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Zum hundertsten Geburtstag von Martha Weber
Ein Naturtalent im Goetheschen Sinne

 
Schneeglocken

Schwinge, zarte Frühlingsglocke, auf der Wiese vor dem Haus!
Rufe Bienen, schwinge, locke
deine Schwestern auch heraus!

Läute mit der weißen Schelle
rascher, sei doch nicht so zag!
Dieser Klang bringt noch mehr Helle
In den jungen Frühlingstag!

Läute leiser, zarte Blüte,
ohne Furcht vorm scharfen März.
Manche hell auch mein Gemüte
und mein ewig suchend Herz!


Diese poetisch tief empfundenen Verse, aus denen eine enge Naturverbundenheit spricht, schrieb die Dichterin Martha Weber (1904-1998). Am 13. April ist ihr hundertster Geburtstag. In einer wunderbaren Mischung von Ernst und Liebreiz dokumentiert sie die schöne, aber leider nicht heile Natur.

1904 wurde Martha Weber im erzgebirgischen Wiesa geboren. Siebzig Jahre lang wohnte sie in Schönfeld-Zschopautal. Im Jahre 1981 kam sie nach Lützschena. Gesundheitliche Gründe erzwangen das. Bis zu Ihrem Tode am 3. September 1998 lebte sie bei Ihrer Tochter, Maria Schreiber, die sich rührend um ihre Mutter kümmerte. Und doch kam Martha Weber von ihrem geliebten Erzgebirge und dessen Bewohnern niemals los. Die Wälder und Felder, die Mundart, die einzigartigen handwerklichen Besonderheiten des Landstriches, die Heimat eben, blieben in ihren Träumen aufgehoben und bildeten das Grunderlebnis für ihre Dichtung. Sie selbst schrieb dazu:
"Das Elternhaus kostbar, teuer, unzählige Gedichte schrieb ich drin. Doch erst in L. ist die richtige Liebe-Sehnsucht nach der verlorenen Heimat in die Gedichte geflossen wie jetzt jeden Tag die Klage um diesen menschlichen Ameisenhaufen, der auf einmal durcheinandergeschüttelt nicht mehr zur Ruhe kommen will.
Heute nacht unerträgliches Heimweh nach Erzgebirge, denn da sind nun mal diese unsichtbaren Würzelchen verhaftet, und in der anderen Erde konnte man schwer Fuß fassen ... Da habe ich erst richtig die Sehnsucht nach der Heimat ausarten lassen. ..."

Geburtshaus von M.Weber



Und an anderer Stelle heißt es bei der Dichterin: "Ist nicht Gruß, Lächeln des Nachbarn eine Taglinienblüte?" Und dabei war Martha Weber ein Mensch, der "schwere Herbste kannte". Ihr Leben war entbehrungsreich, und sie hatte es auch nicht leicht, sich als Dichterin durchzusetzen. Lyrikbände werden selten Bestseller auf dem Buchmarkt.
Sie wird als Tochter einer Dienstmagd und eines Arbeiters geboren, besucht die Volksschule und arbeitet dann täglich zehn Stunden im Akkord als Schuhstepperin. Später übernimmt sie Heimarbeit, trennt sich von einem ungeliebten Mann und zieht allein zwei Kinder auf. Erste Schreibversuche beginnen im Mai 1938, seitdem kann Martha Weber ohne Dichten nicht mehr sein. Manche Nacht saß sie in ihrer Kammer, während die Kinder schliefen, und tauchte mit ihren Gedanken und Gefühlen in die literarische Welt ein.
Sie hatte schon fünf Jahrzehnte ihres Lebensweges durchschritten, als sie 1955 den ersten Kurs des soeben gegründeten Leipziger Literaturinstitut belegte, und sie fand damals endlich in dem namhaften Schriftsteller Louis Fürnberg einen warmherzigen Fürsprecher, Förderer und Freund. Er erkannte sofort die große Begabung der einfachen Frau, die aus dem schaffenden Volke kam. In ihrem Leben hat Martha Weber Tausende Gedichte geschrieben. In ihrem literarischen Nachlass, den die Stadtbibliothek in Leipzig übernehmen wird, finden sich noch viele ungehobene Schätze, die hoffentlich bald das Licht der Öffentlichkeit erblicken können, und auch ihre schon erschienenen Gedichtsammlungen verdienen Neuauflagen.
Für ihre Dichtung schöpfte Martha Weber die Kraft aus ihrem Glauben und aus der sie umgebenden Natur, deren Motive sie zu vielen poesievollen Versen anregte.
Nun ruht sie auf dem Lützschenaer Friedhof unter alten Bäumen, und sie hinterlässt uns ihre wehmutsvollen Gedanken, wenn sie schreibt: „Nun tut das Herz mir wehe, weil ich auf engen Raum dich nie mehr grünen sehe, leb wohl du lieber Baum!“ Wir wollen Martha Weber, diese gütige, phantasiereiche und außergewöhnliche Frau, niemals vergessen.

Gottfried Kormann



Anmerkung der Redaktion:
Der hundertste Geburtstag von Martha Weber war am 13. April. Eigentlich aber ist das ganze Jahr 2004 das Geburtsjahr der Dichterin. Im Auen-Kurier konnte der Beitrag leider nicht im Aprilheft veröffentlicht werden. Fehlender Platz auf den streng einzuhaltenden zwölf Seiten für jedes Heft gestattete es nicht wegen Ostern und aktuellen Terminen. Im Mai dann beanspruchten die Vorbereitungen zur Wahl des Leipziger Stadtrates und unseres Ortschaftsrates den Platz. Wir bitten unseres Leser deshalb um Verständnis, dass wir erst in dieser Ausgabe der Ortschaftszeitung an Martha Weber erinnern.




 




 



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