Tips für den Kultur- und Kunstfreund

"Spielmuseum Zum Herrnholz"
in Schkeuditz-Modelwitz (Sammlung Gaudlitz)

Das Schatzkästlein im Kuhstall

Seit dem 26. September 1998 ist im nahen Schkeuditz von Jedermann ein Kleinod zu besichtigen. Ein wenig versteckt, wie im Märchen, hat sich die Zauberwelt aus Kindheitstagen. Im 200 Quadratmeter großem ehemaligen Kuhstall mit "Kreuzgewölbe" des früheren Modelwitzer Gutshofes; am Rande der Stadt, nahe der

B 6, hat Winfried Gaudlitz, der in Leipzig geboren wurde und heute in Schkeuditz wohnt und dort verdienstvoll wirkt, seine einzigartige wertvolle Sammlung von über 3000 Exponaten eines Querschnittes durch die Spielzeugvielfalt aus den Jahren zwischen 1870 und der Gegenwart aufgebaut. Es ist eine der größten derartigen Sammlungen im Osten Deutschlands, zugleich auch ein unersetzbares Zeugnis der wechselvollen Historie des Spielzeuges in der menschlichen Kulturgeschichte.

Die Originale und Unikate, die im Museum zu sehen und zu erleben ist, offenbaren ungeahnte sinnliche Reize und sind ein Augenschmaus für jeden Spielzeugfreund. Er fühlt sich in eine Welt versetzt, in dem sich Fertigkeiten erlangen, die Phantasie entwickeln und im sinnvollen Spiel die Persönlichkeit formen lassen. Dazu kommt der Kitzel, ein uraltes, "handgemachtes", historisches Spielzeug betrachten zu können. Jedes Stück, das im Museum zu sehen ist, hat seine eigene Note und Ausstrahlung.

Wie die Sammlung entstand

Bei Winfried Gaudlitz, der in mühevoller, die Nerven strapazierender Sammlertätigkeit diese Schätze zusammengetragen hat, fing 1968 alles so harmlos an. Es begann nach langer Suche mit dem Erwerb einer "Eisenbahn Spur 0, zum Aufziehen". Der Spielzeugnarr hatte schon vorher als Jüngling Abzeichen. Messinggeld, Münzen, 177 Sorten Originalweine und Schellack-Schallplatten, deren heutiger Bestand noch über 10.000 Stück ausmacht, gesammelt. Der Besitz der Eisenbahn wurde zu einer "Initialzündung". Ab 1970 ergaben sich Kontakte zu einigen Sammlern der ersten Stunde, durch welche Winfried Gaudlitz sein Wissen um historische Zusammenhänge erweitern konnte und das Bestimmen lernte. Ab 1971 wagte er sich dann auch an den elektrischen Fahrbetrieb heran. Der Sammler schreibt: "Nun nahm mich das Aufspüren, Erwerben, Entrosten, Zurechtbiegen, Aufpolieren, Vergleichen, Ein- und Zuordnen, typengerechte Unterbringen (vorerst in Schränken und Kartons, später dekorativ auf spezialgefertigten Holzborden) der Eisenbahnstücke ganz in Besitz."

Nicht ohne Grund stehen dann auch die Modelleisenbahnen, ganze Anlagen und eine fast verwirrende Fülle von Lokomotiven, Personen- und Güterwagen der verschiedensten Spuren, im Zentrum des Museums. Die besonderen Attraktion bilden zwei Anlagen: Eine zwölf Quadratmeter große Modelleisenbahn aus den dreißiger Jahren der Spur O von Märklin, die auch heute noch jederzeit in Betrieb gesetzt werden kann; und dann "Lehmanns Gartenbahn" im Wildweststil (LGB), aufgebaut auf einer Fläche von zweiunddreißig Quadratmetern, hergestellt von der Firma Lehmann in Nürnberg.

Was es noch zu bestaunen gibt

Während der Eisenbahn-Teil des Sammlers Streben nach Vollständigkeit (auf der Basis von Hersteller-Serien) erkennen läßt, dient das übrige Spielzeug, seit Anfang der siebziger Jahre ein weiteres liebevoll betreutes Sammlungsgebiet von Winfried Gaudlitz, der Vielfalt und musealen Lebendigkeit.

Erst war es das rollende, dann auch das bodenständige Blechspielzeug, nach dem gesucht wurde. Es folgte sammlungswürdiges Nichtmetall-Spielzeug aus Holz, Masse, Porzellan und Papiermaché. Schließlich erschloß sich der Sammler auch wertvolle Stücke aus dem Reich der Puppen. Immer aber mußte es originelles Spielzeug sein.

1983 erhielt die Spielzeugsammlung von Winfried Gaudlitz in Würdigung seiner zielgerichteten sammlerischen Tätigkeit das amtliche Prädikat "Sammlung von nationaler Bedeutung" der Kategorie II – gemäß dem Kulturgut-Schutzgesetz der ehemaligen DDR. Diese hohe Auszeichnung hielt die Devisenjäger aus dem unersättlichen Imperium des Alexander Schalck-Golodkowski keineswegs von dem schändlichen Versuch ab, der Schätze des Sammlers mit kriminellen Methoden und spektakulären manipulierten Justizattacken habhaft zu werden, um sie im westlichen Ausland gegen harte Deutsche Mark und Dollars verscherbeln zu können. Dem Sammler gelang es jedoch, mit Hilfe vieler Freunde, den entscheidenden Bestand seiner Sammlung zu retten. Vom Oberlandesgericht Chemnitz wurde er 1992 "unter Zugrundelegung der DDR-Gesetze" nach unbegründeten Verdächtigungen der Steuerhinterziehung und Devisenvergehen in der DDR voll rehabilitiert.

Nur durch diese mutige Tat kann sich heute der Museumsbesucher an ihnen erfreuen: an Käthe-Kruse- und anderen Puppen, an zahlreichen Ausführungen der guten alten Kaufmannsläden, Puppenstuben und Bauernhöfen, an Riesenrädern, Schaukelpferden und Karussells, an Schiffsmodellen aus Blech und Dampfmaschinen in vielen Varianten, an musikalischem und technischem Spielzeug, an Miniaturen der erzgebirgischen Schnitzer, an Tierfiguren und Hunderten anderer schöner Exponate aus der magischen Spielzeugwelt. Dem Sammler sei Dank dafür.

Nachdem seine vielfältigen Bemühungen, eine ständige Ausstellung der Sammlung in Leipzig, beispielsweise in den Räumlichkeiten des technischen Kulturdenkmals "Portikus Bayrischer Bahnhof", leider nicht zu realisieren waren, hat sie nun endlich in Schkeuditz-Modelwitz eine würdige Heimstatt gefunden. Ihr einen Besuch abzustatten, lohnt sich. Er wird zu einem einmaligen unvergeßlichen Erlebnis.

Gottfried Kormann

Spielmuseum (Sammlung Winfried Gaudlitz)
Zum Herrnholz 30, 04435 Schkeuditz-Modelwitz
(Neben der B 6 am Stadtrand von Leipzig)
Tel. 034204-600 50

Öffnungszeiten: Mo-Sa 14-17 Uhr, Sonn- und Feiertags 10-12 und 14-17 Uhr, Gruppen nach Vereinbarung

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