Dateiname: ak01-autorenporträt
Vorgestellt: Gunter Preuß
Ein Schriftsteller von Format am Elsterberg
Nun lebt und arbeitet er seit September 2005 in Lützschena, übergesiedelt aus Schkeuditz. Von der Natur beruhigt und immer von neuem überrascht, blickt er aus seinem Arbeitszimmer am Elsterberg in die Auenlandschaft. Der weithin bekannte Schriftsteller Gunter Preuß verstärkt Lützschenas und Stahmelns Künstler-Armada, die nicht nur aus bildenden Künstlern besteht.
Gunter Preuß wird durch öffentliche Aufmerksamkeit und Anerkennung wohl hauptsächlich als Kinder- und Jugendbuchautor wahrgenommen. Unter den seit seinem Debüt 1972 von ihm geschriebenen über siebzig Büchern befinden sich tatsächlich viele, die vorrangig für Kinder und Jugendliche gedacht sind. Aber der äußerst produktive Autor schreibt auch beachtenswerte Gedichte, Aphorismen, Bühnenwerke und nicht zuletzt Prosa für Erwachsene. Im vergangenen Jahr 2007 erschienen von ihm gleich vier Bücher, sämtlich im 2004 gegründeten Leipziger Plöttner Verlag, in dem Gunter Preuß vielleicht eine neue Heimstatt gefunden hat, nachdem er etliche Jahre unter anderen renommierten Verlagen vom Loewe Verlag in Bindlach betreut wurde. Fertig gestellt hat Gunter Preuß den dritten Band der Erlebnisse der von den Kindern geliebten kleinen Hexe Toscanella, „in dem sie dem Teufel ihr Schwein Schlachtmichnicht verkauft, um in den Besitz des Zauberspiegels zu gelangen. Den braucht sie, um zu sehen, was der feine Hexerich Ernest vom Schloss Edelstein, in den sie sich verknallt hat, so treibt.“ Christiane Knorr hat sehr schöne Illustrationen dem Text hinzugefügt (siehe auch LVZ vom 22.2.2007). Außer Toscanella erschienen aus der Feder von Gunter Preuß zuletzt Verse zur Nacht – nicht nur für Kinder unter dem Titel „Träum was Schönes“ und „Clowntränen“ Aphorismen sowie das Kinderbuch „Lilli unterm roten Hut“. Druckfertig und auf einen Verleger wartend liegen vor: „Rufe in die Wüste“, seine zahlreichen Aufsätze und Interviews, und der Sammelband seiner dramatischen Arbeiten „Fußspuren werde ich hinterlassen“. Und anderes Neues, über das des Dichters Höflichkeit noch schweigt, ist auch zu erwarten.
Gunter Preuß wurde 1940 in Leipzig geboren. Im Alter von 18 Jahren begann er Gedichte und Geschichten zu schreiben. Später versuchte er sich als Transportarbeiter, Leistungssportler im Judo, Mechaniker, Student und Lehrer, u.a. am Leipziger „Literaturinstitut Johannes R. Becher“. Aber immer wieder sei er zum Schreiben für Kinder und Erwachsene zurückgekehrt, sagt er. Seine Ideen, die ihm auch bei langen Spaziergängen einfallen, sammelt er auf kleinen Zetteln, die dann zu Hause zu einer neuen Geschichte werden. Für seine Bücher wurde Gunter Preuß mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Kunstpreis der Stadt Leipzig (1979), dem „Alex-Wedding-Preis“ der Akademie der Künste der DDR (1986) , dem „Brüder Grimm Preis“ (1999) und dem „Gellert Preis“ (2000). Der Autor ist Mitglied des PEN-Clubs und des Verbandes Deutscher Schriftsteller .
Dem Loewe Verlag in Bindlach bei Bayreuth, der einst in Leipzig ansässig war und beispielsweise Heinrich Hoffmanns „Struwwelpeter“ herausgab und der heute zu den führenden deutschen Kinder- und Jugendverlagen zählt, aber auch einen Sachbuchbereich zu beachtlicher Qualität geführt hat, gewährte Gunter Preuß ein Interview, das wir dankenswerterweise nachdrucken dürfen.
Das Interview
Loewe : Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Gunter Preuß: Als Kind las ich alle Bücher, die mir in die Hände kamen. In der Schule schrieb ich, wie meine Lehrerin meinte, fantasievolle Aufsätze. Aber mein Wunschberuf war nicht etwa Schriftsteller, sondern Konditor, damit ich mir – unterernährt und versessen auf Süßes - all die Leckereien würde selbst backen können. In der Jugend war ich Student an der Artistenschule in Berlin. Ich wollte hoch hinaus, am liebsten ans Flugtrapez und den dreifachen Salto springen. Aber ich fiel tief und stand auf einmal vor dem Nichts . Da fing ich an Gedichte und Geschichten zu schreiben. Das brachte mir Freude und gab mir neuen Lebensmut. Ich studierte schließlich Literatur und machte das Schreiben zum Beruf.
Loewe: Gibt es so etwas wie einen Arbeitsalltag. Und wenn ja, wie sieht er aus?
G. P.: Zeitig aufstehen, gehört nicht zu meinen Tugenden. Aber vor zehn, wenn nicht andere Dinge zu erledigen sind, sitze ich dann doch am Schreibtisch. Hier bin ich mit einigen Unterbrechungen bis zum Nachmittag mit der Schreibarbeit beschäftigt. Dazu gehören auch Lesen, Telefonieren, Briefe schreiben und im Garten die Füße vertreten. Es kann aber auch gut sein, dass es mich am Abend noch einmal für ein, zwei Stunden an den Schreibtisch zieht, um meine Papierhelden nicht zu lange allein und womöglich auf dumme Gedanken kommen zu lassen.
Loewe: Woher nehmen Sie Ihre Ideen ?
G. P.: Mit F antasie, die wir ja als Kinder in Hülle und Fülle besitzen, bin ich auch als Erwachsener noch reich beschenkt . Gleichgültig, was mir vor Augen oder in Gedanken kommt, ich kann sogleich eine Geschichte dazu erfinden. Das aber ist beileibe noch keine Literatur. Die will dann erst freudvoll, aber auch mühsam erarbeitet werden. Und nicht jede Idee, die mir „zufliegt“, taugt für ein Gedicht oder eine Geschichte. Ich muss sie erst auf die Goldwaage legen, um herauszufinden, was sie wert ist.
Loewe: Wie viel Realität fließt in Ihre Texte mit ein? Haben Ihre Figuren zum Beispiel reale Vorbilder?
G. P. Auch in der fantastischsten Geschichte steckt ein Stück Realität. Wie auch in einer Lüge oft eine Portion Wahrheit zu finden ist. Also haben auch meine Figuren und Handlungsorte, ob sie nun in der Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft angesiedelt sind, in jedem Fall einen Realitätsbezug. Nur dass man eben in einer in der Realität angesiedelten Geschichte eine enger gefasste Wirklichkeit zur Verfügung hat, als etwa im schrankenlosen Reich der Fantasie. Selbst in einer authentischen Geschichte ist vieles „erlogen“. Auch die Geschichtsschreibung, wenn sie die Jahreszahlen verlässt, hat einen subjektiven Charakter, der eng mit der jeweiligen Weltsicht verknüpft ist. In meinem Roman „Und wenn ich sterben sollte...“ bin ich selbst in mancherlei Hinsicht der Hauptfigur, dem Glückssucher Bernhard ziemlich nahe. Und doch habe ich im Roman mit Bernhard mein „Vorbild“ in jeder Beziehung gesprengt, um genügend Freiraum für die gesamte Geschichte zu bekommen. Übrigens wird in jeder von mir geschaffenen literarischen Figur, wie immer sie auch geartet ist, der Preuß zu finden sein.
Loewe: Welche Themen favorisieren Sie? Und warum?
G. P. Ob ich nun für Kinder schreibe oder für Erwachsene, ob ich gerade an einem Märchen arbeite oder an einer Gegenwartsgeschichte, meine Helden sind immer „Warum-Frager“, die sich nicht auf eingefahrenen Gleisen hin- und her schieben lassen. Sie sind Suchende nach dem „Wasser des Lebens“, tumbe Toren, die ausziehen, das Fürchten, also das Leben zu lernen. In unserem auf Erfolg und Gewinn abgesteckten Leben sind sie anderen oft beschwerlich und werden gern ins Abseits der Gesellschaft gedrängt. Denn ihre Sinnsuche beschränkt sich nicht auf die Nützlichkeit, sie sind vielmehr mit Lust am Spiel der Schönheit auf der Spur. In der gesellschaftlichen Realität macht man ja Mitmenschen, die sich dem Herdentrieb verweigern, gern zu schwarzen Schafen. Aber gerade sie bekommen von mir auf dem Spielplatz der Literatur eine Hauptrolle.
Loewe: Welches Buch würden Sie gern schreiben?
G. P. Natürlich ein Buch, das die Welt verändert, indem es zu ihrer Besserung beiträgt. Aber ich weiß ja um die geringe Einflussmöglichkeit von Kunst und Literatur auf gesellschaftliche Gegebenheiten und Prozesse. Der Schriftsteller, wenn er sich dennoch einmischt, wird immer mehr zum Rufer in der Wüste, in der die Spaßgesellschaft ihren Medienzirkus betreibt. Mein Credo ist ein „dennoch“. In diesem Sinne ist jedes neue Buch von mir ein Gesprächsangebot an Gott und die Welt, wenngleich es in Wirklichkeit nur eine Hand voll Leute erreicht.
Loewe: Was fasziniert Sie an Kinder- und Jugendliteratur? Was, glauben Sie, ist besonders beim Schreiben für Kinder und Jugendliche?
G. P. Gerade beim kindlichen und jugendlichen Leser hat die Literatur neben der Unterhaltung wohl auch noch eine erzieherische und bildende Funktion. Ich jedenfalls versuche , in meinen Geschichten und Gedichten den Heranwachsenden Einsicht in meine Weltsicht und Lebenserfahrung zu geben. Allerdings hüte ich mich davor, den Zeigefinger zu erheben und „Du sollst...!“ und „Du sollst nicht...!“ vorzuschreiben. Ich reiche ihnen sozusagen meine Hand und freue mich, wenn sie mit mir ein Stück Wegs gemeinsam gehen. Und ein gutes Gefühl ist es, wenn sie dann meine Grenzen sprengen und allein weiterziehen, um ihr Glück zu machen. Und vielleicht, wenn sie einmal in Not geraten, hilft ihnen dann einer meiner Papierhelden wieder auf die Beine. Ich selbst kenne einige Lebensretter aus der Weltliteratur, die mir noch heute treue Wegbegleiter und Ratgeber sind.
Loewe: Lieber Gunter Preuß, vielen herzlichen Dank für dieses anregende Gespräch
Siehe auch im Internet: www.loewe-verlag.de
In unserer Lützschenaer Bibliothek, Am Brunnen 4, stehen neun Titel, sämtlich Kinder- und Jugendbücher, von Gunter Preuß zur Ausleihe zur Verfügung. Spitzenreiter bei der Ausleihe sind die beiden ersten Bände aus der Reihe mit der kleinen Hexe Toscanella.