Hundert Jahre Neubau der Hainkirche
Mit einer musikalisch umrahmten Kirchenführung am Sonnabend dieser Woche, dem 9. September, und dem Festgottesdienst mit Goldener Konfirmation am darauf folgenden Sonntag, 10. September 2006, sowie im Anschluss daran mit der Möglichkeit für jedermann, am bundesweiten `Tag der DenkmalpflegeA die Kirche zu besichtigen, wird dieses Jubiläums gedacht.
Aus Anlass des für die Ortschaft bedeutsamen historischen Ereignisses veröffentlichen wir nachstehend, wie bereits im Auen-Kurier des Monats August angekündigt, den Beitrag des exzellenten Kenners der Geschichte der Hainkirche, des Leipziger Professors Dr. Gerhard Graf. In den Ausgaben der Ortschaftszeitung im Oktober und November erscheint dann in zwei Teilen ein längerer Beitrag des Pfarrers i.R. Roland Pappe, der bekanntermaßen mit der Hainkirche bestens vertraut ist, über ihren Umbau vor 100 Jahren.
Die Kirche in Hänichen
Als spätestens
im Jahr 1337 Hänichen erstmals eindeutig urkundlich überliefert wurde, gab
es eine Kirche am Ort bereits seit etwa 150 Jahren. Einst im 8. Jh. hatten
Sorben die Aue der Weißen Elster besiedelt, und im 10.Jh. entstand in unserem
Gebiet eine Großpfarrei. Sie rechte von wenigstens Oberthau (sorbisch: Ort
des Dobrota) bis Wahren (Stelle, an der das Wasser wallt) und besaß ihr Zentrum
in Schkeuditz (Siedlung der Leute des Skuda). Seit dem 12. Jh. erschienen
verstärkt deutsche Kolonisten Sie legten zwischen den kleinen sorbischen Weilern
Quasnitz (Siedlung auf saurem Boden) und Modelwitz (Ort im feuchten Gelände)
eine Rodung an. Das Ergebnis dieses Vorganges bezeichnete man häufig als Hagen
(das Umhegte) bzw. Hain, und wenn es sich um kleinere Ausmaße handelte, sagte
man, wie in unserem Fall, Heynichen (1337), das heißt kleiner Hain (vgl. andere
Beispiele in Sachsen). Zugleich wurde in das Dorf, wie man es aus der bisherigen
Heimat gewohnt war, eine eigene Kirche hineingestellt. Zu ihrem Einzugsgebiet
gehörten außerdem die später wüst gewordenen Siedlungen Kaltenborn (dort schon
sorbische archäologische Funde) und Haidemark (-dorf ?) sowie Quasnitz.
Wie anderswo errichtete man vielleicht auch in Hänichen zunächst eine Holzkirche.
Dagegen stammt der erste in Stein aufgeführte und bis heute weithin vorhandene
Bau wohl noch aus der Zeit vor 1200. Als Nachweis dafür dienen die in drei
Beispielen sichtbar erhaltenen typisch romanischen Rundbogenfenster in der
Süd- und Nordwand und vermutlich das obere im Westgiebel. Die Kirche war turmlos
und ähnelte darin, wie übrigens auch in ihrer Größe, der herrschaftlichen
Kirche Wahren. Ein weiteres romanisches Fenster, das alte Giebelkreuz und
das Portal mit seinem halbrunden Bogenfeld, geschmückt durch ein Kreuz, gingen
bei dem Umbau von 1905/06 verloren. Während dieser Baumaßnahmen ergab sich
überraschend eine Auskunft zum ursprünglichen Weihenamen des Gotteshauses.
Ein im ehemaligen Hauptaltar aufgefundener, 1321 (!) datierter Pergamentstreifen
benannte neben Maria den Märtyrer Vincentius (gest. 304) als wichtigsten Schutzheiligen.
Von einer angeblich romanischen Wehrkirche, auch wenn das Gelände daran denken
lässt, kann man aufgrund der Baumerkmale nicht sprechen. Richtig ist der Sachverhalt
einer letzten Zuflucht. Ein früher Herrensitz ist nicht beweisbar. Das Recht
der Stellenbesetzung lag anscheinend von alters her beim Pfarrer von Schkeuditz.
Eine maßgebliche Modernisierung erfuhr die Kirche in der Zeit um 1500. Damals
wurde der verlängerte, noch jetzt vorhandene Ostabschluss angebaut, versehen
mit dem ebenfalls erhaltenen aufwändigen, 1906 auf die Südseite versetzten
Sakramentshaus. Hinzu kamen außerdem ein kräftiger Dachreiter (Datum der Glocke
1494) und eine Sakristei. Auch die Stiftung des bis heute benutzten kostbaren
Abendmahlkelches fiel in diese Epoche.
1537 wurde erstmals eine kirchliche Verknüpfung mit dem Rittergutsdorf Lützschena
hergestellt. Auf bischöfliche Anordnung hin sollte künftig der Pfarrer von
Hänichen aus die Pfarrei Lützschena mitverwalten. Doch schon 1562 bei Durchführung
der Reformation, und sicher nicht ohne Zutun der Rittergutsherrschaft, wurde
diese Regelung dahingehend abgeändert, dass der Pfarrer als Sitz Lützschena
zugewiesen bekam, dagegen der Küster, der zugleich der Schulmeister für Hänichen,
Quasnitz und Lützschena war, das bisherige Pfarrhaus in Hänichen bezog. Politisch
blieben Lützschena und Hänichen mit Quasnitz getrennt. Kirchlich aber begann
ein zumeist respektiertes Miteinander, das sich gemeindepraktisch bis heute
fortsetzt. Bis in das 20. Jh. war es zudem üblich, dass bei der Besetzung
der gemeinsamen Pfarrstelle das Vorschlagsrecht wechselweise durch die Gutsherrschaft
oder durch die jeweils Hänichen verwaltende Kirchenbehörde wahrgenommen wurde.
Als 1905 für den inzwischen 700jährigen Baukörper eine Rekonstruktion anstand,
entschloss man sich zu einer Erweiterung. Hinzugefügt wurde nunmehr ein stattlicher
Turm, seitliche Anbauten mit eigenen Treppenhäusern öffneten das Schiff, die
Sakristei wechselte ihren Platz. Wiewohl die Erweiterung in der Zeit des Jugendstils
lag, wirkten seine Formen wenig prägend. Vielmehr griff man die überkommenen
verschiedenen Stilepochen des Kirchengebäudes auf und entwickelte sie zeitgenössischem
Geschmack folgend gleichsam weiter. Einen prächtigen Akzent setzten die in
Glasmalerei ausgeführten Fenster. Doch sparsam blieb man, wie die Wiederverwendung
der Kirchenschiffbänke auf den Emporen zeigt. Auch auf andere geschichtliche
Zeugnisse, so die Kanzel, den Altar oder die spätgotische Sakristeitür, verzichtete
man bewusst nicht. Als Ergebnis des Umbaues entstand 1906 ein erneuertes Gotteshaus,
das für damaliges Empfinden eine gelungene historisierende Wohlfühlatmosphäre
ausstrahlte. Eben diese interessante Verschmelzung von Altem und Neuen macht
noch immer den Reiz dieser Kirche aus und ist der Anlass, dass diesem verhältnismäßig
gut erhaltenen Ensemble das besondere Augenmerk der Denkmalpflege gilt.
Prof. Dr. Gerhard Graf, Leipzig-Wahren
(Unser Autor, Professor Dr. Gerhard Graf, ist am Institut für Kirchengeschichte der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig tätig. Sein Forschungsschwerpunkt ist die territoriale Kirchengeschichte. Er publizierte verschiedentlich über unsere Landschaft, darunter etliche Beiträge zu Wahren. Unter anderem ist er der Verfasser der Schrift „Die Gnadenkirche Wahren“.)