Susan Hastings Romanbiografie „Der Wollhändler“
Die packende Geschichte eines Weltbürgers
Die Leipziger Autorin,
Jahrgang 1954, betreute in ihrer beruflichen Laufbahn längere Zeit sachkundig
die Auwaldstation in Lützschena. Dann aber widmete
sich die studierte Geologin Susan Hastings dem Schreiben. Vorrangig in der
Historie findet sie inzwischen die Stoffe ihrer Romane.
Während ihrer Tätigkeit in der
Auwald-Station fand die Autorin Zugang zum einzigartigen Schlosspark in Lützschena sowie zur Familiengeschichte der Sternburgs.
Susan Hastings ließ sich vom wechselvollen, spannenden Leben des Kaufmanns,
Agrarpioniers und Kunstsammlers Maximilian Freiherr Speck von Sternburg
(1776-1856) faszinieren. Das inspirierte sie zu ihrem Roman „Der Wollhändler“, in dem sie die
Geschichte dieses außergewöhnlichen Mannes literarisch verarbeitete. Das Buch ist
ihr bestens gelungen.
Die Autorin hält sich an die
Biografie Maximilians. Auf über 300 Seiten, übersichtlich gegliedert nach den
wichtigsten Lebensabschnitten des Freiherrn, schreibt sie sich von Ereignis zu
Ereignis im Werdegang des beharrlich vorwärts strebenden Weltbürgers voran.
Der Roman setzt im heißen,
sonnigen August des Jahres 1790 ein, mit der Jugend des klugen, wissbegierigen
Jungen Max Speck, der der dörflichen Enge von Gröba
bei Riesa zu entkommen sucht. Das Buch
endet mit dem Kapitel „Lebensabend“ im und nach dem Todesjahr des Freiherrn 1856.
Dazwischen liegt die bewegende Schilderung der Lehrjahre in Leipziger
Handelshäusern, liegen die vielen Reisen Maximilians und die durch Fleiß und
harte Arbeit Schritt für Schritt errungenen Erfolge als Geschäftsmann, Landwirt
und Kunstsammler, verbunden mit der Gründung der eigenen Familie, dem Erwerb von
Specks Hof in Leipzig und der Güter Lützschena in
Sachsen und St. Veit in Bayern, der Pacht des Gutes im bayrischen Fürstenried, sowie
Maximilian Speck von Sternburgs verdienstvolles Wirken in Russland und Bayern, samt
der vielen weiteren progressiven Errungenschaften in seiner Zeit, die er in verdienstvoller
Weise zu schaffen wusste.
Susan Hastings hat gründlich recherchiert.
Sie schuf, lebendig beschrieben, das Porträt einer weltoffenen,
fachlich versierten und kunstsinnigen Persönlichkeit. Maximilian schreckte der
Liberalismus im 19. Jahrhundert nicht. So begrüßte er beispielsweise den Fall
der Zollschranken im zerstückelten Deutschland und die Bildung des Zollvereins
von 1828. Doch die die Autorin verschweigt auch kritische, allzu menschliche
Aspekte im Persönlichkeitsbild des Freiherrn nicht, etwa seine Strenge oder
seinen Starrsinn, als es um die Verheiratung seiner Töchter und die Sicherung
des Erbes ging. Dabei versteht sie es, Gesellschaftliches, Geschäftliches und
die Feinheiten des Familienlebens der Specks im anschaulichen Zeitkolorit zu
verweben. Die Folgen der französischen Revolution, Napoleons Eroberungsfeldzug
und seine Niederlage in der Völkerschlacht bei Leipzig, die auch Lützschena nicht verschonten, die Anfänge der
Industriealisierung und andere prägende Geschichtsereignisse in Maximilians
bewegtem Leben, finden ihren Platz im Romangeschehen. Auch manche Anekdote weiß
die Autorin einzufügen.
Eine ihrer Stärken sind die
packenden Beschreibungen der Reisen Maximilians. Immer zeichnete ihn „der
Hunger nach Leben, Bildung und Erfahrung“ aus, heißt es im Buch. Zugleich
verstand er es in jeder Lebensphase, Familie, Geschäft und Kunst zu vereinen.
Er interessierte sich für alles, was den Menschen nützen kann.
Susan Hastings vermag nicht
nur, ihre Hauptfigur, den Freiherrn, prall mit vielen charakterlichen Nuancen
darzustellen. Sie lässt auch weitere Persönlichkeiten lebendig werden, die mit
der Familie Speck von Sternburg eng verbunden waren. Besonders liebevoll und
eindringlich stellt sie Maximilians Ehefrau, Charlotte geborene Hänel, als
gütige, hilfsbereite, hoch gebildete, aber auch energische Gutsherrin in Lützschena dar, dazu die fünf gemeinsamen Kinder mit ihren
unterschiedlichen wechselvollen Schicksalen. Aber nach der Lektüre des Buches
bleibt auch die treffliche Gestaltung der Kinderfrau Luise, des Pfarrers
Reichel und Lehrers Mocker im Gedächtnis des Lesers
haften, um nur drei der vielen Personen,
die im Buch auftreten, zu nennen.
Susan Hastings hat ein
bemerkenswertes Buch geschrieben, das sich spannend liest. Und doch sei ein
winziger Einwand gestattet. Zum Schluss des Romans geht der Autorin die
Phantasiefreude aus. Sie schildert ihre Hauptfigur nur noch schemenhaft und
überfrachtet die Handlung in dem Bestreben, unbedingt die weitere Geschichte
der Kinder Maximilians schildern zu müssen. Das gelingt ihr nur stichwortartig.
Anerkennung verdient die
Sorgfalt, mit der der Leipziger Plöttner Verlag das
Buch betreut und ausgestattet hat. Fester Einband, der von Franziska Becker
bestens gestaltete Schutzumschlag, im Anhang das Glossar und eine Zeittafel und
zahlreiche die Romanhandlung zusätzlich veranschaulichende Fotos und weitere
Bilddokumente aus dem Archiv der Familie Speck von Sternburg, erhöhen den Wert
des Buches.
Susan
Hasting: Der Wollhändler. Das Leben des Maximilian
Speck, Freiherrn von Sternburg. Romanbiografie. Plöttner
Verlag Leipzig, 2008. 320 Seiten (mit Schwarzweißabbildungen). ISBN
978-3-938442-53-1. 18,90 Euro