Neue Erkenntnisse über die Weihe des Altars der Hainkirche im Jahr 1321

 

Bei dem Kirchenumbau 1906 entdeckte man inmitten der steinernen Altarplatte einen Schacht, das so genannte Sepulcrum [lat.; eigentlich: Grab]. Darin befanden sich ein kurz nach der Bergung zerbrochenes Siegel aus Wachs, sowie Reliquien, die den Heiligen Gregorius, Marinus, Cassianus und den Elftausend Jungfrauen zugeschrieben waren, und außerdem der nachstehend abgebildete Pergamentstreifen [22,2 x 1,8 cm], der die Weihe des Altars beurkundete:

 

 

Foto: Ch. Sandig, Leipzig

 

Die Übersetzung der lateinischen Kurzschrift berichtet folgendes:

        »Im Jahr des Herrn 1321 ist am Freitag nach dem Sonntag Jubilate [demnach am 15. Mai] dieser Altar zur Ehre der seligen Jungfrau Maria und des heiligen Märtyrers Vinzenz geweiht worden durch den verehrungswürdigen Herrn Bruder Ludwig, Bischof von Marronia, im Einvernehmen des hochwürdigen Herrn Gebhard, des bestätigten Erwählten der Merseburger Kirche.«

 

Zur geschichtlichen Einordnung

        Das Kirchenrecht sah vor, dass jedes Bistum jeweils nur einen Bischof als Leiter haben  sollte. Deshalb hätte eigentlich Bischof  Gebhard von Schraplau, amtierend 1320 bis 1340, in der zu seinem Bistum Merseburg zählenden Kirche von Hänichen 1321 die Altarweihe selbst vornehmen müssen. Aber er war zu diesem Zeitpunkt der bisher nur erwählte und bestätigte, jedoch noch nicht der geweihte Bischof. Er musste daher einen Stellvertreter finden und entsandte als Hilfs- bzw. Weihbischof den Amtsbruder Ludwig mit der für Deutschland auffälligen Bezeichnung eines Bischofs von Marronia. Dem Namen nach verband sich damit kaum mehr als ein leerer Titel, denn das Bistum Marronia lag fernab in Griechenland an der thrakischen Küste, wurde zwangsweise während der Kreuzzugszeit römisch-katholisch und war inzwischen wieder in byzantinischem Besitz. Kirchenrechtlich war jedoch der Anspruch dieses Titels nicht erloschen und damit Ludwig von Marronia legitimiert zur Ausübung seiner bischöflichen Funktion auch in anderen Bistümern. Von Haus aus gehörte Weihbischof Ludwig zum Bettelorden der Augustinereremiten. Seine Grabplatte im Erfurter Kloster dieses Ordens nennt das Todesjahr 1323. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang noch, dass Martin Luther am 17. Juli 1505 in ebendieses Kloster eintrat.

 

Der Weihename der Hainkirche

        Da das Kirchengebäude, wie beispielhaft die romanischen Fenster zeigen, 1321 schon etwa 100 Jahre gottesdienstlich genutzt wurde, sollte man bei der Altarweihe des erwähnten Jahres nur von einem erneuernden Akt, vielleicht nach durchgeführten Baumaßnahmen, ausgehen. Die dabei zuerst an Maria erfolgte Widmung war üblicher Gebrauch, entscheidend für die speziell gewünschte Schutzherrschaft, das so genannte Patrozinium, war dagegen der anschließend erwähnte Name. Er bezieht sich hier auf den spanischen Märtyrer Vinzenz von Saragossa (†304 als Opfer der Christenverfolgung unter dem römischen Kaiser Diokletian; jährlicher Gedenktag 22.Januar). Es ist möglich, dass dieses Patrozinium bereits für den ältesten Kirchenbau gegolten hatte, d.h. dass man 1321 keinen Wechsel in der Schutzherrschaft vornahm. Allerdings fehlt dafür ein zwingender Beweis, denn unterdessen ist auch der Grund, weshalb man den hl. Vinzenz bereits um 1200 wählte, nicht mehr eindeutig zu ermitteln. Insofern bleibt die dem Hauptaltar beigelegte Urkunde von 1321 die erste sichere Auskunft, dass es sich bei dem hiesigen Kirchengebäude um eine alte Vinzenzkirche handelt.

Daran anknüpfend beschloss der Kirchenvorstand Anfang diesen Jahres, dass die Kirche von Hänichen zukünftig den Namen „Hainkirche – St. Vinzenz“ tragen soll.

 

Bereits jetzt sollten sich alle das Wochenende vom 21. und 22. Mai dieses Jahres vormerken. Eine Woche nach dem Sonntag Jubilate 2011 wird der Abschluss der Innenerneuerung mit der Kirchweihe und einem Gemeindefest groß gefeiert. Nähere Informationen dazu folgen in den nächsten Ausgaben des Auenkuriers.

 

Prof. Gerhard Graf - Kirchenhistoriker - , Steffen Berlich – Kirchenvorstand -