Nachruf Ilse Freifrau Speck von Sternburg
Ein Mensch, der eine hohe Bedeutung für die Geschichte unser Ortschaft und das kulturelle Leben der Stadt Leipzig hat, lebt nicht mehr. Am 4. November 2012, zwei Tage nach ihrem 102. Geburtstag, ist Ilse Freifrau Speck von Sternburg, geb. Eckhardt, in Sulingen gestorben. Geboren wurde sie am 2. November 1910 in Leipzig. Während des 2. Weltkrieges und bis kurz nach seinem Ende lebte sie in dem Schloss der Sternburg´s in Lützschena. Hier galt ihre Sorge dem Schutz der Kunstgegenstände, die sich in dem Schloss befanden. Einen Teil der zahlreichen Gemälde ließ sie in dem bombensicheren Safe der Commerzbank in Annaberg im Erzgebirge unterbringen, den anderen Teil im Safe des Schlosses bzw. einem großen Kellerraum dort.
Polnische Zwangsarbeiter, die auf dem Gut Lützschena arbeiten mussten, erkannten den Wert der Bilder und schützen beim Zusammenbruch der Naziherrschaft im April 1945 das Schloss vor der Plünderung. So war es möglich, die im Haus befindlichen Gemälde wieder an ihren Platz in den Wohnräumen zu bringen. Als am 18. April amerikanische Truppen nach Lützschena kamen wussten sie offenbar nichts von den Schätzen im Schloss, ließen sie unangetastet. Anders, als am 2.Juli Soldaten der Roten Armee hier einrückten und sich auch im Schloss einquartierten. Hier zeigte sich, wie pfiffig die Baronesse war, denn sie erklärte auf die Fragen der Besatzer, dass die Gemälde wenig wert seien, denn es handle sich bei ihnen um Familienbilder oder billige Kopien. Besonderen Wagemut zeigte sie, als sie mit einem geborgten Auto nach Annaberg fuhr, um die dort ausgelagerten Bilder zurück zu holen, bevor es dort zu Plünderungen kam.
Gemäß der Verordnung der Provinz Sachsen vom 3. September 1945 wurde die Bodenreform durchgeführt, was bedeutete, dass die Familie von Sternburg ihren gesamten Besitz an Immobilien verlor. Kurz bevor seine Bewohner das Schloss in Lützschena verlassen mussten und nur das Inventar mitnehmen durften, die Kunstwerke wegen ihres Umfangs aber hätten zurückbleiben müssen, brachte Frau von Sternburg sie mit der Straßenbahn oder per Handwagen nach Stahmeln. Dort wurden sie im Gutshause der Familie Rauer vorübergehend untergebracht, denn sie war von der Bodenreform nicht betroffen. Ende Oktober 1945 wurde die Kunstsammlung vom Museum der bildenden Künste nach Leipzig gebracht, weil sie in Stahmeln nicht bleiben konnte.
Auch mit ihrer Zustimmung wurde die Maximilian Speck von Sternburg Stiftung am 12. November 1996 in Leipzig gegründet. Sie ist eine der wenigen Initiativen, die den privaten Eigentumsanspruch an in der DDR enteignetem Kunstgut wieder verwirklicht und zugleich dem betroffenen Museum seine Kunstwerke erhält. Ihr Neffe Wolf-Dietrich Freiherr Speck von Sternburg ist der Präsident der Stiftung, die 202 Gemälde, 126 Zeichnungen, mehr als 500 druckgraphische Blätter sowie einen hervorragenden Bestand an illustrierten Büchern und Kunstliteratur umfasst, einen geschätzten Versicherungswert von ca. 50 Mio. €. besitzt. Das Verdienst der Freifrau Ilse Speck von Sternburg ist es also auch, dass die Kunstwerke aus Lützschena ein wesentliches Herzstück Gemäldesammlung des Museums der bildenden Künste in Leipzig darstellen. Dafür, dass sie sich für die Rettung der Sternburg-Sammlung und ihren öffentlichen Zugang einsetzte, soll ihr an dieser Stelle gedankt werden.
Ortschaftsrat Lützschena-Stahmeln
Heimatverein Lützschena-Stahmeln e.V.