Zuschrift des Schriftstellers Gunther Preuß
Einleitung der Redaktion des Auen-Kuriers:
Gunter Preuß zählt zu den bekanntesten und erfolgreichsten Schriftstellern im Mitteldeutschen Raum. Seit September 2005 lebt und arbeitet er in Lützschena. In der Januar-Ausgabe 2008 haben wir im Auen-Kurier den namhaften Autor vorgestellt und sein bisherigen literarisches Werk gewürdigt.
Jetzt hat uns Gunter Preuß einen literarischen Text übergeben, den wir nachstehend veröffentlichen. Er enthält die persönliche Meinung des Schriftstellers zum leidigen Thema „Fluglärm“ und seine Position zu dem in Leipzig gegründeten Bürgerverein: „Pro Flughafen Leipzig-Halle“.
Der Begriff Kollaborateur oder Ein Schelm, der Böses dabei denkt
von Gunter Preuß
Auch ich las mit Verwunderung, dass sich ein Bürgerverein „Pro Flughafen“ gegründet hat und den ewigen Nörglern und Nestbeschmutzern nun wohl gehörig in die ohnehin schon versalzene Suppe spucken will. Da scheut der fünfköpfige Vorstand im feinen Zwirn und weißer Weste gleich zu Beginn nicht, die Notlage der Flughafenanrainer mit der Notlage Arbeitsplatzsuchender vom Tisch zu wischen. Das viele Halbwahrheiten und Lügen befördernde Totschlagargument soll wohl auch dazu dienen, dem Bundesverwaltungsgericht für seine Entscheidungsfindung gehörig Bange zu machen und ihm die von den Flughafen- und DHL-Bossen gewünschte Entscheidung zu suggerieren.
Da kam mir doch der Begriff Kollaborateur in den Sinn, und ich hielt erst einmal fest, was meine Lebenserfahrung, mein Schulwissen und einschlägige Wörterbücher darüber zu sagen haben.
Kollaborateur: jmd., der mit dem Kriegsgegner oder der Besatzungsmacht gegen die Interessen des eigenen Landes zusammenarbeitet. - Im Französischen wird der Begriff auch wertungsfrei für Mitarbeiter verwendet. Im Englischen heißt die Negativform für diese Mitarbeiter auch Quisling, im Spanischen nennt man sie colaboradorista und im Italienischen collaborazionista.
Ich meine: Kollaborateure geistern von jeher in der Weltgeschichte herum. Hinz und Kunz haben mit ihnen zu schaffen, ohne vielleicht jemals davon zu erfahren.
Noch im 19. Jahrhundert war auch in Deutschland die Berufsbezeichnung Kollaborateur für bestimmte Hilfsbedienstete anzutreffen (etwa Hilfsgeistliche, Hilfslehrer, etc.). Ich lese auch von den deutsch-französischen Konflikten, vom „Erbfeind“ und dass der Begriff in der Zeit der deutschen Besatzung Frankreichs neue Aktualität gewann. In vielerlei Konfliktlagen wurde und wird der Begriff Kollaborateur auch in jüngerer Zeit häufig benutzt.
Ich denke, Kollaborateure gibt es nicht nur im Krieg, sondern vor allem auch in den Auseinandersetzungen des gesellschaftlichen Alltags. Sie sind Chamäleons, die ihre Farbe perfekt der jeweiligen Macht anpassen. Sie sind Scheinheilige, die ihr krummes Handwerk der Scheinheiligkeit mit politischen und argumentativen Billigangeboten von den Ramschtischen betreiben.
Für mich ist ein Kollaborateur – auf der Höhe oder eben im Abgrund unserer Zeit - vor allem einer, der wie der Kohlenmunk-Peter dem Holländer-Michel sein Herz verkauft; aber auch ein Hansdampf in allen Gassen, der, gleichgültig welcher sozialen Stellung er angehört, mit den oberen Zehntausend seine Schäfchen ins Trockene bringen will. Skrupellosigkeit und Verrat sind ihm brauchbare Mittel zum Vorankommen. Seine Karrieredevise ist: Ich! Ich! Ich!
Aus anfänglichen Mitläufern werden – so lehrt es uns die Vergangenheit – auch Mittäter. Nicht die Sonne, sondern das Dunkel bringt´s an den Tag, wenn diese unliebsamen Zeitgenossen sich auch ins rechte Licht zu stellen wissen. Dabei geht es doch bei den Fluglärmgegnern um leibhaftige Menschen, um Nachbarn und Freunde, um Junge und Alte, um Verstrittene und Liebende, um Kranke, Sterbende und Neugeborene, und auch um mich und meine Familie. Wir Fluglärmgegner wollen den Flughafen – wie immer wieder behauptet - auch nicht eliminiert sehen, wir vertreten nur unsere gerechte Sache, die aus der Not geboren wurde. Sie beruht auf dem verbrieften Recht auf Nachtruhe, dem Erhalt unserer Gesundheit, unserer Lebenskraft und unseres mühsam erarbeiteten Zuhauses.
Also neu gegründeter Verein „Pro Flughafen Leipzig/Halle“. Also der Begriff Kollaborateur. Wie komme ich bloß auf Letzteres?
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Finales Selbstgespräch:
Schämen diese „Hilfsbediensteten“ sich denn nicht?
Nein, die schämen sich nicht!
Kennen solche „Mitarbeiter“ denn keine Solidarität?
Sie beherrschen alle Sprachen der Welt. Aber das Wort kennen sie in keiner Sprache.
Und nun?
Geht´s weiter, wie immer, irgendwie –
wehre dich, denke, tue, aufgeben darfst du nie!