Gut behütet in neuer Umgebung

Was ist aus den geistig behinderten Kindern und Jugendlichen geworden, die bis zum Ende des Schuljahres 1999/2000 im Schloß Lützschena in der Förderschule unterrichtet wurden, fragten uns unsere Leser. Der Auenkurier suchte eine Antwort und fand sie.

Die Schließung der hiesigen Schulklassen wurde lange vorbereitet. Schon zu Beginn der letzten Schuljahre gab es keine Neuzugänge mehr. Zuletzt wurden noch fünfundzwanzig Schülerinnen und Schüler unterrichtet, die sämtlich aus dem Kreis Leipziger Land kamen.

Als die Schule geschlossen wurde, hatten fünf von ihnen das achtzehnte Lebensjahr erreicht. Sie betätigen sich jetzt in verschiedenen Spezialwerkstätten für geistig behinderte Jugendliche, in denen sie den Umgang mit Maschinen und den Rohstoffen Holz und Textil erlernen. Die weiteren zwanzig Schülerinnen und Schüler haben sich inzwischen in anderen Förderschulen eingelebt und werden dort in der gebotenen Qualität unterrichtet und betreut. Einen Ausfall in der Stoffvermittlung und im Lernprozeß hat es durch den Schulwechsel nicht gegeben. Zu finden sind die behinderten Kinder und Jugendlichen beispielsweise in der Martin-Schule in Grünau, der Christophorusschule in Lindenau, in der Förderschule in Leipzigs Delitzscher Straße und im Schloß Schönefeld. Erst vor wenigen Wochen haben Förderschüler aus der Delitzscher Straße unter Leitung des ehemaligen hiesigen Schulleiters Herrn Bauer, der jetzt dort tätig ist, der Auwaldstation einen Besuch abgestattet.

Die geistig behinderten Schülerinnen und Schüler haben ihrem Schulort Lützschena ein schönes Geschenk von bleibendem Wert hinterlassen. Es ist als Dauerausstellung im neu ausgebauten Obergeschoß der Auwaldstation zu besichtigen. In feierlicher Form hatten es die Kinder und Jugendlichen nach der Fertigstellung dem Oberhaupt der Familie von Sternburg, der einst das Schloß gehörte, übergeben.

In einer letzten Projektwoche kurz vor Ende des letzten Schuljahres im Schloß setzten sich die Schüler mit der Schloß- und Schulgeschichte auseinander und dachten über eine mögliche künftige Nutzung des Gebäudes nach. Es entstanden mit viel Engagement und erstaunlicher Gründlichkeit fünf Schautafeln mit viel Bildmaterial, eine beachtliche Arbeit, besonders wenn man bedenkt, wer sie bewältigte.

Da wird zuerst „Ein Schloß im Wandel der Zeiten“ zwischen 1404, als Wilhelm von Uechtritz das Rittergut Lützschena erwarb, über die Blütezeit als Stammsitz derer von Sternburg bis heute dargestellt. Eine Bilder- und Textfolge über „Das Schloß Lützschena früher und heute“ schließt sich an, danach wird die Zeit der Fachschule für Landwirtschaft zwischen 1945 bis 1990 anschaulich gemacht, als das Schloß im Zuge der Bodenreform volkseigen wurde und sich darin erst angehende Landwirte und später künftige „Auslandskader“ tummelten. Schließlich wird auch über der Werdegang der Förderschule für geistig Behinderte Auskunft gegeben, die seit 1992 bis 2000 jährlich bis zu 40 Kinder und Jugendliche aus dem Landkreis Leipziger Land zur lebenspraktischen Unterweisung aufnahm, jetzt in einem Schloß, das dem Freistaat Sachsen gehört.

Lustig und aufschlußreich sind die Ergebnisse einer Umfrage unter Schülern und Mitarbeitern zu dem Thema „Was würdest du aus diesem Haus machen?“. 24 Antworten sind aufgezeichnet. Sie reichen von „Abreißen“ (Andy, 17 Jahre alt) bis zum Vorschlag, ein Altenpflegeheim einzurichten „zum Beispiel für alte Lehrer“ (Jan, 15). Yvonne (16) will aus dem Schloß „eine Schönheitsfarm“ machen, Ronny (14) „ein Tierheim, weil die Tiere hier viel Auslauf haben“, Benjamin (11) spricht sich für „ein Jugendheim für Jugendliche, die nicht hören wollen“ aus, ein anderer meint: „Ich würde eine Berufsfeuerwehr aufbauen, Übungsräume sind im Keller“, und Markus (15) erklärt bestimmt und ganz rigoros: „Das wird ein Gefängnis, weil’s so viele Zimmer hat“.

Die Schülerinnen und Schüler der Förderschule haben außerdem ein Diorama vom Schloß gebastelt und künstlerische Gebilde aus im Park gefundenen Hölzern und Pflanzen gestaltet, durch Naturstricke gebunden. Beides übergaben sie ebenfalls der Auwaldstation, wo die Objekte ausgestellt sind.

Die einstigen Bewohner des Schloßes provozieren indessen tatsächlich die Frage, diesmal an den Freistaat Sachsen gerichtet: Was wird nun wirklich aus dem Gebäude und wann endlich findet es eine neue Verwendung?

Gottfried Kormann

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