Da die Chronik von 1861 für den Monat Mai keinen Eintrag aufweist, fügen wir an dieser Stelle und mit aktuellem Bezug Abschnitte aus der Chronik von 1847 ein:
d. 13. Mai Himmelfahrt, u. zugleich das, von der anhaltend fruchtbarn schönen Frühlingswitterung (mit einigen Gewittern schon begleitet) gleichfalls begünstigte Weihefest der von unserem Herrn Baron begründeten hiesigen Kleinkinderbewahranstalt, wozu derselbe mehrere Leipziger Freunde - auch unsern neuen H. Kirchenrath Dr. Schmidt nebst Familie, eingeladen hatte. Wir alle zogen, die 15 kleinen (Kinder 3-5 J.), gekleidet in ihre neuen Anstalts-Ueberwürfe (Kappen), und mit ihren Marschir-Fähnchen, voran, ins freundliche Gothische Haus hinaus, wo meinem Weiheworte H. Dr. Sch. Dank u. Segenswunsch folgen ließ, u. die Kindlein, nach einigen Uebungen, auch mit Kaffee u. Kuchen erfreut wurden. Dann brachte die ganze Gesellschaft noch mehrere vergnügte Stunden im Anschauen der Gemälde, bei der splendiden
Gartentafel und im Park zu (wo die Dübenschen Husarentrompeter, welche im Gasthof conzertirten, uns sehr mit ihren schönen Melodien überraschten. Gott segne u. fördere das gute Werk u. dessen würdige Vorsteherin, die verwittw. Frau Hauptm. v. Schlegel, der der H. Baron, ich u. meine Gattin, so wie der H. Schullehrer Mocker als Vorstand hülfreich zur Seite stehen. Bisher wurde freilich noch alles aus Kosten des H. Barons besorgt; später soll für 1 Kind täglich nur ein Dreier verlangt werden, gewiß ein sehr Geringes für die lieb. u. geistige Pflege, welche sie draußen empfangen.
d. 16. Mai. In der jüngst angestellten 3n. Armenlotterie sind noch über 15 Thaler erlangt worden (über 400 Loose á 1 Ngr. bei einigen 70 Gewinnsten, wozu auch unser H. Gerichtsdirector Günther mehrere gesendet hatte).
Die Baumblüthe ist sehr reich u. schön, und verspricht eine gute Obsternte, wenn Gott ferner Gnade giebt. Doch die Getreidepreise sind noch immer sehr hoch, 1 Scheff. Roggen 9 Rt. u. mehr. Das Russische Getreide scheint noch nicht so schnell eintreffen zu können. Im Würtembergisch. u. andernwärts hat man sogar die gesteckten Saamenkartoffeln wieder herausgerissen, so daß Wache nöthig geworden ist!
d. 22. Mai. (Pfingst Heiliger Abend.) Heute Nachmittag gegen 4 Uhr konnte der Hänicher Kirchthurm bereits gerichtet werden, wozu sich fast sämmt. Nachbarn u. Männer v. H. u. Q., wie auch einige benachbarte Gemeindeglieder eingefunden hatten - mit mir mein Reschen. Wir sangen von : “ Sei Lob u. Ehr p. Str. 1. 2. u. 9., dann recitierte der jüngste Sohn des Zimmermeisters August Kundt, der am Thurme mitgearbeitet hatte, das von Pastor Oertel in GDölzig gedichtete tröstliche Weihewort, worauf ein herzliches: “Nun danket alle Gott p.” die Feier beschloß.
(Der Thurm ist v. Dach bis zur Spitze c. 30 El . hoch, 11 El. höher als der vorige u. 50 Ellen über der Erde wird noch unter der Kuppel ein kleines Observatorium angebracht.)
Mit schöner Witterung naht das Pfingstfest; doch haben die Raupen schon einige Verwüstung angerichtet: daher die Obrigkeit ihnen den gesetzlichen Krieg erklärt hat. -
23.24. bei 25° Hitze! Schönes, aber sehr warmes Pfingstfest (an 25 ° W.). Am 2n. Feiert. war in Hänichen Vormittags das letzte Abendmahl, Nachmitt. die letzte Betstunde (Text der Altarred.: Pslm. 118. ) vor dem inneren Neubau der Kirche; vom Trinit. Fest an ist Gemeinschaftsgottesdienst für alle 3 Gemeinden, der um 8 Uhr s. Anfang nimmt.
Am 25. Mai überzogen nach ersten schwülen Morgenstunden plötzlich weiße Wolken unter heftigem Sturme den Himmel, zugleich ward Wald u. Aue einem bläulichen Dunst gehüllt, der nach Schwefel roch, u. bis in die Nacht anhielt, daher die Sonne blutig unter- der Mond eben so auf- und weiterging - eine furchtbare atmosphärische Erscheinung, wie vor einem Erdbeben. Da das Korn erst zu bleichen anfängt, schadet wohl der böse Nebel ihm nicht, so wenig wie den Obstbäumen, die schon abgeblüht haben. (In Berlin hat es vor 6 u. früh gehagelt!)
d. 28. Mai. Heute Nachmittag versammelte unser H. Baron zur 1st. Conferenz in der Kleinkinderbewahranstalt deren, ihm zugeordnetee Vorstandsmitglieder: den Schullehrer Mocker (dessen 5 Wöchenkindchen ich Abends begrub, worauf ich das gestorbenene 9 Wochenkind des katho. Braumeisters gleichfalls abholte u. segnete), H. u. Ortsvorstand Krell u. Frau, Hn. Amtmann Hieronymi, mich u. meine Frau; wir bewunderten die großen Fortschritte, welche die Kinder in ihrer geistigen Entwicklung seit den wenigen Wochen der Aufnahme dieser Kleinen gemacht hatten.