Menschen unserer Heimat und
ihre Wege
„Meine Wurzeln liegen in Lützschena“
Es ist schon eine Weile her,
da Siegfried Scholz hier in
Lützschena zu hause war und trotzdem – es ist seine Heimat geblieben.
Im Juli 1947 wird er geboren.
Seine Eltern sind Flüchtlinge und sie haben noch weniger als die anderen. So
wächst er in sehr bescheidenen Verhältnissen auf und stellt rückblickend fest,
dass er dennoch nicht wirklich entbehren musste. Bockwurst und rote Limonade
zum Kindertag- das war was ganz Großartiges! Deswegen wohl hat er es auch bis
heute nicht vergessen. Er fühlte sich frei und war glücklich.
Gern war er unterwegs,
draußen in der Natur, mit Freunden zusammen. Erst Dunkelheit, Hunger oder auch
mal das Wetter unterbrachen seine unbeschwerten Stunden und trieben ihn nach
hause.
Ja natürlich, er musste auch
mit ran: im Garten, auf dem Feld, den Wiesen. Es gab immer zu tun, aber von
nichts kommt nichts. Die Hilfe beim Bauern brachte zusätzliches Getreide und beim
Schlachten etwas Fleisch auf den Tisch. Wirklich gern hat er das nicht gemacht.
Lieber ging er baden, am
Kanal meistens - da war es kostenlos. Ansonsten kostete der Eintritt 10 Pfennig
und für das Fahrrad waren noch mal 10 Pfennig fällig. Auch das hat er bis heute
nicht vergessen.
Zunächst besucht er die
Ostschule, später die Westschule. Nein, ein Streber war er nicht, er hat sich
eher etwas gehen lassen, auch wenn es seine Freunde Christoph Schneider, Stefan
Rauwald, Martin Göhler oder Rainer Berghoff anders gesehen haben. Richtig auf
den Hosenboden gesetzt und gelernt, das hat er nicht. Erst mit dem nahenden Ende der Schulzeit geht
er es straff an. Dabei hat sich Siegfried Scholz ohnehin für Geographie,
Geschichte und Literatur interessiert. Auch Mathe und Physik waren sein
Ding. Nach der Schule wird er
Facharbeiter für Kühlanlagenbau in Schkeuditz und legt an der Abendschule das
Abitur ab.
Dann geht er nach Glauchau /
Sachsen und beendet als Dipl.-Ingenieur
für Anlagenbau sein Studium.
Als Projektingenieur im
Maschinen- und Apparatebau Schkeuditz sucht er 1969 nun eine Wohnung für sich
und seine damalige Verlobte, später Ehefrau Rena. Mit einem Inserat in der
FDGB-Zeitschrift „Tribüne“ trifft er ins Schwarze und bekommt mehrere Angebote.
Dabei ist auch Bad Schmiedeberg.
Dort zieht er in eine kleine
Wohnung im Oberstübchen des Kurhauses ein, nicht ahnend, dass nun die Weichen
gestellt sind. Als 23-jähriger wird er 1970 technischer Leiter im Eisenmoorbad.
Bedingt durch die Mangelwirtschaft ist Kreativität gefragt. Aber auch Visionen,
der Mut neue Wege zu gehen
und Zielstrebigkeit gehören dazu.
Im Vergleich zu anderen Kurhäusern
ist es um das Eisenmoorbad gut bestellt.
Kontakte zu Patienten, die in Betrieben und Kombinaten in leitenden Positionen stehen,
werden genutzt, um das Kurbad mit Dingen zu versorgen, die üblich nicht zu
bekommen sind.
Mit 2 Kindern vergrößert sich
die Familie Scholz. Seine Frau und er berufstätig- es hindert ihn nicht sich
auch seinen Interessen zu widmen und so lässt er sich auf ein Fernstudium für Rechtswissenschaften
/ Wirtschaftsrecht ein. Und die Arbeit im Kurhaus fordert ihn täglich.
Mit der Wende stehen prompt
Interessenten von Klinikkonzernen auf der Matte und strecken ihre Fühler
Richtung Bad Schmiedeberg aus. Das Eisenmoorbad wird nicht hergegeben.
Als Siegfried Scholz
angesprochen wird, mit Verantwortung zu übernehmen, beschränkt er es auf ein
Jahr, dann wird man weiter sehen. Später blickt er auf fast 40 Jahre zurück.
Als Geschäftsführer und
Kurdirektor kämpfte er gegen provinzielles Denken, lässt sich gut beraten von
einem erfahrenen ehemaligen Kollegen und ist bemüht Gleichgesinnte unter seinen
Mitarbeitern für seine Ideen zu gewinnen. Und es gelingt ihm hervorragend. Der
Strukturwandel ist enorm und das Risiko – mit dem musst du leben.
„Ein Unternehmen lebt nicht
von der Bestandspflege, sondern von einem maßvollen Wachstum“- so erklärte Siegfried
Scholz seine erfolgreiche Strategie und die Zahlen sprechen für sich: über 170
Millionen Euro Investitionen in die Infrastruktur der Kur GmbH seit 1990 und 30
Mio. Umsatz im Jahr. Das Eisenmoorbad ist marktführend im Osten Deutschland und
bietet als einziges Heilbad deutschlandweit ganzjährig die Kneipp-Therapie an.
Mit 470 Angestellten ist eines der größten Arbeitgeber in der Region
Sachsen-Anhalt.
In seiner Zeit als Kurdirektor
erhält Bad Schmiedeberg drei Prädikatisierungen, als Moor-, Mineral- und
Kneippheilbad. In Deutschland gibt es keinen höher prädikatisierten Kurort.
In Anerkennung seiner
Verdienste um die Entwicklung der Kur wird, zum 1.Mal durch die Stadt überhaupt, ihm im Juli 2009 die Ehrenbürgerwürde
verliehen. August 2009 geht er in den Ruhestand.
Im Oktober 2009 wurde
Siegfried Scholz für sein Engagement als Geschäftsführer der Eisenmoorbad Kur
GmbH sowie für seine ehrenamtlichen Aktivitäten zum Wohl der Allgemeinheit mit
dem Bundesverdienstorden ausgezeichnet.
Gern kommt er her zu den
Klassentreffen, die nun schon häufiger sind. Und es freut ihn zu sehen und zu
erleben, dass viele in der gemeinsamen Heimat geblieben sind. Lützschena
berührt ihn angenehm, so auch die Gartenstadt mit ihrem Flair. Und es stimmt
ihn traurig, wenn er sieht wie so ein großartiges Industriedenkmal wie die
Sternburg-Brauerei verfällt. Wenn er darüber spricht, hört man seinen großen
Respekt vor den Leistungen dieses Unternehmens zu seiner Zeit.
Und was verbindet ihn heute
mit Lützschena?
„Es ist ein Unterschied, wo
du geboren bist und wo du lange lebst. Es ist ein Gefühl, eine innere
Beziehung, die man nicht beschreiben kann. Es sind die Wurzeln, meine Wurzeln
sind dort.“
Wir danken Herrn Siegfried
Scholz für das ausführliche Gespräch.
Heimatverein
Liebe Leserinnen und Leser
des Auen-Kurier!
Unter dem Motto „Menschen
unserer Heimat und ihre Wege“ möchten wir gern in loser Folge weiter berichten.
Wenn Sie uns Vorschläge dazu
machen möchten, wir würden uns sehr freuen.
Heimatverein 461 59 96