Gespräch mit dem Geschäftsstellenleiter Frieder Konrath, der gleichzeitig Niederlassungsleiter der TÜV Verkehr und Fahrzeug GmbH ist
Auenkurier: Unsere Leser interessiert, was sich in dem imposanten Gebäudekomplex am Wiesenweg in Stahmeln beim TÜV, wie das Unternehmen im allgemeinen Sprachgebrauch genannt wird, an Inhalten und Arbeitsprozessen vollzieht. Können Sie zunächst etwas darüber sagen, was sich hinter dem Begriff TÜV eigentlich verbirgt und welche Aufgaben und Ziele er sich stellt?
Ing. Frieder Konrath: Zunächst einige Bemerkungen zur Geschichte. Mit der zunehmenden Industrialisierung in der Mitte des vorigen Jahrhunderts wurden auch in Sachsen immer mehr Dampfmaschinen betrieben. Tragische Unglücksfälle blieben nicht aus und forderten Menschenleben und Sachschäden in zunehmendem Umfang. Dies führte 1878 zur Gründung des "Sächsischen Dampfkessel-Revisionsvereins" durch Dampfkessel betreibende Unternehmen und an der Schadensverhütung interessierten Ingenieuren. Damit schlug die Geburtsstunde des sächsischen "TÜV" (Technischer Überwachungsverein). Auch heute noch steht das Ziel: "Mensch und Umwelt vor möglichen Gefahren der Technik zu schützen" im Vordergrund aller Aktivitäten der Spezialisten des TÜV SACHSEN.
AK: Was geschah in der jüngsten Geschichte mit dem TÜV im Osten Deutschlands?
F. K.: In der ehemaligen DDR existierte der TÜV nicht. In dieser Zeit wurden lediglich die überwachungspflichtigen Anlagen durch das Staatliche Amt für Technische Überwachung der DDR (TÜ) überprüft, also keine Kfz-Prüfungen, kein Umweltschutz, keine Managementsysteme usw. Unmittelbar mit den gesellschaftlichen Veränderungen nach dem Fall der Mauer, die zur Neugründung der Länder führten und schließlich in der Wiedervereinigung Deutschlands mündeten, wurde am 22. März 1990 der TÜV SACHSEN wiedergegründet. Durch die Kooperation mit dem TÜV BAYERN gelang es den sächsischen Sachverständigen innerhalb kurzer Zeit, den Anschluß an das Regel- und Normenwerk der alten Bundesländer und der Europäischen Gemeinschaft zu erreichen sowie den notwendigen Kenntnisstand aufzubauen. Seit diesem Zeitpunkt entwickelte sich der TÜV SACHSEN rasch zu einem modernen Dienstleister mit etwa 600 sächsischen Mitarbeitern.
AK: Wie ist die moderne Struktur des Dienstleistungsunternehmens heute ausgerichtet?
F.K.: Durch die schnell fortschreitende Liberalisierung und Privatisierung im Bereich der Technischen Überwachungen und den damit zusammenhängenden Veränderungen des Marktes wurden in den vergangenen Jahren Fusionen und Umstrukturierungen in der TÜV-Landschaft durchgeführt. So entstand auch die Unternehmensgruppe TÜV Süddeutschland aus der Fusion des TÜV Bayern, Hessen, Sachsen und des TÜV Südwest. Der TÜV Süddeutschland vereint unter dem Dach der TÜV Süddeutschland Holding AG die Erfahrung, den Service und die Finanzkraft eines international führenden sicherheitstechnischen Dienstleistungsunternehmens. Die Holding schuf drei Geschäftsbereiche für Industrie, Produkte und Verkehr. In diesen Geschäftsbereichen sind dann die eigenständigen GmbHs angesiedelt. So zum Beispiel die TÜV Bau und Betrieb GmbH, die TÜV Verkehr und Fahrzeug GmbH, die TÜV Management Service GmbH und als Tochterunternehmen die TÜV Akademie GmbH. Diese GmbHs bestehen wiederum aus einzelnen Niederlassungen in den vier Bundesländern aber auch international. So gibt es in der TÜV Verkehr und Fahrzeug GmbH insgesamt 45 Niederlassungen.
AK: Was verbirgt sich hinter dem Begriff "Niederlassung Leipzig" konkret und welche Aufgaben haben Sie?
F.K.: Richtig muß es heißen "Geschäftsstelle" Leipzig, da sich hier in Stahmeln mehrere Niederlassungen bzw. Teile davon befinden. Einige davon habe ich bereits erwähnt. Außer der TÜV Medizinisch Psychologisches Institut GmbH, die sich in der Innenstadt von Leipzig befindet, sind alle Bereiche bzw. Voraussetzungen in unserer Geschäftsstelle vorhanden, um Dienstleistungen aus über 70 Arbeitsgebieten unseren Kunden anzubieten.. Ich selbst leite die hier ansässige Niederlassung Verkehr und Fahrzeug GmbH und koordiniere als Geschäftsstellenleiter verschiedene Aufgaben zwischen den Bereichen in unserer Geschäftsstelle.
AK: Wie kam es zu dem Neubau in Stahmeln?
F.K.: Die Entscheidung für den Bau und den Standort in Stahmeln fiel bereits schon 1992/93. Ausschlaggebend dafür waren die Vorteile für eine zentrale Unterbringung aller Bereiche an einem Standort. Für den Standort Stahmeln waren Zukunftsgedanken im Zusammenhang mit dem Zusammenwachsen der Industriestandorte Leipzig und Halle sowie die bereits vorhandene und geplante Infrastruktur maßgebend. Die Holding ist Eigentümer des Baus und im Januar 1996 konnten die Niederlassungen bereits als Mieter in die neue Geschäftsstelle einziehen. Ein Teil des Gebäudekomplexes ist extern vermietet. So befinden sich bei uns auch eine Außenstelle der Kfz-Zulassungsstelle Leipzig, die Volkssolidarität und die Geschäftsstelle des Bundesverbandes der mittelständischen Wirtschaft (BVMW).
AK: Können sie zum Schluß noch einige Ausführungen zu den Leistungsangeboten der TÜV-GmbHs machen?
F.K.: Als Dienstleister für die Wirtschaft, für Behörden und die Bürger basieren unsere Angebote auf drei Säulen. Erstens dem Anlagen-TÜV, der für die Sicherheit von industriellen Anlagen und Kraftwerken, Bauwerken im Hoch- und Tiefbau sowie von Komponenten sorgt. Zweitens dem Produkt-TÜV, der technische Produkte und Systemprozesse bis zu ihrer Vermarktung testet und zertifiziert. Und drittens dem Verkehrs-TÜV, der Sicherheit, Qualität und Umweltschutz in der Automobiltechnik und im Fuhrparkbereich prüft. Nicht vergessen darf ich die TÜV Akademie, die sich mit ihren praxisorientierten Seminaren zum zentralen Aus- und Weiterbildungspartner für Industrie, Handwerk, Gewerbe, Dienstleister und Endverbraucher etabliert hat. Besonders interessant für die Bürger von Stahmeln und Umgebung dürfte unsere Kfz-Prüfstelle vor Ort sein, die Montag bis Freitag von 8-18 Uhr geöffnet hat. Hier können Hauptuntersuchungen (der so genannte "TÜV"), Abgasuntersuchungen, Anbauabnahmen, Schadengutachten, Fahrzeugbewertungen und weitere Überprüfungen an Kfz durchgeführt werden. Dabei ist die Anmeldung auch über das Internet unter www.tuev-sued.de möglich. Das sich in der Prüfstelle befindliche Terminal kann auch zur Einstellung oder zum Suchen von Gebrauchtfahrzeugen in einer Gebrauchtwagenbörse ohne zusätzliche Kosten genutzt werden.
AK: Herr Konrath, herzlichen Dank für dieses Interview.
Die Fragen stellte Gottfried Kormann.
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