Einzelhandelsgeschäfte sind in Lützschena rar. Eines der wenigen gehört Petra Poschinski. Am Brunnen 1 handelt sie seit über neun Jahren mit Schreibwaren. Angeschlossen sind eine Lotto-Annahmestelle und die Postagentur. In fast einem Jahrzehnt konnte sich die tüchtige Frau einen beachtlichen Kundenstamm aufbauen. Längst ist ihr Geschäft zu einem begehrten Ort der Kommunikation geworden, für die Einwohner zu einem Schwätzchen über die kleinen und großen Alltagssorgen und Wehwehchen bestens geeignet.
Petra Poschinski fühlt sich als gestandene Lützschenaerin. Geboren wurde sie 1960 allerdings im benachbarten Schkeuditz. Ihre Biografie ist charakteristisch für viele Frauen aus der ehemaligen DDR. Petra besuchte die Grundschule und anschließend die POS, die sie erfolgreich abschließen konnte. Sie erlernte einen kaufmännischen Beruf. Dann studierte sie an der Ingenieurschule Glauchau im Fach Luft- und Kältetechnik. Nach heutigem Hochschulrecht ist Petra Poschinski eine Diplom-Ingenieurin (FH, das heißt Fachhochschule).
Die nunmehrige Ingenieurin arbeitete als "Fertigungsmittel-Technologin" im Maschinen- und Apparatebau in Schkeuditz. Und dann unternahm sie im März 1988 einen kühnen und mutigen Schritt. Die couragierte junge Frau ging an die deutsch-russische Erdgastrasse. Am Abschnitt der Leitung, der durch die Ukraine führt, übernahm sie die Aufgabe einer Außenstellenleiterin. Auch dort bewährte sie sich. Aus der Ferne verfolgte sie die Wende. Erst im August 1992 kehrte sie von ihrer schweren und verantwortungsvollen Arbeit im Ausland nach Lützschena zurück. Sie hoffte, sich hier wieder ins normale Berufsleben eingliedern zu können.
Ihre Hoffnung erfüllte sich nicht. Für sie gab es hierzulande keine Arbeit mehr. Notgedrungen reihte sie sich in die große Schar der Arbeitssuchenden ein. Zuerst absolvierte Petra Poschinski eine Weiterbildung in den Wirtschafszweigen Leasing und Finanzierung. Dann gab es endlich für sie einen Ganztagsjob - allerdings im entfernten Buna. Täglich fuhr sie von Lützschena aus dorthin, um zwischen Juli 1994 und Dezember 1996 bei LAUER-AKS als kaufmännische Leiterin ihr Wissen und Können einzusetzen. Aber auch das war eben nur von kurzer Dauer. Die Firmenbetreiber mussten Insolvenz anmelden und verschwanden dorthin, wo sie hergekommen waren - in die Altbundesländer. Petra Poschinski aber war wieder arbeitslos. Lange suchte sie ein neues Tätigkeitsfeld, bis sie sich wieder zu einem ungewöhnlichen Schritt entschloss. Sie machte sich selbständig und übernahm in Lützschena von Büro & Kommunikation Christiane Fleischer das Schreibwarengeschäft. Mit viel Engagement hat sie die erfolgreiche Entwicklung des Geschäftes vorangetrieben. Zum Ausbau des Sortiments an Schreibwaren und Büromaterial, mit dem die Kunden auf diesem Gebiet mit allem Notwendigen versorgt werden, kam die Intensivierung der Lotto-Annahmestelle und der Postagentur. Bald verbündete sich die Geschäftsfrau auch mit den großen Versandhandelsunternehmen und vertrat deren Service in Lützschena. Der Geschäftsbetrieb ging gut voran. Einen Einbruch gab es, als Grossabnehmer wegbrachen, vor allem Schulen, nachdem die Behörden eine andere Form der Versorgung der Schulen mit Unterrichts-Hilfsmitteln einführten.
Petra Poschinski ist in der Ortschaft gesellschaftlich aktiv tätig. Für die Bürgerinitiative 1990 ist sie seit langem eine rührige Volksvertretin im Ortschaftsrat. Auch im Vorstand des Bismarckturmvereins leistet sie viel für die Förderung des Geschichtsbewusstseins unter den Einwohnern.
Umso bedauerlicher ist es, dass die beliebte Petra Poschinski ihre jetzige Tätigkeit mit dem 31. Mai 2007 abschließt und ihr Geschäft an eine Nachfolgerin übergibt. Einmal mehr sucht die erfolgreiche Frau einen beruflichen Neuanfang. Ihr Wunsch ist es, dass ihre Kunden auch die neue Leitung von Schreibwaren-Lotto und Postagentur akzeptieren und ihr die Treue halten, zumal sich am Profil des Geschäfts nichts ?ändern wird.
Gottfried Kormann
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