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Mit dem Blick auf die 725-Jahr-Feier der ersten urkundlichen Erwähnung von Lützschena setzen wir die Porträtreihe über bekannte Persönlichkeiten fort, die mit Lützschena in Verbindung stehen.

Max Schwimmer, Maler und Grafiker (9. Dezember 1895 - 12. März 1960)

Hilfslehrer für ein Jahr

Im Januar 1919 traf inLützschenas Schule ein neuer Hilfslehrer ein. Er war in Leipzig geboren, 23 Jahre alt, hatte 1915 seine Ausbildung am Lehrerserninar in Leipzig-Connewitz abgeschlossen und in den folgenden drei Jahren in Bildungsstätten verschiedener Orte im Erzgebirge in den Fächern Deutsch, Zeichnen und Turnen unterrichtet. Nun wollte er seinem Geburtsort wieder nahe sein und nahm deshalb die Stelle in dem kleinen Ort vor den Toren Leipzigs an. Sein Aufenthalt in Lützschena währte ganze zwölf Monate. Zum Jahresende verabschiedete er sich ganz vom Schuldienst. Zuvor hatte er im September seine Wahlfähigkeitsprüfung abgelegt. Und ein weiteres Ereignis überschattete den kurzen Aufenthalt des jungen Lehrers in Lützschena im politisch unruhigen Jahr 1919, in dem die revolutionären Nachkriegsereignisse nachklangen und die Weimarer Republik gegründet wurde. Wegen kommunistischer Tätigkeit wurde er im Mai kurzzeitig inhaftiert. In seinen Aufzeichnungen findet sich das Bekenntnis: "Früh schon begeisterten mich die sozialistischen Ideen".(1) Aber in seinem Hafttagebuch "Zelle 22" schreibt er: "Ich bin ein harmloser Lehrer und expressionistischer Künstler". (2) 1924 trat er der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands bei.

Die Rede ist von Max Schwimmer, dem Maler und Grafiker, der zu einem bedeutenden Künstler werden sollte. Nach der Aufgabe des Schuldienstes wollte er sich ganz seiner Kunst widmen, zu der er sich seit seiner Jugend hingezogen fühlte. In den frühen zwanziger Jahren, also wenig später nach dem Intermezzo in Lützschena, beschrieb Hans Reimann, der damals bekannte Leipziger Kabarettist und Gründer der legendären satirischen Zeitschrift "Der Drache", an der auch Max Schwimmer mitarbeitete, den Künstler wie folgt: "Max Schwimmer ist Lehrer an der Kunstgewerbeschule, Kritiker der Volkszeitung und ein eigenwilliges, flackerndes, tastendes, immer auf der Jagd befindliches Talent. Ein Phantast, ein kluger Kopf, ein Nervenbündel, eine Chaotiker. Jammerschade, daß sein Temperament und seine Intelligenz in Leipzig verpuffen müssen". (3)

Der Künstler war das erstgeborene Kind des Leipziger Buchbinders Richard Schwimmer. Der Junge, den ein liebenswürdiges und heiteres Naturell auszeichnete, der sensibel und von geistiger Regsamkeit und leichter Auffassungsgabe war, wuchs in einer Zeit sozialer Kämpfe in Leipzig auf. Die Stadt war eine Hochburg der Arbeiterbewegung, und sie entwickelte sich immer mehr, neben ihrer Bedeutung als Handelsmetropole und Handelsstadt, zu einer von Industrie geprägten Großstadt. Das blieb nicht ohne Auswirkungauf den heranwachsenden Max, der später stets politisch linke Positionen einnahm. Nicht zuletzt durch den Beruf des Vaters und die kulturellen Möglichkeiten, die Leipzig bot, wurde der Jüngling früh mit Literatur und Kunst vertraut. Auch die Musik war ihm ein Lebensbedürfnis. Für die Eltern erschien es daher das Beste für den außergewöhnlichen Sohn, dass er den Lehrerberuf ergriff. Doch schon im Lehrerseminar schuf er ernst zu nehmende Druckgrafik, für die er Anregungen von der Illustrationskunst des großen Adolph Menzel aufnahm. Von 1918 bis 1923 kam Max Schwimmer, vor allem durch seine Bekanntschaft mit dem Dichter Johannes R. Becher und dem Maler und Grafiker Ludwig Meidner mit dem Expressionismus in Berührung. Auch der aus Wien kommende Maler Oskar Kokoschka wurde für Max Schwimmer wichtig. Nebenbei studierte er an der Leipziger Universität Philosophie und Kunstgeschichte.

Der Maler und Grafiker, inzwischen längst Familienvater, musste sich neben seiner Kunst auch andere Quellen zu seinem Broterwerb erschließen. Noch einmal kehrte er für wenige Monate in Eythra aufs Schulkatheder zurück. Dann wurde er für 9 Jahre Mitarbeiter der Leipziger Volkszeitung als Pressezeichner und Rezensent. Endlich 1926 erfolgte seine Anstellung als Lehrer an der Leipziger Kunstgewerbeschule.

In der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts fühlte Max Schwimmer, dass den veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen mit der Formensprache des Expressionismus nicht mehr beizukommen war. Nun orientierte er sich in seiner Grafik an den sozialkritischen Arbeiten von Georg Grosz und Otto Dix, und für seine Malerei entdeckte er den Impressionismus. Er schuf farbenfreudige und stimmungsvolle Bilder und versuchte sich erfolgreich auch in Landschaften und in der Aktmalerei. Viele Impulse in dieser neuen Schaffensphase bekam er durch seine nun regelmäßig erfolgenden ausgedehnten Studienreisen, unter anderem nach Italien, später nach Split über Bayern und Österreich an die Ostseeküste und nach Dänemark. Stets fuhr er nach diesen Auslandsaufenthalten eine reiche künstlerische Ernte ein. Aber er musste dafür auch seinen Tribut zahlen. Seine Ehe mit Eva Schwimmer zerbrach. Mit ihren zwei Töchtern kehrte die junge Frau zu ihren Eltern nach Königsberg zurück.

Die Nazizeit von 1933-1945 wurde für Max Schwimmer ein Inferno. Das Lehramt verlor er, er stand unter Polizeiaufsicht, ein Ausstellungsverbot isolierte ihn von der Öffentlichkeit. Der Künstler litt materielle Not. Ein 1930 ausgebrochenes Lungenleiden verschlechterte sich. Erst später gelang es, dass er unter einem Pseudonym Illustrationen veröffentlichen konnte, besonders als Mitarbeiter an der Neuen Leipziger Zeitung. 1942 wurde er zum Militärdienst beordert. 1943 zählte er zu den Ausgebombten nach einem der Luftangriffe auf Leipzig. Der einzige Lichtblick in dieser Zeit blieb die im gleichen Jahr 1943 erfolgte Heirat mit Ilse Naumann, die selbst Malerin war und als "llske" bekannt wurde.

Eine neue Ära begann für Max Schwimmer nach 1945. Er verblieb in Leipzig. Er wurde Mitglied der KPD. Schon 1946 erhielt der Künstler das Amt des Direktors der Leipziger Kunstgewerbeschule übertragen. Er wurde an die Staatliche Akademie für Graphische Künste und Buchgewerbe (heute HGB) in seiner Heimatstadt berufen. Nach einer Diffamierungskarnpagne gegen Schwimmers künstlerische Haltung nahm er eine Professur an der Hochschule der bildende Künste in Dresden an und fungierte dort als Leiter der Grafikabteilung. Sein Nachfolger in diesem Amt, der Maler und Grafiker Günter Horlbeck, schrieb später über Max Schwimmer: "Er war ein Verfechter all dessen, was sich in unserer Republik an künstlerischein Fortschritt positiv entfaltet hat. Für uns junge damals war er ein Verteidiger des künstlerischen Erbes >Zwanzigstes Jahrhundert< In seinen letzten Schaffensjahren erlebten wir ihn als eifrigen Verfechter von Picasso und Beckmann." (4)

In seinem reichen Schaffen in der letzten Periode seines Lebens ragt seine hinreißende Illustrationskunst heraus. Seine Meisterwerke in diesem Genre machten ihn berühmt. Seine Buchillustrationen und Plakate, seine Bühnenbilder und die Beiträge zur Buchgestaltung, sind legendär.

In der DDR erhielt der Maler und Grafiker mancherlei Auszeichnungen, so den Nationalpreis II. Klasse und den Vaterländischen Verdienstorden, und er wurde Ordentliches Mitglied der Akademie der Künste Berlin und Sekretär deren Sektion Bildende Kunst.

Am 12. März 1960 starb Max Schwimmer. Auf dem Friedhof in Leipzig-Lindenau fand er seine letzte Ruhestätte. Der von den Leipziger Städtischen Bibliotheken bewahrte und betreute Nachlass umfasst 72 Gemälde, 30 Gouachen, 1.494 Aquarelle, 1.880 Zeichnungen und 2.335 Buchillustrationen. Zum Bestand gehören zudem u.a. 35 Skizzenbücher des Künstlers, die Druckplatten des kompletten Radierwerkes sowie sein Briefnachlass und eine Bibliothek von 1.800 Bänden.

Gottfried Kormann

Grundlage für dieses Porträt war das Standardwerk von Magdalena George "Max Schwimmer - Leben und Werk" (Verlag der Kunst, Dresden 1977).
Ihm sind auch die Zitate entnommen:
(1) Ebenda, S. 15,
(2) Ebenda, S. 19,
(3) Ebenda, S. 7,
(4) Ebenda, S. 65

Weiter Informationen zu diesem Künsteler finden Sie im Internet.
MAX SCHWIMMERS "FLENSBURGER BRIEFE"




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