Ein Höhepunkt der Ehrung des Hermann Freiherr Speck von Sternburg…

 

… anlässlich seines 100. Todestages war die Präsentation des ersten Bandes des Bestands-kataloges der ethnographischen Sammlung des Freiherrn am 23. Oktober im GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig. In dem von Dr. Claus Deimel (Direktor der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen) und Wolf-Dietrich Freiherr Speck von Sternburg herausgegebenen Werk ist ein großer Teil der Sammlung durch namhafte Wissenschaftler dokumentiert. In ihm findet man die Abbildungen und wissenschaftliche Beschreibung buddhistischer Skulpturen und Ritualgegenstände sowie von Thangkas* und Amulettdrucken. Ein zweiter Band, der die wertvollen chinesischen Textilien, Objekte der Volksreligion und des täglichen Lebens aus der Sammlung beschreibt, soll demnächst folgen.

 

Welchen Stellenwert die Sammlung tibetisch-buddhistischer und chinesischer Kunstwerke sowie das Wirken der Familie von Sternburg genießen, das zeigt sich u.a. daran, dass der Bundesminister des Auswärtigen Dr. Frank-Walter Steinmeier dem Katalog ein Grußwort voranstellte. Während der Präsentation sprachen zu den Festgästen hochrangige Vertreter aus Politik und Kultur, darunter der Leiter des Referats Kulturprogramme im Außenministerium der BRD und der Konsul und Leiter der Presse- und Kulturabteilung des US-Generalkonsulats in Leipzig Herr James. W. Seward. Sie betonten in ihren Reden nicht nur den Kunstsinn des Barons aus Lützschena, den außergewöhnlichen Wert der Sammlung, sondern dass es auch ein Glücksfall war, dass er derartige Kunstgegenstände erwerben und ins Ausland bringen konnte, was heutzutage gar nicht mehr möglich wäre. Glückliche Umstände waren es, die sie die Zeitläufe überdauern ließen und vielleicht vor der Vernichtung in der Zeit der Kulturrevo-lution in China bewahrten.

 

Im Anschluss an die festliche Veranstaltung bestand Gelegenheit, in der Kabinettausstellung mit dem Titel „Buddhas Leuchten & Kaisers Pracht“, die noch bis zum 4. Januar 2009 gezeigt wird, sowie dem Speck von Sternburg-Raum ausgewählte Stücke der ca. 500 Objekte umfas-senden Sammlung zu betrachten. Hermann Freiherr Speck von Sternburg, der als Diplomat, u.a. als Legationssekretär und Militärattaché von 1891 bis 1896 am Kaiserhof in Peking verkehrte, bekam vermutlich durch die Vermittlung chinesischer Diplomaten Zugang zu dem Yonghe Gong, einem großen Lamatempel mit angeschlossenem Kloster in der Hauptstadt des Reiches der Mitte. Von hier stammen viele der Kultgegenstände, die bei religiösen Zere-monien von den buddhistischen Mönchen verwendet wurden. Einige von ihnen konnten bereits 1895 bei der Eröffnung des alten Grassimuseums der Öffentlichkeit gezeigt werden. Es sind von den nun seit 1908 im Völkerkundemuseum Leipzig befindlichen 500 Objekten zur Hälfte Zeugnisse des tibetischen Buddhismus, die andere Hälfte bilden Plastiken der chinesischen Volksreligion und des Daoismus, alte Bücher und wertvolle Textilien. Zu den letzteren zählen die 14 „Drachenroben“, kostbare Gewänder, die man einst am kaiserlichen Hof in Peking trug. In der Ausstellung kann man eines bewundern, das der Quianlong-Kaiser im 18. Jahrhundert selbst anlegte und dessen wunderbare Bilderstickereien man nicht beschreiben kann, sondern die man unbedingt gesehen haben muss. Was liegt also näher als in den dunklen und unfreundlichen Wintermonaten, wenn die Natur nicht zu Spaziergängen einlädt, dem Völkerkundemuseum einen Besuch abzustatten und den Reiz der fernöstlichen Kultur auf sich wirken zu lassen. Das Wissen über fremde Völker, ihre Religionen und ihr Alltagsleben  wird uns helfen, Vorurteile abzubauen und Tendenzen der Fremdenfeindlichkeit entgegen zu wirken.

 

Vor allem die Einwohner der Ortschaft Lützschena-Stahmeln sollten das tun. Schließlich können sie mit Recht darauf stolz sein, dass auch durch diese Sammlung, welche bisher zu Unrecht im Schatten der bekannteren Gemäldesammlung stand,  der Name unserer Ortschaft über die Grenzen der Stadt Leipzig hinaus bekannt wird. Und freuen sollten wir uns darüber, dass solche Kunst- und Kulturgüter nicht in privaten  Sammlungen verstauben, sondern im Museum der bildenden Künste und dem Völkerkundemuseum der Öffentlichkeit zugänglich sind, genau wie unser schöner Schlosspark.

 

Horst Pawlitzky

 

* Thangkas sind rot-gelb-schwarze Rollbilder mit buddhistischen Zeichnungen und buddhistischer Sybolik.