Restaurierung nötig hatten und die Hilfe durch den Kenner und den handwerklichen Könner erfuhren.
Zuletzt erhielten 2011/12 die holzverglasten Fenster der Schlosskirche in Lützschena ihren ursprünglichen Charakter zurück. Zuvor war die über 800 Jahre alte Hainkirche von 2009 bis 2011 Gegenstand einer umfangreichen Restaurierung. Zahlreiche Baufachleute sorgten für eine geschichtlich genaue Innenrenovierung. Auch hier hatte Prof. Graf großen Einfluss auf originalgetreue Wiederherstellung der Kostbarkeiten. Er weiß, dass diese christlichen Kulturdenkmale unbedingt zu erhalten sind und gab deshalb jeweils nach Abschluss der Arbeiten ein erklärendes Heft oder Faltblatt heraus.
Leipzig begeht 2013 das Gedenken über 200 Jahre Völkerschlacht. Damals leitete die Schlacht bei Möckern das Ende der napoleonischen Macht, die über viele Völker und Länder Unheil gebracht hatte, ein. In vielen Berichten wird hauptsächlich der Sieg der verbündeten Truppen am 16. Oktober 1813 gefeiert, und vor allem werden die Heerführer wie Blücher, Yorck von Wartenburg, Gneisenau u. a. als Helden erwähnt. Doch das Schicksal der Zivilbevölkerung interessierte bisher kaum. Deshalb hat Prof. Graf unterschiedliche zeitgenössische Berichte zur Schlacht bei Möckern in den Kirchenbüchern und Archiven zu den Orten Hänichen, Quasnitz, Lützschena, Lindenthal, Breitenfeld, Stahmeln, Wahren und Möckern studiert, sortiert und schließlich aufgearbeitet in der Broschüre „...des Krieges Elend.“ allen Mitbürgern verständlich niedergeschrieben. Mit der weiteren Aufarbeitung der Geschichte seiner (unserer) Heimat hat er noch viele Pläne.

Wir wünschen Herrn Prof. Dr. Graf beste Gesundheit und frohe Schaffenskraft.
Mit Prof. Dr. Graf unterhielt sich Frau Dr. A. Neumann vom Auen-Kurier