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Am Sonntag, dem 15. Juni 2003 um 14 Uhr, erleben Lützschena und Stahmeln innerhalb ihres Heimatfestes einen weiteren Höhepunkt in den ereignisreichen Feierlichkeiten zum 725-jährigen Ortsjubiläum von Lützschena. Der Vorsitzende des Bismarckturm-Vereines, Manfred Neumann, übergibt in einem feierlichen Akt im Turm die fertiggestellte Chronik des Bismarckturmes an den Ortschaftsrat, vertreten durch die Ortsvorsteherin Margitta Ziegler. Alle Einwohner sind dazu herzlich eingeladen.
Zwei rührige Frauen, die Bauingenieurin Gabriele Schramm und die Sekretärin Heidemarie Beyer haben die Chronik als Ergebnis einer sinnvollen Arbeitsbeschaffungs-Maßnahme in einjähriger Arbeit zusammengestellt. Sie schufen damit einen wertvollen Beitrag für die Ortsgeschichte.
Die beiden bis dahin arbeitslosen Frauen traf die schwierige Aufgabe völlig unerwartet und unvorbereitet. Monate schon waren sie im Arbeitsamt ein- und ausgegangen, auf der Suche nach einer neuen Beschäftigung, meist ohne Erfolg. Bis sie eines Tages - jede für sich - erfuhren, dass vom Bismarckturmverein in Lützschena zwei Fachkräfte für Bürotätigkeit gesucht würden. Sie sagten natürlich zu. Kennen gelernt haben sich Gabriele Schramm und Heidemarie Beyer erst, als sie ihre auf ein Jahr befristete Tätigkeit antraten. Beide waren sie bass erstaunt, als sie erfuhren, was der Vorsitzende des Bismarckturmvereines mit ihnen vorhatte und von ihnen erwartete. Er wollte endlich einen lange gehegten Wunsch des Vereins, eine Chronik des von ihnen geförderten Bauwerks zu schaffen, Wirklichkeit werden lassen.
Die beiden Frauen machten sich ohne lange zu zögern ans Werk. Binnen eines Jahres musste die Chronik stehen. Sie begannen mit den Überlegungen: Wie muss eine Chronik aussehen, was hat es mit dem Bismarckturm auf sich, warum entstanden in Deutschland solche Monumente? Immerhin musste die Chronistinnen bei Null beginnen. Es gab keine zusammenfassenden Unterlagen über den Turm, den kannten die beiden übrigens nur als markantes Wahrzeichen in der Landschaft.
Gabriele Schramm und Heidemarie Beyer begannen mit dem Dokumentenstudium. Tagelang saßen sie in den Archiven über Akten, Bücher und Zeitungen gebeugt. Sie suchten im Sächsischen Staatsarchiv und in der Bibliothek des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzigs, im Museum Schkeuditz und im Archiv des Lützschenaer Heimatvereins. Auch die Broschüre des einstigen Pfarrers an der Hainkirche, Melzer mit Namen, studierten sie. Als Schriftführer des 1913 gegründeten ersten Bismarckturmvereins hatte er den Verlauf des Baus und seiner Vorbereitung, einschließlich die Wege zur Geldbeschaffung, aufgezeichnet. Das meiste und beste Material fanden die beiden Autorinnen jedoch im Leipziger Stadtarchiv, das ein umfangreiches Aktenwerk über den hiesigen Bismarckturm aufbewahrt. ?Das Quellenstudium war manchmal eine Sisyphusarbeit. Die Sütterlinschrift vieler Akten musste erst einmal entziffert werden?, so Heidemarie Beyer. Hilfreich war auch die Erarbeitung der Dauerausstellung über die Geschichte des Bismarckturmes, die in seinem Innern aufgebaut wurde. Sie ist ebenfalls ein Arbeitsergebnis aus der ABM von Gabriele Schramm und Heidemarie Beyer,
Pünktlich zum festgesetzten Termin liegt die Chronik vor. In ihrer jetzigen Fassung von 98 Seiten endet sie 1990, danach werden lediglich erst einmal die wichtigsten Fakten stichwortartig festgehalten. Sie bedürfen der weiteren Ausarbeitung. So bleibt zu wünschen, dass sich Mitglieder des heutigen Bismarckturm-Vereines finden, die die Chronik weiterführen. Von den beiden Autorinnen übrigens fand Gabriele Schramm inzwischen eine stundenweise Dauerbeschäftigung, Heidemarie Beyer jedoch ist wieder Stammkundin des Arbeitsamtes. Den beiden Frauen danken wir für ihre fundierte Arbeit.
Kor.
Veröffentlichung von Auszügen aus der Chronik im Auen-Kurier
und ein zu erwartendes Preisrätsel
Unsere Ortschaftszeitung wird Auszüge aus der Chronik des Bismarckturmes
veröffentlichen. Die Publikation schließt dann ab mit einem Preisrätsel, an
dem sich alle Leser des Auen-Kuriers und Freunde des Bismarckturmes
beteiligen können.
Nordwestlich der Gemeinde Lützschena, nahe der Ortsgrenze zu Schkeuditz gelegen, befindet sich auf einem Höhenrücken, nördlich der B 6, weithin sichtbar, der Bismarckturm auf einer Grundmoränenhochfläche. Von der Staatsstraße bis zum Turm wurde im Jahre 1915 eine 30 m breite und ca.150 m lange Krimlindenallee angelegt. Da hier nichts das Wachstum der Bäume stören kann, wachsen diese breit ausladend fast bis zum Boden.
Die Grundsteinlegung für den Turm fand am 1. 4. 1914 statt. Nach nur zweihundert Arbeitstagen, am 1. 4. 1915, erfolgte seine feierliche Weihe. Im Jahre 1913 wurde ein Bismarckturmverein gegründet unter dessen Leitung der Turm errichtet wurde. Erbaut wurde der Turm auf einem Grundstück, das der Leipziger Kaufmann Erler zur Verfügung stellte.
Vorausgegangen war ein vom Bismarckturmverein ausgeschriebener Architekturwettbewerb, zu dem 88 Entwürfe eingesandt wurden. Ausgewählt wurde der Entwurf des Leipziger Architekten Hermann Kunze.
In der Zeit von 1895-1929 entstanden 234 Bismarcktürme in ganz Deutschland. Diese Türme wurden zumeist aus Naturstein in monströser Bauart errichtet. Die Leipziger Firma Max Pommer, Eisenbetonbau, errichtete jedoch das Bauwerk in Lützschena in einer für die damalige Zeit recht fortschrittlichen Bauweise aus Stampf- und Eisenbeton. Im Gegensatz zu den anderen Türmen erscheint der hiesige Bismarckturm in seiner Form sehr sachlich und filigran. ...
Mit Otto Eduard Leopold Fürst von Bismarck (1815 - 1898) wurde eine Persönlichkeit geboren, welche bereits zu Lebzeiten große Ehrungen erfuhr. Ihm verdankte Deutschland seine politische Einigung. Bis zum heutigem Zeitpunkt ist er jedoch eine umstrittene Persönlichkeit. Konnte er doch als Reichskanzler der inneren Zerrissenheit Deutschlands nach Gründung des "Deutschen Reiches" 1871 in Versailles ein Ende setzen. Das deutsche Volk verdankt ihm die Einführung der Altersversicherung, Sozialgesetzgebung und der Krankenversicherung.
Die Einführung der Sozialgesetzgebung konnte die Kluft zwischen dem Staat und der arbeitenden Bevölkerung nicht schließen. So ist Bismarck für die einen ein rücksichtsloser Machthaber, der die Einigung durch "Blut und Eisen" herbeiführte, für andere wiederum ein Politiker, der sich um das deutsche Volk verdient gemacht hat.
Nach Bismarcks Tod 1898 erließ die Bismarck verehrende deutsche Studentenschaft am 3. 12. 1898 folgenden Aufruf an das deutsche Volk:
"... Wie vor Zeiten die alten Sachsen und Normannen über den Leibern ihrer
gefallenen Recken schmucklose Feuersäulen auftürmten, deren Spitzen
Feuerfanale trugen, so wollen wir unserem Bismarck zu Ehren auf allen Höhen
unserer Heimat, von wo der Blick über die herrliche deutsche Landschaft
schweift, gewaltige granitene Feuerträger errichten.
Überall soll als ein Sinnbild der Einheit Deutschlands das gleiche Zeichen
erstehen, in ragender Größe, aber einfach und prunklos, auf massivem
Unterbau eine schlichte Säule, nur mit dem Wappen und Wahlspruch des
eisernen Kanzlers geschmückt.
Keinen Namen soll der gewaltige Stein tragen, aber jedes Kind wird ihn dem
Fremden deuten können: 'Eine Bismarcksäule!' ..."
Nach diesem studentischen Aufruf wurde am 1. 4. 1899 ein Wettbewerb für alle deutschen Architekten ausgeschrieben. Dazu gingen 320 Entwürfe ein. Am 21. und 22. 4. 1899 tagte das Preisgericht auf der Wartburg bei Eisenach. Der Ausschuss veröffentlichte dreißig Entwürfe. Der Entwurf des Architekten Wilhelm Kreis aus Dresden mit dem Kennwort ?Götterdämmerung? wurde preisgekrönt. Dieser Entwurf wurde das Vorbild für eine nicht geringe Anzahl von Bismarcktürmen und ?säulen, die in den unterschiedlichsten Regionen Deutschlands entstanden. Deren Bau wurde jeweils angeregt durch Studentenschaften, Komitees und Vereine bzw. Privatpersonen.
Auch der Bismarckturm in Lützschena, der auf Anregung und Engagement des Kaufmanns Erler entstand, lässt eine Anlehnung an diesen Entwurf erkennen.
Fortsetzung folgt